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Bundesregierung akzeptiert Defizitverfahren der Europäischen Kommission

Haushaltskonsolidierung trotz geringerer Steuereinnahmen

Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte am Mittwoch zur Entscheidung der Europäischen Kommission, gegen Deutschland ein Verfahren wegen Überschreitung der Defizitgrenzen einzuleiten: "Ich kann die Entscheidung nachvollziehen." Das Verfahren sei eine Konsequenz des Stabilitätspakts, der in Europa vereinbart worden sei, so der Kanzler weiter. Deutschland werde behandelt wie jedes andere Mitgliedsland der Europäischen Union. Es gebe auch keinen Streit mit der Kommission, zumal die Defizitlage im kommenden Jahr anders aussehen werde.

Der Kommissar der Europäischen Kommission für Wirtschaft und Finanzen, Pedro Solbes, hatte zuvor in Brüssel gesagt, die Kommission rechne damit, dass Deutschland im laufenden Jahr die im Stabilitätspakt der Euroländer festgelegte Schwelle von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für das Haushaltsdefizit "klar überschreiten" werde. Der erste Schritt in diesem Verfahren bestehe darin, dass für die Sitzung der Kommission am 19. November ein Bericht zur deutschen Haushaltslage erstellt werde. Im äußersten - derzeit nicht zur Diskussion stehenden - Fall kann dieses Verfahren mit der Verpflichtung zur Zahlung einer Geldbuße enden.

Solbes erklärte aber auch, er habe in seinem Gespräch mit Finanzminister Hans Eichel im vergangenen Monat über die Koalitionsvereinbarungen einen positiven Eindruck von den Plänen der Bundesregierung erhalten. Die vollständige und fahrplanmäßige Umsetzung dieser Vereinbarungen sei notwendig, damit Deutschland ein erneutes Überschreiten der Drei-Prozent-Grenze im Jahr 2003 vermeiden könne. Die Zusicherungen, die Bundeskanzler Schröder und Finanzminister Eichel gemacht hätten, seien sehr ermutigend. Im Übrigen werde sich in der gesamten Europäischen Union, so Solbes, die Wende zum Besseren im Vergleich zu den Erwartungen im Frühjahr um ein Jahr verspäten.

Bund, Länder und Gemeinden in Deutschland werden in diesem Jahr 15,4 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen erhalten, als noch im Mai geschätzt. Allein der Bund wird 5,7 Milliarden weniger Steuern einnehmen als bisher erwartet. Für 2003 erwarten die Steuerschätzer ein Plus von 19,1 Milliarden Euro (+4,3 Prozent) gegenüber 2002, das sind jedoch voraussichtlich 16 Milliarden Euro weniger als im Frühjahr prognostiziert. Die öffentlichen Haushalte würden von der konjunkturellen Schwäche stark getroffen, sagte Bundesfinanzminister Hans Eichel zu den am Mittwoch präsentierten Ergebnissen des Arbeitskreises "Steuerschätzungen" für die Jahre 2002 und 2003. Die Zahlen werden nun in die Entwürfe für den Nachtragshaushalt 2002 und den Bundeshaushalt 2003 eingerechnet.

Um die Störung des gesamtstaatlichen Gleichgewichts abzuwenden, sei es erforderlich, die Neuverschuldung für 2002 einmalig zu erhöhen. Die Investitionen zu kürzen, wäre der schlechtere Weg, erklärte der Finanzminister. Der Entwurf des Nachtragshaushalts 2002 wird in der nächsten Woche im Kabinett beraten. Das Staatsdefizit für 2002 wird, so Minister Eichel, in einer Größenordnung zwischen 3,7 und 3,8 Prozent liegen. Eichel geht davon aus, dass das Defizit 2003 wieder unter drei Prozent gesenkt werden kann. Die Ergebnisse der Steuerschätzung werden außerdem dem Stabilitätsprogramm zum Abbau des Staatsdefizits zugrunde gelegt, das voraussichtlich im Dezember der EU-Kommission vorgelegt wird.