Seite 1 bei Google kann so einfach sein.

Thüringer beim Übergewicht bundesweit Spitze

Landesweite Kampagne gegen zuviel Pfunde geplant

Die Thüringer stellen alle anderen Deutschen in den Schatten - ganz einfach durch ihre Körperfülle. "Die Thüringer sind einfach zu fett", sagt Gerhard Jahreis, Chef der Thüringer Sektion der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. 54 Prozent der Menschen zwischen Eisenach und Altenburg sind übergewichtig, hat das Statistische Bundesamt ermittelt. "Damit verweisen die Thüringer alle anderen Bundesländer auf die hinteren Plätze", sagt Jahreis. In Rheinland-Pfalz bringen immerhin noch 48 Prozent der Einwohner Übergewicht auf die Waage, in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen sind es dagegen nur rund 40 Prozent. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei 47 Prozent. "Die Spitzenstellung unseres Freistaates ist wahrlich kein Grund zur Freude, sondern sollte uns vielmehr schwer im Magen liegen", sagt der Ernährungswissenschaftler von der Jenaer Universität.

An der herzhaften Küche und der Vorliebe der Leute für die kalorienreiche Rostbratwurst allein kann es nicht liegen, dass zu viele Thüringer zu viele Kilo mit sich herum schleppen. "Gut essen" hat im Freistaat Tradition. Dass die Gewichtszunahme etwas mit den seit der Wende veränderten Lebensumständen zu tun hat, darauf geben Studien von Jenaer Anthropologen Hinweise. Diese nämlich vermessen seit mehr als 100 Jahren regelmäßig Jenaer Schulkinder. Haben sie dabei zwischen 1975 und 1985 nur eine geringe Zunahme der Übergewichtigkeit festgestellt, so hat sich das bis heute gravierend geändert. 1975 waren noch 88,2 Prozent der Mädchen normalgewichtig, heute sind es nur noch 79 Prozent. 84 Prozent der Jungen sind heute zu schwer, früher waren es lediglich 10 Prozent.

"Interessant ist unsere Beobachtung, dass im Vorschulalter die Übergewichtigkeit noch im normalen Bereich liegt, jedoch deutlich zunimmt, wenn die Kinder in die Schule kommen", sagt Jahreis. "Sie sitzen zu viel, bewegen sich zu wenig und kaufen sich vom Taschengeld in der Pause ungesunde Snacks im Schülercafe." Überhaupt wirke sich der Verzicht auf eine richtige Mittagsmahlzeit negativ aus. "Dafür sind die Leute eigentlich ununterbrochen am Essen." So werden die Energie- und Fettreserven stetig aufgefüllt.

Wird es dem Betroffenen selbst zuviel, versucht er es mit einer Diät. "Die Medien sind voll von Wunderkuren, die alle mehr oder weniger zum Abnehmen taugen", sagt Jahreis. Die meisten könnten jedoch eine Wiederzunahme nach der Diät nicht verhindern. "Das hat etwas mit dem phänomenalen Gedächtnis der radikal geschrumpften Fettzellen zu tun", erklärt er. "Sie gieren nach Energie und fressen sich bei entsprechendem Angebot um so schneller voll." Diese Eigenschaft hat dem Menschen entwicklungsgeschichtlich das Überleben gesichert, konnte er doch in grauer Vorzeit vom erlegten Mammut ordentliche Fettreserven anlegen. "Leider geht uns heute täglich ein Mammut in die Falle, und wir werden satt, ohne uns groß anstrengen zu müssen", erklärt Jahreis.

An diesem Punkt setzt die Gesellschaft für Ernährung mit einem Programm an, dass 2003 in ganz Thüringen umgesetzt werden soll. Gemeinsam mit Medizinern, Sportwissenschaftlern und dem Gesundheitsministerium will man "dem Fett Paroli bieten". Aufgebaut werden soll ein Netzwerk, in dem Übergewichtige Hilfe bekommen, und das vorbeugend arbeiten will. In allen Landkreisen und großen Städten sollen Schulungen und Kurse angeboten werden, bei denen die Teilnehmer lernen, langfristig und dauerhaft ihr Gewicht zu reduzieren. "Wir setzen dabei auf Gruppendynamik, Ernährungsumstellung und Bewegung", erklärt Jahreis. "Ziel ist, dass die Menschen ihren Lebensstil ändern."