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Das älteste deutsche Atomkraftwerk ist ein Dauerbrenner vor Gericht

Poker um Obrigheim

Beim Thema Atomkraftwerk Obrigheim kämpft Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) derzeit an zwei Fronten. Laut Atomkonsens sollen in dem Meiler Ende des Jahres die Lichter ausgehen. Dagegen brachte die Betreiberin, die Energie Baden-Württemberg (EnBW), eine Kanzlerzusage ins Spiel, wonach der älteste Atomreaktor Deutschlands noch weitere fünf Jahre Strom produzieren dürfe. Daneben sorgen nicht eingehaltene Sicherheitsvorschriften für erhitzte Gemüter.

Der Streit zwischen Bund, Land, Betreiber und Anwohnern ist nicht neu. Schon seit Erteilung der Dauerbetriebsgenehmigung 1992 dauert die gerichtliche Auseinandersetzung um das AKW an. Das Kraftwerk ging bereits 1969 ans Netz.

Zuletzt sorgte das AKW Obrigheim vor einem Jahr für Aufsehen. Dort und in den Atomanlagen Neckarwestheim und Philippsburg wurden Verstöße gegen die Sicherheitsbestimmungen festgestellt. Ein damals in Auftrag gegebenes Gutachten, das jetzt vorliegt, ermittelte, dass Obrigheim mindestens zwischen 1991 und 2001 nicht die Sicherheitsspezifikationen erfüllte.

Dabei hatte das Bundesumweltministerium erst im September 2001 das Land Baden-Württemberg angewiesen, die Rechte der Anwohner beim Betrieb der Kernkraftwerke stärker zu berücksichtigen. Anlass war ein Streit um die grundsätzliche Betriebserlaubnis von Obrigheim. Das Verfahren begann 1994. Geprüft werden sollte, ob die Errichtung der Anlage vollständig genehmigt ist. Die Behörde im CDU-geführten Baden-Württemberg hatte die Überprüfung zunächst abgelehnt.

Im Juni 2000, noch am Tag der Einigung von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit den Energiekonzernen über den Atomausstieg, bekräftigte EnBW-Chef Gerhard Goll, er wolle Obrigheim über 2002 hinaus "noch deutlich" länger betreiben, und zwar durch Übertragung von Kilowattstunden aus jüngeren Atomkraftwerken.

Ein Jahr zuvor wies das Mannheimer Verwaltungsgericht Baden-Württemberg eine Klage von Anwohnern auf Betriebs-Stopp von Obrigheim ab. Die Kläger warfen der Betreiberin EnBW vor, einen nicht genehmigten Reaktordruckbehälter eingebaut zu haben. Laut Gericht lagen jedoch alle erforderlichen Genehmigungen vor.

Die Grünen unternahmen im April 1999 mit einem Gutachten im Rücken den Versuch, Obrigheim vom Netz zu holen. Damals argumentierten sie, die Abschaltung sei "aus wirtschaftlicher Sicht" günstiger als der Fortbetrieb. Parallel kam es immer wieder von Umweltschützern zu Protestkundgebungen. Im August 1998 forderten sie in einer Nacht-und-Nebel-Aktion: "AKW Obrigheim abreißen".

Von 1992 bis 1997 behandelte das Bundesverfassungsgericht in Berlin eine Klage von Bürgern und der Stadt Heidelberg gegen das Kraftwerk. Die Kläger beanstandeten die Betriebsgenehmigung und machten zugleich Alterserscheinungen etwa am Druckwasserbehälter geltend. Die Berliner Richter wiesen die Klage unter Hinweis auf die Trennung von Anlagenaufsicht und Anlagengenehmigung ab.

Der Stuttgarter Landtag setzte 1994 einen Untersuchungsausschuss "Kernkraftwerk Obrigheim" ein, der nach zwei Jahren Arbeit dem Reaktor die Sicherheit bescheinigte. Das Ergebnis wurde von der Stuttgarter SPD-Fraktion mitgetragen, nicht aber von den Grünen und ihrem damaligen Fraktionschef Fritz Kuhn.

Schon 1991, also noch vor Erteilung der Dauerbetriebsgenehmigung, hatte es einen Antrag auf Stillegung des Kernkraftwerks gegeben. Das Bundesverwaltungsgericht Berlin entschied in einem Revisionsverfahren dagegen, mahnte jedoch die Dauerbetriebsgenehmigung für das AKW Obrigheim an.