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Computerfreaks für Informationsfreiheit auf der Straße

Bezirksregierung Düsseldorf erhält rote Netzwerkkarte

Mehrere hundert DemonstrantInnen versammelten sich am Samstag in Düsseldorf zur ersten "Offline-Demonstration" auf der Straße des Chaos Computer Clubs und der Online-Demonstrations-Initiative ODEM. Unter dem Motto "Wegfiltern ist Wegschauen" demonstrierten Sie gegen den Versuch der Bezirksregierung Düsseldorf, den Internet-Nutzern in Nordrhein-Westfalen nur noch einen eingeschränkten Netzzugang zu ermöglichen.

Für das Recht, sich ungefiltert mit gesellschaftlichen Realitäten auseinandersetzen zu können, verließen die Computernerds die Netze und gingen auf die Straße. Unterstützt wurden sie dabei von Publizisten, Politikern und Bürgerrechtsorganisationen, die vor einer Internetzensur einhellig warnten.

Auf Transparenten und Plakaten mit Schlagworten wie "Zensur, in China, Irak und NRW" und "Zensur ist kein Konzept" machten die TeilnehmerInnen ihrem Ärger über die Zensurversuche des Regierungspräsidenten Büssow Luft. Anlass sind Sperrungen von im Ausland gelagerten Webseiten.

"Die Herstellung eines Klimas von kultureller Akzeptanz und die Auseinandersetzung auch mit extremen Strömungen im Rahmen eines gesellschaftlichen Disputs sehen wir durch eine staatliche Filterung der Netzkommunikation gefährdet", erklärte CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn die Motivation der Veranstalter.

Auf einem Demonstrationswagen bauten sich Computerfreaks vor ihren mitgebrachten Computern mit verklebten Mündern und Händen auf, um aufzuzeigen, dass nicht nur das Recht auf Informationsverbreitung, sondern auch das Recht auf Informationsbeschaffung unterbunden würde. Die Organisatoren der Demonstration zeigten sich erfreut über den Erfolg der Aktion. "Wenn wir es schaffen, etwa 235 Computerfreaks vom Bildschirm weg auf die Straße zu locken, ist das Ausdruck eines ernsten Anliegens" erklärte Ingo Schwitters vom CCC Köln am Rande der Demonstration.

Dem durch das große Medienecho der Demonstration überraschten und kurzfristig angereisten Regierungspräsidenten der Bezirksregierung Düsseldorf Büssow wurde von den Demonstranten die "rote Netzwerkkarte" als Mahnung der Zensurgegner überreicht. Zu einer Überraschung kam es, als der Vertreter der Bezirksregierung eine Unterschriftenliste gegen die Filterpläne entgegennehmen wollte. Im Augenblick der Übergabe des beeindruckenden Papierstapels, der über 6500 Unterschriften enthält, löste sich plötzlich ein als Ordner verkleideter Demonstrant aus der Menge, und nahm dem völlig verdutzen Herrn Büssow den Karton mit den Unterschriften wieder aus der Hand. "Herr Büssow - leider können wir nicht zulassen, dass Sie sich mit diesen Demonstranten näher befassen" sagte der Demonstrant, und verschwand mit der Unterschriftenliste in der Menge. Als Ersatz reichten die Organisatoren Herrn Büssow ein paar Ausgaben Micky-Mouse Hefte und Werbeprospekte. Dies sei, so die Organisatoren, das, was überbleibe, wenn im Netz eine heile Welt vorgespielt werde. Herr Büssow wollte die Mickey-Mouse-Hefte allerdings auch nicht entgegennehmen.

Die Unterschriftenaktion gegen Netzzensur soll noch bis zum Sommer weiterlaufen; erst dann werden die Unterschriften offiziell übergeben. Regierungspräsident Büssow stellte sich der Diskussion mit den Zensurgegnern. Der Organisator der Demonstration Ingo Schwitters vom CCC kommentierte Büssows Ausführungen mit dem Einwand, dass "wenn immer weniger Jugendliche über die Greueltaten des Dritten Reiches aufgeklärt sind und gleichzeitig rechte, menschenverachtende Seiten ausgeblendet werden, nimmt die Gefahr zu, dass arglose Jugendliche um so empfänglicher für rechte Gewaltgruppen sind."

Die Demonstranten forderten auf Plakaten "Konzepte gegen Rechts statt Filter" und "Bilden statt Filtern". "Das eigentliche Problem sind nicht die Internetseiten selbst, sondern die Menschen, die diese machen und sehen wollen", stellte André Kasper von den JungdemokratInnen NRW fest. "Zensur kann gesellschaftliche Probleme nicht lösen, sondern lediglich verstecken. Der Politik ist es in den letzten Jahren nicht gelungen, erfolgreich gegen Rassismus vorzugehen. Vielmehr wurde der Rassismus in der Gesellschaft durch Anti-Terror-Gesetze, Rasterfahndung, usw. vorangetrieben. Durch Zensur versucht die Politik jetzt sich vor ihrer politischen Verantwortung hierfür zu drücken."

Michael Peter Schmidt, Internetexperte des Virtuellen Ortsvereins der SPD, erklärte am Rande der Veranstaltung in einer hitzigen Debatte mit dem ebenfalls anwesenden stellvertretenden Regierungspräsidenten Herrn Riesenbeck: "Mein lieber Parteigenosse Jürgen Büssow muss einsehen, dass er mit seiner Behörde nicht nur ordnungspolitisch und technologisch auf einem katastrophalen Holzweg ist, sondern insbesondere auch juristisch voll daneben liegt. Sein Vorgehen werden die Gerichte zu klären haben."

"Es ist naiv zu glauben, dass es den Befürwortern von Internet-Zensur um Rechtsextremismus geht", so Alvar Freude, Gründer der Internet-Initiative ODEM.org während seiner Rede. "Hier wird versucht, unter dem Vorwand des Kampfes gegen Nazis ein weitreichendes Zensursystem zu etablieren." Zu viele Interessengruppen würden auf ein gefiltertes Internet drängen, und die Bezirksregierung sich als Marionette missbrauchen lassen. "Wir müssen uns jetzt gegen die Zensur-Versuche wehren, denn bald ist es zu spät!" So sei in der jetzigen Sperrverfügung schon die mögliche Sperrung von Suchmaschinen angedeutet worden.

Andy Mueller Maguhn, ICANN-Direktor und CCC-Sprecher warnte in seinen Redebeitrag, in der Wirtschaft gebe es bereits Interessen, noch viel umfassender die Informationsfreiheit des Internets den kommerziellen Begehrlichkeiten zu opfern und Filterprodukte zu verkaufen. "Hinter den Versuchen der Bezirksregierung in Düsseldorf stehen die wirtschaftlichen Interessen der in Bonn ansässigen Firma Bocatel. Ähnliche Produkte werden bereits von der Musikindustrie gefordert. Hier beginnen wirtschaftliche Interessen, einen Kulturraum zu zerstören."

padeluun, Künstler und Veranstalter des deutschen Big-Brother-Awards, forderte, dass Politik und Verwaltung "endlich nachsitzen, und ihre Hausaufgaben zur Netzgestaltung" machten. Zensur sei immer falsch und kein adäquates Handlungsmittel in einer Demokratie. Zensur sei lediglich eine symbolische Handlung, diese symbolische Handlung aber teuer erkauft: "Sie kostet fundamentale demokratische Werte. Es ist sinnlos, die Freiheit dadurch zu schützen zu wollen, dass man sie abschafft."