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Was ist GATS? - Die weltweite Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte

Hintergrundtext von WEED

Was verbirgt sich hinter dem Kürzel GATS? Worum geht es in den "Geheimverhandlungen" über ein Abkommen für die Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte? ngo-online dokumentiert einen Text von Thomas Fritz, Mitarbeiter der entwicklungspolitischen Organisation WEED und Mitglied im globalisierungskritischen Netzwerk attac, im Wortlaut:

Mit dem GATS (General Agreement on Trade in Services) wurde 1995 das erste Abkommen für die weltweite Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte in das Vertragswerk der Welthandelsorganisation (WTO) aufgenommen. Anfang 2000 sind im Rahmen der WTO Neuverhandlungen des GATS begonnen worden, welche bis Ende 2004 abgeschlossen sein sollen. Jedoch regt sich mittlerweile weltweit zunehmender Protest gegen die fortschreitende Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte, vor allem im Bereich öffentlicher Dienste und wichtiger Infrastrukturleistungen.

Der Regelungsumfang dieses Abkommens ist atemberaubend: Post und Telekommunikation, Energie- und Wasserversorgung, Banken und Versicherungen, medizinische und soziale Dienste, Tourismus und Transport, Handel und Bauwesen, Bildung und Kultur: Kein Dienstleistungssektor ist grundsätzlich vom GATS ausgenommen. Alle sollen sie den WTO-Prinzipien des Marktzugangs und der Gleichbehandlung in- und ausländischer Anbieter unterworfen werden. Die besondere Brisanz liegt dabei darin, dass Dienstleistungsmärkte weniger durch klassische Handelshemmnisse wie Zölle geschützt werden, sondern vor allem durch innerstaatliche Regelungen wie Gesetze, Verordnungen, ökologische Normen oder soziale Standards. Ziel der GATS-Verhandlungen ist es aber, sämtlichen innerstaatlichen Regelungen ein möglichst enges Korsett verbindlicher Rahmenrichtlinien anzulegen.

Gerade die öffentlichen Dienste müssen aufgrund der unklaren GATS-Definition "hoheitlicher" Aufgaben mit verschärftem Wettbewerbsdruck rechnen. Denn sobald sie in Konkurrenz zu privaten Anbietern erbracht werden, was vielfach ohnehin schon der Fall ist, findet das Abkommen Anwendung. Das GATS zielt dabei u.a. darauf ab, dass staatliche Unterstützungsmaßnahmen (Steuervergünstigungen, Subventionen etc.) für öffentliche oder im öffentlichen Auftrag erbrachte Dienste in gleichem Maße ausländischen Privatanbietern gewährt werden. Effekt dieser zunehmenden Konkurrenz ist aber, dass die für gemeinwohlorientierte Leistungen verfügbaren öffentlichen Mittel weiter sinken werden.

Einmal mehr bleiben all die negativen Erfahrungen mit bisherigen Liberalisierungen und Privatisierungen öffentlicher Dienste – Qualitätseinbußen, Preissteigerungen, erschwerter Zugang für Arme, Entlassungen, Lohnsenkungen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse – unberücksichtigt. Denn obwohl die WTO verpflichtet ist, die Auswirkungen des GATS zu untersuchen, ist es dazu bisher nicht gekommen. Eine Abschätzung der sozialen, ökologischen und entwicklungspolitischen Folgen fordern aber viele Entwicklungsländer, soziale Bewegungen, Gewerkschaften und nicht zuletzt die Enquete-Kommission "Globalisierung der Weltwirtschaft" des Deutschen Bundestags. Das globalisierungskritische Netzwerk ATTAC tritt zudem für einen sofortigen Stopp der GATS-Verhandlungen ein.

Bis Ende Juni 2002 mussten alle WTO-Mitglieder ihre Marktöffnungsforderungen den betreffenden Staaten übermitteln. Der weitere Zeitplan der GATS-Verhandlungen sieht vor, dass bis Ende März 2003 die WTO-Mitglieder ihre Marktöffnungsangebote gegenüber Drittstaaten vorlegen müssen. Der Abschluss der Verhandlungen soll mit dem anvisierten Ende der neuen Welthandelsrunde der WTO am 1.1.2005 zusammenfallen. Die Europäische Kommission führt die GATS-Verhandlungen für die EU-Mitgliedstaaten, wobei auf deutscher Seite das Bundeswirtschaftsministerium federführend ist. Der Verhandlungsprozess zeichnet sich durch äußerste Intransparenz aus. Während interessierten Bürgerinnen und Bürgern wichtige Informationen gänzlich verweigert werden, erhalten selbst Bundestagsabgeordnete nur spärliche und irreführende Auskünfte seitens des Wirtschaftsministeriums.