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Krankenkassen kritisieren Kompromiss der Regierung mit Pharmaindustrie

"Ablasshandel"

Der zwischen Bundesregierung und Pharmaindustrie ausgehandelte Kompromiss beim Arznei-Sparpaket schadet nach Ansicht von Union und Krankenkassen dem Ansehen der deutschen Politik. Bundeskanzler Gerhard Schröder und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (beide SPD) hatten am Donnerstagabend als Alternative zum geplanten Preisabschlag auf bestimmte Medikamente eine Barzahlung der Pharmaindustrie von 400 Millionen Mark akzeptiert. Mit einer solchen Politik füge Schmidt der Gesetzgebung wie auch dem Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland einen verheerenden Schaden zu, kritisierte am Freitag Unions-Gesundheitsexperte Wolfgang Lohmann (CDU). Die Spitzenverbände der Krankenkassen sprachen von "Ablasshandel".

Eigentlich war für die Jahre 2002 und 2003 in Schmidts Gesetzentwurf zur Begrenzung der steigenden Kosten für Arzneimittel ein "Solidarbeitrag" der Industrie von vier Prozent auf Medikamente ohne Festbetrag vorgesehen. Dieser sollte den Krankenkassen 500 Millionen Mark bringen. Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA ) war dagegen Sturm gelaufen und hatte zunächst als Alternative 300 Millionen Mark angeboten. Am Donnerstagabend hatte sich Kanzler Schröder in die Verhandlungen mit der Pharmaindustrie eingeschaltet.

Lohmann kritisierte, Schmidt beschädige mit dieser Politik "das Ansehen des Parlaments, ihres Amtes, aber auch das der Bundesregierung". Auch mit Blick auf das "marginale Einsparergebnis" und die zu erwartende Senkung des Beitragssatzes um gerade einmal 0,08 Prozentpunkte sei das Ergebnis nicht zu rechtfertigen, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Fraktion.

Die Spitzenverbände der Krankenkassen nannten es "rechtlich fragwürdig", mit einer einmaligen Zuwendung bei einem Teil der Pharmaindustrie Ausgabenstabilität "einzukaufen". Zudem setze dieses Vorgehen die "politische Glaubwürdigkeit" aufs Spiel.

Der ebenfalls bei dem Treffen im Kanzleramt anwesende Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Hubertus Schmoldt, begrüßte hingegen die Einigung als "wichtigen Zwischenschritt auf dem Weg zu einer umfassenden Gesundheitsreform". Von dem Gespräch gingen "positive Signale für die Arbeitsplatzsicherheit" aus. Ziel sei es, den deutschen Pharma- und Forschungsstandort zu stärken.

Laut Schmoldt ist weiter verabredet worden, die so genannte Aut-Idem-Regelung noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Diese Regelung sieht vor, dass der Arzt nur noch einen Wirkstoff verschreibt und der Apotheker dazu das kostengünstigste Medikament auswählt.

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) reagierte enttäuscht, dass die Wirkstoffregelung beim Gespräch im Kanzleramt nicht auch noch gekippt wurde.

Wirtschaftsgiganten

Der Vorsitzende der Barmer Ersatzkasse, Eckart Fiedler, kritisiert die Pharmaindustrie in scharfer Form. Die Arzneimittelpreise seien im internationalen Vergleich zu hoch, sagte Fiedler dem "Stern" in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview. Selbst Nachahmerprodukte, so genannte Generika, seien in Deutschland deutlich teurer als in anderen europäischen Ländern.

Wegen der steigenden Arzneimittelkosten rechnet Fiedler dieses Jahr mit Mehrausgaben von zwei Milliarden Euro bei den gesetzlichen Krankenkassen . Ein Grund sei, dass der bislang eingeräumte Rabatt, den die Pharmaindustrie gemäß der Gesundheitsreform 2004 geben musste, Anfang 2005 weggefallen ist. "Man hätte das Niveau stabilisieren sollen. Die Pharmaindustrie hat durchaus noch Speck", unterstrich Fiedler. Er kritisiert vor allem "die völlig überhöhte Preise" für Scheininnovationen.

In diesem Zusammenhang hob Fiedler das so genannte Hausarzt- und Hausapotheken-Modell hervor, das die Barmer als erste Krankenkasse ab dem 1. März anbietet. Bundesweit hätten sich bereits 12 000 Ärzte verpflichtet, auf Scheininnovationen zu verzichten und statt dessen Generika zu verordnen. Fiedler rechnet damit, dass sich 1,4 Millionen Barmer-Versicherte an dem Modell beteiligen werden. Diese müssen bei Krankheit zunächst ihren Hausarzt und eine Hausapotheke aufsuchen. Im Gegenzug müssen sie nur einmal im Jahr Praxisgebühr zahlen.

Am 02. Feb. 2005

Keine Rabatte für Apotheker

Die große Koalition plant offenbar "Erleichterungen" für die "forschenden Hersteller" der Pharmaindustrie. Die Regelung, nach der die Kassen auch für deren neu entwickelte Präparate Höchstpreise festlegen müssen, die die Krankenkassen maximal erstatten, soll gelockert werden. Ziel der Maßnahme sei es, die Arzneimittelforschung zu fördern.

Nach Informationen des "Handelsblatts", die von SPD-Kreisen am Donnerstag bestätigt wurden, sollen ansonsten die Arzneimittelpreise für zwei Jahre eingefroren werden, um den starken Preisanstieg abzubremsen. Naturalrabatte der Pharmaindustrie an die Apotheken sollen künftig nicht mehr erlaubt sein. Nach Angaben der Zeitung sollen Generikahersteller den Kassen künftig einen zusätzlichen Preisnachlass von fünf Prozent auf ihre Produkte gewähren. Bislang müssen alle Arzneimittelunternehmen den Kassen einen sechsprozentigen Preisnachlass gewähren.

Am 07. Nov. 2005

Begrenzungen des Freihandels

Die deutsche Bundesregierung will die deutsche Pharmaindustrie stärker vor Importen beispielsweise aus China schützen. Gesetzliche Begrenzungen des Freihandels werdne mit einem "Kampf gegen die Fälschung von Arzneimitteln" begründet. So werde darüber nachgedacht, künftig auch die Fälschung von Wirkstoffen, also den Ausgangsmaterialien für Arzneimittel, zu bestrafen, kündigte das Bundesgesundheitsministerium am 28. April in Berlin an. Auch werde erwogen, in der 15. Novelle des Arzneimittelgesetzes den Handel mit Arzneimittelfälschungen auf deutschem Hoheitsgebiet auch dann zu ahnden, wenn diese hierzulande gelagert würden und Deutschland nur Durchgangsland sei.

Hintergrund der Initiative ist - nach offizieller Darstellung - der jüngste Heparin-Skandal von Ende Februar, bei dem in China Heparin angeblich bewusst verunreinigt wurde. Das Blutverdünnungsmittel aus China soll im Zusammenhang mit 81 Todesfällen in den USA stehen. Auch in Deutschland waren Heparin-Produkte wegen des dringenden Verdachts von Verunreinigungen zurückgerufen worden.

Die deutsche Pharmaindustrie, die generell ein starkes Interesse am Schutz vor Arzneimittelimporten hat, fordert verstärkte europaweite Bemühungen, um künftig den Weg von Medikamenten vom Hersteller bis zum Verbraucher genauer nachvollziehen zu können. Die Geschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), Cornelia Yzer, sprach sich für ein europaweites Pilotprojekt aus. Voraussetzung sei dafür, dass einige Hersteller ihre Präparate mit sogenannten 2D-Bar-Codes ausrüsten, ähnlich wie bei Flugtickets. Mit Scannern in den Apotheken könnte die Herkunft der Medikamentenpackung dann überprüft werden. Ist der Code unbekannt oder schon vergeben, schlägt das System Alarm. So wäre ein offiziell verpönter Protektionismus möglicherweise leicht durchsetzbar.

Am 28. Apr. 2008