Seite 1 bei Google kann so einfach sein.

Vermögenssteuer soll weniger als ein Prozent der Unternehmen belasten

"Der Staatsfeind trägt Brillanten"

Im Interview mit der Tagesschau sagte der Gründer der Initiative "Vermögende für Vermögenssteuer", Lutz Dau, es gehe bei der Wiedereinführung der Vermögenssteuer um "die nüchterne Erkenntnis, dass ein funktionierendes Staatswesen zur Erfüllung seiner Aufgaben Finanzen benötigt." Nach der Bundesratsinitiative der Länder Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zur Wiedereinführung der Vermögensteuer sollen über die Besteuerung vermögender Bürger und besonders profitabler Unternehmen ab 2004 jährlich acht bis neun Milliarden Euro eingenommen werden. Der Steuersatz soll bei Unternehmen wie bei Privatpersonen bei einem Prozent liegen. Bemessungsgrundlage wäre das über die Freibeträge hinausgehende Vermögen. Der Entwurf sieht für Betriebsvermögen einen Freibetrag in Höhe von 2,5 Millionen Euro vor, wobei Schulden Berücksichtigung finden. Nach Berechnungen der beiden Bundesländer würden daher weniger als ein Prozent der Unternehmen Vermögenssteuern zahlen müssen. Bei Privatpersonen lägen die Freibeträge bei 300.000 Euro für Erwachsene und 200.000 für Kinder. Eine Familie mit zwei Kindern hätte demnach für ein über 1 Million Euro hinausgehendes Vermögen mit dem Steuersatz von einem Prozent zu versteuern. Unterdessen griff der ehemalige Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine die Wohlhabenden in der Gesellschaft in einer Kolumne für die Bildzeitung scharf an.

Nicht die Linken, sondern die Reichen seien heute Vaterlandsverräter: "Der Staatsfeind trägt heute Brillanten, wohnt in einem Steuerparadies und fälscht Bilanzen." Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kommt - wissenschaftlicher formuliert - zu einem ähnlichen Ergebnis: "Deutschland besteuert das Vermögen niedrig, verglichen mit anderen Ländern. Immobilien- und Betriebsvermögen sind erheblich unterbewertet, das Geldvermögen wird nicht effektiv erfasst."

Die DIW-Studie "Perspektiven der Vermögensbesteuerung in Deutschland" vom 7. Oktober untersucht mögliche Perspektiven für eine Vermögens- und Erbschaftssteuer. Bei Finanzanlagen schlägt das Wirtschaftsforschungsinstitut "eine effektive Kontrolle der inländischen Banken und Versicherungen sowie eine bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Finanzbehörden" vor, um Steuerhinterziehung und Steuerflucht zu erschweren. Unternehmens- und Kapitaleinkünfte bei der Einkommensteuer könnten "effektiver erfasst" werden. Im hiesigen Bankgeheimnis sieht das DIW eine zentrale Schwachstelle bei der Ermittlung der Geldvermögen.

Nach dem Ansatz des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung wäre gegenüber dem SPD-Modell ein noch erheblich größeres Steueraufkommen realisierbar. Nach überschlägigen Schätzungen für das Jahr 2000 rechnet das Institut mit einer Bemessungsgrundlage für die Vermögenssteuer von 2,65 Billionen Euro, wenn ein Freibetrag von 250.000 Euro je Haushalt gewährt wird. Bei einem Freibetrag von 500.000 Euro je Haushalt resultieren 1,59 Billionen Euro. Beim gleichen Steuersatz von einem Prozent könnte demnach ein Steueraufkommen von bis zu 26,5 Milliarden Euro bzw. 15,9 Milliarden Euro ergeben. Das wäre das zwei- bis dreifache an Steuereinnahmen gegenüber dem SPD-Modell.

Der frühere Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhoff hält die Wiedereinführung der Vermögenssteuer für problematisch, weil es schwierig sei, den Wert von Grundstücken oder Kunst im Gegensatz zu Geldvermögen zu erfassen. Bei der alten Vermögenssteuer wurde Geldvermögen zu 100 Prozent versteuert, "Grundvermögung" nur zu zehn Prozent.

Lau von der Initiative "Vermögende für Vermögenssteuer" sagte dazu in der Tagesschau, alle Werte seien relativ, aber "es gibt für alle Werte einen Markt und damit einen Preis auch für Immobilien und für Kunst. Diese Preise sind durchaus rational zu fassen. Selbstverständlich müssen alle Vermögensarten gleichmäßig erfasst werden. Dies schon aus verfassungsrechtlichen Gründen."

Die Initiative von Vermögenden ist "verärgert über die haltlose Behauptung mancher Politiker, eine Vermögensteuer würde uns in unserer Leistungsbereitschaft einschränken oder wir verließen ihretwegen das Land. Das ist nicht wahr." Wahr sei, dass es Steuerflucht gebe. Diese sei aber kein Argument gegen Besteuerung, sondern ein Argument für die effektive Bekämpfung von Steuerflucht.

Die CDU-Sozialausschüsse sehen in der Bundesratsinitiative eine Umverteilung von unten nach oben. Vor allem die geplante Einbeziehung von selbst genutzten Immobilien sei ein "grandioser Etikettenschwindel". Davon wären nicht nur die wirklich Reichen, sondern im Alter auch kleine Eigenheimbesitzer betroffen. "Wenn die Kinder aus dem Haus sind und der Mann stirbt, muss so manche Witwe als dann alleinige Eigentümerin Vermögensteuer auf ihr mühsam erspartes Haus zahlen", mahnte der CDA-Bundesvorsitzende Hermann-Josef Arentz der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Arentz verwies dabei auf die entsprechende Absenkung des Freibetrags auf 300.000 Euro für eine Einzelperson. Dies sei unerträglich, zumal die Kapitalgesellschaften über die Körperschaftsteuer auch weiterhin kaum zur Kasse gebeten würden. "Die kleinen Leute werden von Rot-Grün geschröpft, und die großen Konzerne kommen nahezu ungeschoren davon", kritisierte das CDU-Präsidiumsmitglied.

Das durch die Steuer zusammenkommende Geld soll nach Auffassung der Ministerpräsidenten Peer Steinbrück und Sigmar Gabriel (beide SPD) zu zwei Dritteln in Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche investiert werden. Ein Drittel der Einnahmen sollen die Kommunen für Investitionen erhalten.

Die vorgeschlagenen Freibeträge liegen deutlich höher als zu Zeiten der Regierung Kohl. Zuletzt lag der Freibetrag einer vierköpfigen Familie bei rund 240.000 Euro und der für Unternehmen bei 250.000 Euro. Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) sagte bei der Vorstellung des Modells, bei den Betrieben seien die Freibeträge so hoch, dass etwa in Niedersachsen nur rund 0,5 Prozent der 500.000 Unternehmen besteuert würden.

Bei Steuerpflichtigen, die ihren Wohnsitz im Inland haben (unbeschränkt Steuerpflichtige), wird als Bemessungsgrundlage das Gesamtvermögen herangezogen, das sich aus Grundvermögen, Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und sonstigem Vermögen zusammensetzt. Bei deutschen Staatsangehörigen, die im Ausland wohnen (beschränkt Steuerpflichtige), wird lediglich das Inlandsvermögen herangezogen. Der Steuersatz beträgt ein Prozent auf das Vermögen, was über die Freibeträge hinausgeht.

Der Bund der Steuerzahler schätzt, dass für die Besteuerung über 25 Millionen Grundstücke bewertet werden müssten. Das erfordere bis zu 6000 zusätzliche Stellen nötig wären. Offenbar hält es der Steuerzahlerbund nicht für richtig, dass mit Steuereinnahmen in Milliardenhöhe auch Arbeitsplätze mit Kosten in Millionenhöhe geschaffen werden sollten.