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Im Dezember fast 4 Millionen Erwerbslose- Parteienstreit um Abhilfe

Arbeitslosigkeit

Die anhaltende Konjunkturschwäche und winterliche Temperaturen haben die Arbeitslosenzahl in Deutschland im Dezember auf knapp vier Millionen anwachsen lassen. Die Arbeitsämter registrierten 3,964 Millionen Arbeitsuchende, wie der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit (BA), Bernhard Jagoda, am Mittwoch in Nürnberg mitteilte. Das waren rund 174 600 mehr als im Vormonat und 154 600 mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote stieg bundesweit gegenüber November von 9,2 Prozent auf 9,6 Prozent. Im Winterquartal (November bis Februar) müsse mit einem Plus von insgesamt 500 000 Arbeitslosen gerechnet werden. Eine Besserung werde erst wieder im Frühjahr eintreten.

Die Arbeitslosenquote stieg in Westdeutschland von 7,4 auf 7,7 Prozent. In den neuen Ländern waren im November 1,380 Millionen Menschen ohne Arbeit. Das waren 24 300 mehr als vor einem Jahr und 58 300 mehr als im November. Die Arbeitslosenquote stieg damit in Ostdeutschland von 16,9 auf 17,6 Prozent.

Die Arbeitsmarktpolitik bewegte sich 2001 "auf hohem Niveau", bilanzierte Jagoda. Bundesweit kam sie 2001 jahresdurchschnittlich praktisch unverändert rund 940 000 Personen zugute. Wie bisher entfiel dabei knapp die Hälfte auf die neuen Länder. Der BA-Präsident sprach sich für die bundesweite Ausweitung des so genannten Mainzer Modells für Kombilohn aus. Gleichwohl könne eine Trendwende allein mit subventionierten Arbeitsplätzen nicht geschafft werden.

Als "alarmierend" bezeichnete der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Michael Rogowski, die neuen Arbeitsmarktdaten. Die Entwicklung sei ein Beleg für das wirtschaftspolitische Versagen der Bundesregierung. In Anbetracht der Arbeitsmarktdaten seien die überhöhten Tarifforderungen der IG Metall "wirtschaftspolitisch verantwortungslos".

Vor dem Hintergrund erneut gestiegener Arbeitslosenzahlen dringen die Grünen auf die Einführung von Kombilöhnen. Fraktionschefin Kerstin Müller rechnete am Mittwoch vor, dadurch könnten noch in diesem Jahr bis zu 100 000 neue Stellen geschaffen werden. Auch der rheinland-pfälzische Sozialminister Florian Gerster (SPD) geht von dieser Zahl aus.

SPD-Fraktionschef Peter Struck sagte hingegen, es gebe "keine sofort wirksamen Maßnahmen", die "auf einen Schlag 100 000 Leute wieder in den Arbeitsmarkt bringen". Von den Arbeitgebern forderte Struck einen kräftigen Abbau von Überstunden. Die Gewerkschaften ver.di und IG Metall verlangten von der Bundesregierung, die Mehrarbeit gesetzlich zu begrenzen. Struck lehnt dies jedoch vorerst ab. "Ich glaube, dass allein schon der Hinweis, dass zur Not der Gesetzgeber handeln kann, mehr Bereitschaft der Arbeitgeber erreicht", sagte Struck. ver.di-Vizechefin Margret Mönig-Raane plädierte für ein Gesetz, das die wöchentliche Höchstarbeitszeit von derzeit 60 Stunden deutlich reduziert und eine Obergrenze für Überstunden festlegt.

Im Streit um Kombilöhne, bei denen im Niedriglohnbereich Sozialbeiträge staatlich subventioniert werden sollen, verurteilte Müller die skeptische Haltung der Gewerkschaften. Es sei bedauerlich, dass sie Kombilöhne ablehnten, "ohne sich die Modelle genau anzuschauen". Sie verwies auf zehn Versuche auf regionaler Ebene. Noch nicht festgelegt haben sich die Grünen offenbar, wo die Obergrenze für die Bezuschussung liegen soll. Während Grünen-Chef Fritz Kuhn Anfang der Woche 920 Euro genannt hatte, sprach Müller am Mittwoch von 850 Euro.

Ein Acht-Punkte-Plan, der Ende der Woche auf einer Grünen-Fraktionsklausur verabschiedet werden soll, sieht neben Kombilöhnen finanzielle Erleichterungen für Eltern bei Kinderbetreuungskosten vor. Damit soll vor allem Frauen der Wiedereinstieg in den Beruf erleichtert werden.

Vor zu hohen Erwartungen an Kombilöhne warnten der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), Ottmar Schreiner, und der niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD). Schreiner plädierte wie Struck für eine Überstundenbegrenzung. Gabriel sprach sich dafür aus, Kombilöhne im Dienstleistungsbereich zu testen.

Klaus Grehn, der arbeitsmarktpolitischer Sprecher der PDS-Bundestagsfraktion erklärte: „Kombilöhne haben in Modellversuchen statt mehrerer Zehntausend lediglich mehrere Hundert aus der Arbeitslosigkeit geführt. Spätestens nach Wegfall der Subventionierung im zweiten Jahr gab es auch den Arbeitsplatz nicht mehr. Die Förderung des Niedriglohnsektors durch den Staat ist nicht nur moralisch und marktwirtschaftlich fragwürdig - durch einen Niedriglohnsektor entstehen auch keine neuen Arbeitsplätze, wie das Beispiel der neuen Bundesländer zeigt, wo es eine mehr als doppelt so hohe Arbeitslosigkeit wie in den alten Ländern gibt.“

Statt dessen forderte Grehn den Abbau der in der EU einzigartig hohen Zahl der Überstunden, ein neues Arbeitszeitgesetz mit wöchentlicher Höchstarbeitszeit von 40 statt wie bisher 48 Stunden, Verbot von Überstunden jenseits von 50 Wochenstunden, Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze auf dieser Grundlage durch Teilzeitarbeit, Ausbau öffentlich geförderter Beschäftigung und andere flexible Arbeitszeitmodelle bei existenzsichernden Löhnen, um tatsächlich der Arbeitslosigkeit zu begegnen.