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Kontroverse über Gutachten des Sachverständigenrat zum Gesundheitswesen

Krankenversicherung

Anlässlich der Übergabe des Gutachtens 2003 des Sachverständigenrates für die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen erklärte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Helga Kühn-Mengel: „Ich begrüsse die Empfehlung des Sachverständigenrates, unser Gesundheitssystem ohne Systemwechsel auf der Grundlage des Solidarprinzips weiterzuentwickeln.“ Eine Zwei-Klassen-Medizin ist nach Ansicht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) längst Realität. Die Aufteilung in ein System von gesetzlichen und privaten Kassen sei dafür verantwortlich, dass gut Verdienende in der Bundesrepublik eine bessere Behandlung bekämen als ärmere Menschen, sagte DIW-Experte Friedrich Breyer am Mittwoch in Berlin.

Der Präsident des Sozialverbandes VdK Deutschland, Walter Hirrlinger, hat Bundesregierung und Union davor gewarnt, die Prinzipien der gesetzlichen Krankenversicherung zu Lasten der Kassenpatienten auf den Kopf zu stellen. "Generationengerechte Gesundheitssicherung für Familien und ältere Menschen heißt solidarische Krankenversicherung." Geplante Zusatzbelastungen für Zahnbehandlungen und Unfälle seien da angesichts der Tatsache, dass fünfzig Prozent der männlichen Rentner nur eine Rente bis zu 900 Euro monatlich hätten, keine "Peanuts".

Die SPD-Sprecherin verteidigte das bestehende System: „Unser Solidarsystem hat den Charme, dass alle Versicherten unabhängig von ihrem Geldbeutel Zugang zu den medizinisch notwendigen Leistungen haben. Ausserdem kennt unser Gesundheitswesen keine Zuteilungsmedizin. Das Solidarsystem hat sich bewährt und geniesst hohe Akzeptanz. Es ist weiterhin tragfähig, muss aber zukunftsfest gemacht werden. Ein Systemwechsel ist weder notwendig noch den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes vermittelbar.“

Das DIW begründete die Kritik am Zwei-Klassen-System mit den Budgetbeschränkungen im Krankenhaus, die zu Rationierungen führten und von denen Privatversicherte nicht betroffen seien. Auch das Wohl einer Arztpraxis sei heutzutage in erster Linie von der Anzahl der Privatpatienten abhängig. In Deutschland gebe es damit bereits "die intensivste Zwei-Klassen-Medizin, die vorstellbar ist", sagte Breyer.

Der Forschungsprofessor unterstützte zugleich einen Vorstoß des DIW-Sozialexperten Gert Wagner, der sich in der Rürup-Kommission für die Abschaffung der privaten Krankenversicherung stark macht. Breyer plädierte stattdessen dafür, die gesamte Bevölkerung in die solidarische Versicherung einzubeziehen. Es könne nicht angehen, dass sich die Personen mit geringen Krankheitsrisiken aus der Solidargemeinschaft entfernten und die hohen Risiken weiter darin verblieben. Breyer schlug einen Solidarausgleich für die gesamte Bevölkerung nach Schweizer Vorbild vor. An einem solchen System könnten sich dann durchaus auch private, gewinnorientierte Versicherungsunternehmen beteiligten. Damit würden zugleich mögliche verfassungsrechtliche Probleme "umschifft".

Ferner sprach sich Breyer dafür aus, so genannte "verhaltensabhängige Risiken" privat abzusichern, etwa durch Risikosportarten oder Bewegungsmangel. Zudem müsse in Erwägung gezogen werden, bestimmte risikobehaftete "Stoffe" nach Vorbild der Tabaksteuer höher finanziell zu belasten.