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Offener Brief an Colin Powell

US-Diplomat tritt aus Protest an seiner Regierung zurück

John Kiesling, in Griechenland stationierter US-Diplomat hatte genug von der Irak-Politik seiner Regierung. Am Montag, dem 24. Februar 2003, faxte der Staatsbeamte sein Rücktrittsschreiben an Außenminister Colin Powell. Sein Schreiben, in welchem er die Politik von George W. Bush und seiner Regierung scharf kritisiert, wurde am vergangenen Freitag in der “New York Times” veröffentlicht. ngo-online dokumentiert den Brief in leicht gekürzter Fassung in deutscher Sprache, übersetzt von Jörg Häntzschel.

Sehr geehrter Herr Außenminister,

hiermit erkläre ich meinen Rücktritt vom diplomatischen Dienst der Vereinigten Staaten und von meinem Amt als politischer Berater in der amerikanischen Botschaft in Athen. Es ist ein Schritt, der mir sehr schwer fällt.

Bis zur Amtsübernahme der gegenwärtigen Regierung glaubte ich daran, dass ich mit der Politik des Präsidenten auch die Interessen des amerikanischen Volks vertrat. Daran glaube ich nicht mehr.

Unsere Politik ist nicht nur unvereinbar mit amerikanischen Werten, sondern auch mit amerikanischen Interessen. Mit unserem unermüdlichen Drängen auf einen Krieg gegen den Irak verspielen wir die internationale Reputation, die seit Woodrow Wilson Amerikas wirksamste Waffe war. Wir sind dabei, das weitreichendste und effektivste Netzwerk internationaler Beziehungen zu zerstören, das es je gab.

Unser Kurs wird zu mehr Instabilität und Gefahr führen, nicht zu mehr Sicherheit.

Die Opferung globaler zugunsten innenpolitischer Interessen ist nicht neu und sicherlich kein spezifisch amerikanisches Problem. Dennoch: Seit dem Vietnamkrieg gab es keine so systematische Verzerrung nachrichtendienstlicher Erkenntnisse, keine so systematische Manipulation der öffentlichen Meinung mehr.

Die Tragödie vom 11. September hat uns stärker denn je gemacht. Eine riesige internationale Allianz stand uns zur Seite, um mit uns gegen den Terrorismus vorzugehen. Doch statt darauf zu bauen, machte die Regierung den Terrorismus zum Werkzeug der Innenpolitik. Wir haben Verunsicherung und übertriebene Furcht in das kollektive Bewusstsein gepflanzt, indem wir Terrorismus und Irak, zwei Probleme, die nichts miteinander zu tun haben, verknüpften. Das Ergebnis, vielleicht auch das Ziel dieser Politik ist eine Umschichtung des schrumpfenden Staatsvermögens zugunsten des Militärhaushalts und die Erosion jener Mechanismen, die die Bürger vor der harten Hand des Staates schützen. Der 11. September hat das Gewebe der amerikanischen Gesellschaft weniger stark beschädigt als wir selbst in dessen Folge. Sollen wir uns wirklich das Russland der Romanows zum Vorbild nehmen, ein egoistisches, abergläubisches Regime, das im Namen eines gefährdeten Status Quo der Selbstzerstörung entgegen jagte?

Wir sollten uns fragen, warum es uns nicht gelungen ist, die Welt davon zu überzeugen, dass ein Krieg gegen den Irak notwendig ist. Nach welchem Vorbild wollen wir den Mittleren Osten wiederaufbauen? Sind wir wirklich taub geworden, so wie Russland in Tschetschenien und Israel in den besetzten Gebieten – taub für unseren eigenen Rat, dass überwältigende militärische Macht nicht die Antwort auf Terrorismus sein kann?

Wir haben noch immer viele Freunde. Ihre Loyalität ist beeindruckend, sie ist ein Tribut an das moralische Kapital, das Amerika ein Jahrhundert lang gesammelt hat. Doch Loyalität beruht auf Gegenseitigkeit. Warum duldet unser Präsident die Verächtlichkeit, die einige der höchstrangigen Mitglieder dieser Regierung unseren Freunden gegenüber an den Tag legen? Ist “oderint dum metuant” unser Motto geworden?

Ich appelliere an Sie, Amerikas Freunden zuzuhören. Wenn unsere Freunde mehr Angst vor uns als um uns haben, sollten wir beginnen, uns Sorgen zu machen. Wer wird sie davon überzeugen, dass die Vereinigten Staaten auch weiterhin ein Verfechter von Freiheit, Sicherheit und Gerechtigkeit sind?

Herr Minister, ich habe größten Respekt für Ihren Charakter und Ihre Fähigkeiten. Sie haben uns mehr internationale Glaubwürdigkeit gesichert, als unsere Politik verdient. Aber Ihre Treue zum Präsidenten geht zu weit. Ich trete zurück, weil ich es mit meinem Gewissen nicht länger vereinbaren kann, diese Regierung zu vertreten. Ich bin aber zuversichtlich, dass der demokratische Prozess Fehler selbst korrigiert,und hoffe, in Zukunft von außen zu einer Politik beitragen zu können, die der Sicherheit und dem Wohlstand des amerikanischen Volkes und der Welt eher dient.

Irak-Krieg

Reporter ohne Grenzen wirft den britisch-amerikanischen Streitkräften vor, die Arbeit und Sicherheit von Journalisten, die vom Kriegsgeschehen berichten, zu missachten. Die internationale Organisation zur Verteidigung der Pressefreiheit fordert die Alliierten auf, eine interne Untersuchung über die Behandlung der Presse durch Armeeangehörige einzuleiten und ihre Ergebnisse zu veröffentlichen. "Journalisten gerieten unter Beschuss, wurden verhaftet, oft über mehrere Stunden verhört, misshandelt und geschlagen", berichtet Robert Ménard, Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen, in Paris. "Außerdem wurde das Informationsministerium in Bagdad zwei Mal bombardiert, obwohl allgemein bekannt ist, dass die internationalen Nachrichtenagenturen dort untergebracht sind", sagt Ménard weiter.

Eine vierköpfige Gruppe unabhängiger Journalisten, Dan Scemama und Boaz Bismuth aus Israel und Luis Castro und Victor Silva aus Portugal, beschuldigen die US-amerikanische Militärpolizei, ihnen "die schlimmsten 48 Stunden ihres Lebens" bereitet zu haben. Die Vier hielten sich in der Nähe einer US-Militäreinheit zwischen den Städten Kerbala und Najaf auf, als sie am 25. März aus dem Schlaf gerissen und festgenommen wurden. Obwohl sie ihre Presseausweise zeigten, wurden sie bedroht, misshandelt und in einem Jeep über 36 Stunden lang festgehalten. Sie durften weder ihre Nachrichtenagenturen noch ihre Familienangehörigen verständigen.

"Die US-Soldaten warfen uns vor, wir seien Terroristen und Spione, und so behandelten sie uns auch", sagt Scemama, der für den israelischen Fernsehsender Channel One arbeitet. "Sie wollen allen Journalisten, die aus dem Irak berichten, einen Verbindungsoffizier an die Seite stellen, um die Berichterstattung zu kontrollieren. Für mich besteht kein Zweifel darüber, dass sie uns deshalb so schlecht behandelt haben", ergänzt er weiter. Die Vier hatten den Eindruck, dass die US-amerikanische Armee alles daran setzt, die Bewegungsfreiheit unabhängiger Reporter einzuschränken.

Journalisten aus Kuwait berichteten, auch dort seien Kollegen bedroht und über mehrere Stunden verhört worden. Britische und US-amerikanische Militärs hätten außerdem verhindert, dass unabhängige Journalisten die Grenze zum Irak passieren konnten.

Der Kameramann des arabischen Senders Al Dschasira, Akil Abdel Reda, wurde am 29. März von US-amerikanischen Soldaten über 12 Stunden lang festgehalten und verhört. Ein Sprecher von Al Dschasira in Katar meldete, ihr Kameramann sei verhältnismäßig gut behandelt worden. Der Sender betonte, sie hätten die US-amerikanischen Behörden vor Kriegsausbruch über ihre Präsenz im Irak informiert. Der Kameramann war mit seinem Team in einem zivilen Fahrzeug unterwegs, um über die Lebensmittelvergabe irakischer Behörden in Basra zu berichten, als britische Panzer das Feuer eröffneten.

Der US-amerikanische Journalist und Freelancer, Phil Smucker, vom Christian Science Monitor in Boston und Daily Telegraph in London, wurde von US-Militärs aus dem Irak ausgewiesen mit der Begründung, er habe durch sein Interview mit dem Sender CNN am 26. März die Sicherheit einer Militäreinheit gefährdet, weil er zu detaillierte Informationen veröffentlicht habe.

Vier Journalisten des britischen Senders ITN gerieten am 22. März in Basra unter Beschuss. Der britische Journalist Terry Lloyd kam bei dem Feuergefecht ums Leben, von dem französischen Kameramann Frédéric Nerac und dem libanesischen Übersetzer Hussein Othman fehlt seitdem jede Spur. Reporter ohne Grenzen hat US-General Tommy Franks aufgefordert, eine Untersuchung einzuleiten und den Vorfall aufzuklären. Aufgrund der Ereignisse ist die Organisation vor allem um die Sicherheit von Journalisten besorgt, die nicht zu den "eingebetteten" Reportern zählen.

Außerdem fordert Reporter ohne Grenzen die irakischen Behörden auf, den Verbleib von vier Journalisten aufzuklären, die seit einer Woche als vermisst gelten. Nach Aussagen ausländischer Korrespondenten in Bagdad sollten die Vier abgeschoben werden. Seitdem fehlt jede Spur. Zwei Reporter der US-amerikanischen Tageszeitung Newsday, der Peruaner Moises Saman und der Brite Matthew McAllester, wurden zuletzt am 24. März im Hotel Palestine in Bagdad gesehen. Journalisten vor Ort berichteten, dass die beiden abgeschoben werden sollten, weil sie mit einem Touristenvisum eingereist seien. Auch die US-amerikanische Fotoreporterin und Freelancerin, Molly Bingham, sowie Johann Spanner von der dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten, sollten ausgewiesen werden.

Am 02-04-2003

Irak-Krieg

Die deutschen Rüstungsexporte in die USA haben sich in den letzten drei Jahren verdoppelt. Ohne deutsche Hochtechnologie wäre der Irak-Krieg nicht so zu führen, wie er geführt wird. Das berichtete das ARD-Magazin "Monitor" am Donnerstag Abend. Vor allem im Bereich der Hoch- und Präzisionstechnologie spielt Deutschland für die US-Armee eine wichtige Rolle. Der Verfassungsrechtler Professor Volker Epping von der Universität Hannover hält die deutschen Rüstungsexporte in die USA für gesetzeswidrig. Die Schweiz habe sie schon verboten. Doch die deutsche Bundesregierung weigere sich. Man wolle es sich mit den Vereinigten Staaten nicht verscherzen. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczoreck-Zeul gehört zu den Mitgliedern des Bundessicherheitsrates, der die deutschen Rüstungsexporte genehmigt.

Der auf diese Fragen spezialisierte Verfassungsrechtler Professor Volker Epping von der Universität Hannover erklärte gegenüber Monitor: "Die Bundesregierung darf zur Zeit keine Rüstungsexporte in die USA genehmigen, denn die USA führen einen Angriffskrieg und zwar einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg." Einen Handlungs- oder Interpretationsspielraum für die Bundesregierung sieht Professor Epping nicht. "Das Kriegswaffenkontrollgesetz ist da sehr eindeutig. Es sieht sogar so aus, dass erteilte Genehmigungen zu widerrufen wären."

Wörtlich heißt es in diesem Gesetz: "Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Gefahr besteht, dass die Kriegswaffen bei einer friedenstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet werden."

Mehr als 9000 Bomben hätten amerikanische Flugzeuge bereits über dem Irak abgeworfen, berichtet Monitor. Allein in Bagdad seien dadurch bereits mehr als hundert Zivilisten getötet worden.

Ohne deutsche Technologie könnten die F15-Kampfflugzeuge ihre tödlichen Waffen nicht ins Ziel lenken. "Deutsche Infrarotsensoren unterhalb des Rumpfes erfassen die Kampfziele für die Präzisionsraketen, die auf Häuser zerstören und Menschen töten."

Auch bei dem gefürchteten Kampfhubschrauber Apache garantierten in Deutschland entwickelte Module der Infrarot-Detektoren die Zielgenauigkeit seiner Raketen. Dadurch könne der Hubschrauber auch nachts unter schlechtesten Sichtverhältnissen seine Ziele genau orten und treffen.

Der bedeutendste amerikanische Kampfpanzer im Irak-Krieg, Abrams, ist nach Monitor-Informationen mit einer 120 mm Glattrohrkanone ausgerüstet, die ebenso wie die tödliche Munition in Deutschland entwickelt wurde. Die Panzer stehen derzeit kurz vor Bagdad.

Monitor zählt eine Reihe weiterer Waffensysteme auf, an denen deutsche Rüstungskonzerne mitverdienen: Maschinenpistole MP5, Pistole MK23, Rauch- und Leuchtmunition, Fast Attack Vehicle, Spürpanzer, Panzerung Stryker, Faltschwimmfestbrücke FS B2, Lenkflugkörper Waffensysteme und Wolverine Bridge System.

Hinzu kämen Rüstungskooperationen in dreistelliger Millionenhöhe: Flugabwehrsystem RAM Block 1, Sturmgewehr XM 29, Datenaustauschsystem MIDS, militärische Flugsimulation, Präzisionsmunition XM 395 und Komponenten von Landungsfahrzeugen.

Für die deutsche Rüstungsindustrie ist die USA in den zurückliegenden Jahren der wichtigste Handelspartner geworden. Jährlich genehmigt die Bundesregierung Rüstungsausfuhren im Wert von mehr als 500 Millionen Euro in die USA.

Das für die Ausfuhrgenehmigungen zuständige Bundeswirtschaftsministerium verweigerte auf Anfrage von Monitor jede Stellungnahme. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Rainer Arnold lehnte gegenüber Monitor einen Rüstungsexportstopp ausdrücklich ab: "Die Vereinigten Staaten sind ein befreundetes, partnerschaftliches Land. Und Freunden muss man auch deutlich sagen, was richtig und falsch ist aus unserer Sicht. Aber eines ist auch klar. Wenn Freundschaft bestehen bleiben soll, dann darf man ihnen nicht auch noch Steine in den Weg rollen."

Professor Epping lehnt eine solche Gesetzesauslegung kategorisch ab. Es sei rechtlich völlig irrelevant, welche Rücksichten Deutschland auf die Beziehungen zu den USA nehmen wolle. "Die deutschen Gesetze sind eindeutig. Im übrigen können die deutschen Gesetze nicht nach politischer Opportunität angewandt werden."

Am 04-04-2003

Krieg um Bilder aus Irak

Auf einer Nebenfront des Irak-Krieges treten die internationalen Nachrichtensender gegeneinander an. Der bisherige Marktführer CNN gerät dabei immer mehr unter Druck. Die Bilanz der ersten Kriegswoche zeige, dass Rupert Murdochs Sender Fox News den Sender CNN bei den Zusehern überholt hat. Das Rezept, auf das der Newcomer setzt, enthält eine kräftige Prise US-Patriotismus, berichtet das Handelsblatt. Die bisherige Bilanz des Krieges zeige, dass der Sender von Rupert Murdoch das Medienspektakel um den Konflikt besser nutze als der bisherige Marktführer CNN. Demnach hatte Fox News in der ersten Kriegswoche 4,16 Millionen Zuschauer während CNN nur auf 3,74 Millionen komme. Das Ergebnis trotzt den rund 30 Millionen Dollar, die der Marktführer laut Wall Street Journal in Sachen Nachrichten für die Irak-Berichterstattung bereitgestellt hat.

Die Bilanz der ersten Kriegswoche zeige deutlich, dass die Zeiten der Alleinherrschaft von CNN im internationalen TV-Nachrichtengeschäft vorbei seien.

Der Aufstieg von CNN

Dabei verdankt CNN seinen internationalen Durchbruch dem Golfkrieg von 1991. Diesmal wollte der Sender aus Atlanta den Krieg nutzen, um seine Führungsposition abzusichern und auszubauen. Nun scheine es aber eher so zu sein, dass der Irak-Krieg für die Konkurrenz werde, was der erste Feldzug gegen Saddam Hussein für CNN war, so das Handelsblatt. Seit Kriegsausbruch sei die Zuschauerzahl zwar um mehr als 400 Prozent gestiegen, jedoch ziehe Fox News gleichermaßen mit. Damit schließe der Mitte der 90er- Jahre gegründete Murdoch-Sender zu CNN auf.

Dieses Ziel habe der Sender vor allem mit einer kräftigen Prise Patriotismus erreicht. CNN setze hingegen auf möglichst objektive Berichterstattung. Zwar sprächen auch CNN-Moderatoren oft von "wir" und "unseren Truppen", aber Fox News sei in dem Punkt weitaus patriotischer. Breaking News und Analysen würden mit konservativer Meinungsmache gegen Kriegsgegner und Friedensdemonstranten gewürzt.

Starjournalist wegen kritischer Berichte gefeuert

Dem Konkurrenten MSNBC werde wegen des Interviews von Peter Arnett sogar Landesverrat vorgeworfen. Der Starjournalist Arnett wurde vom US-Sender NBC wegen eines Interviews im staatlichen irakischen Fernsehen, in dem er sich zum Vorgehen der USA im Irak kritisch geäußert hatte gefeuert. Arnett hatte in dem Interview mit dem irakischen Fernsehen den Kriegsverlauf analysiert. Unter anderem sagte er, dass die US-Kriegspläne am Widerstand der Iraker gescheitert seien. Die Berichte der westlichen Journalisten über zivile Opfer und den Widerstand der irakischen Truppen würden in den USA jenen helfen, die gegen den Krieg sind, um ihre Argumente zu entwickeln. In den USA stießen die Aussagen des in Neuseeland geborenen Journalisten auf heftige Kritik. NBC verteidigte ihn zunächst, trennte sich aber nach zunehmender Kritik schließlich von Arnett. Es sei falsch von ihm gewesen, seine persönliche Meinung wieder zu geben. Auch der Starjournalist selbst sagte der Auftritt im irakischen Fernsehen sei ein "Fehlurteil" gewesen. Allerdings habe er nur gesagt, was alle bereits über den Krieg wüssten.

Konkurrenz von Al-Jazeera

Auf der internationalen Ebene grabe derweil der arabisch-sprachige Sender Al-Jazeera dem US-Marktführer in weiten Teilen der Welt das Wasser ab. Der in Katar beheimatete Sender hat sich seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 einen internationalen Ruf als "unabhängiger" Nachrichtensender erworben. Hier würden harte Nachrichten mit anti-amerikanischer Stimmungsmache und Bildmaterial, das auf westlichen Sendern kaum zu sehen sei, garniert. Auch dieses Rezept komme beim Publikum des Senders offenbar an. Zwar erreicht CNN weltweit mehr als 160 Millionen Zuseher und Al-Jazeera nur rund 35 Millionen, aber das Publikum des arabischen Senders wächst.

Am 04-04-2003

Landwirtschaft im Krieg

Die UNO Welternährungsagentur FAO warnt davor, dass Iraks Kornkammer vor dem Aus steht. Derzeit lebten die knapp 25 Millionen Iraker zu zwei Dritteln von Hilfslieferungen aus dem FAO- Projekt "Oil for Food". Wenn die Winterernte nicht eingefahren werden könne, drohe dem Land eine Hungersnot. Die UN- Organisation fürchtet, dass der Krieg die gesamte ländliche Infrastruktur völlig zerstören könnte und hat daher einem Notplan mit 86 Millionen Dollar zugestimmt.

Die Bauern im Irak benötigten Samen, Düngemittel, Pestizide, Landwirtschaftsmaschinen, Treibstoff, Ersatzteile und andere Materialien, um das Land effektiv zu bebauen, die Winterernte einzubringen und für die kommende Saison neu zu säen. Darüber hinaus würden dringend Tierfutter, Vakzine für Nutztiere sowie veterinärmedizinische Präparate benötigt. Die größte Sorge der FAO ist aber die Ernte des Winterweizens und der Gerste, die Ende April beginnen und die zwischen 1,5 und 1,7 Millionen Tonnen Korn bringen solle. "Wenn diese Ernte nicht eingefahren ist, würde sich die Nahrungssituation im Land extrem zuspitzen", meint Laurent Thomas, FAO-Experte für Special Emergency-Programmes. "Wir setzen alles daran, dass das Getreide geerntet werden kann", so Thomas. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung sei von dieser Ernte abhängig.

Doch damit scheint die Gefahr einer drohenden Hungersnot noch nicht gebannt, denn die Bauern sollten nach der April-Ernte die neue Saat ausbringen. Dazu zähle der Anbau von Gemüse, Mais und Reis. Mit der 86-Millionen-Dollar-Hilfe soll zumindest die Ernte und der Anbau sowie die Sicherstellung der lebenswichtigen Versorgung mit Wasser und die eigene Lebensmittelproduktion ermöglicht werden. Die FAO warnt davor, dass eine Unterbrechung der Wasserversorgung sowohl für den menschlichen Bereich als auch zur Bewässerung schwerwiegende Folgen für die Menschen im Land habe. Die Wasserversorgung habe weiterhin oberste Priorität, so die FAO. Dazu zähle auch die Einrichtung von Pumpstationen, die Instandhaltung und Reparatur von Wasserleitungen.

Knapp zehn Millionen Dollar des Hilfsbudgets würden für die fast 4.000 Hühnerfarmen im Land aufgewendet. Diese lebensnotwendige Versorgung mit tierischen Proteinen sei ein wesentlicher Faktor zur gesunden Ernährung. Vor Ausbruch des Krieges hätte der Irak bis zu 155.000 Tonnen Hühnerfleisch und zwei Milliarden. Eier jährlich produziert. Das Fehlen von veterinärmedizinischen Einrichtungen und Medikamenten könnte die Geflügelindustrie in den Ruin treiben. Die FAO warnt darüber hinaus davor, dass mangelnde veterinärmedizinsche Versorgung zum Ausbruch von Maul- und Klauenseuche unter den 1,5 Millionen Stück Rindern und 18 Millionen Schafen und Ziegen führen könnte.

Am 04-04-2003

Uran im Irak

Sobald es die Situation im Irak erlaubt, sollen Studien über abgereichertes Uran (depleted Uranium, DU) durchgeführt werden. Das empfiehlt das Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP. Es sollen vor allem jene Gelände inspiziert werden, die Ziel von DU-Waffen wurden. Je schneller eine Studie starte, umso eher könnten auch tatsächliche Risiken bestätigt und Maßnahmen ergriffen oder Ängste abgelegt werden. Eine baldige Untersuchung würde laut UNEP darüber hinaus zu einem besseren Verständnis über die Wirkung von abgereichtertem Uran in der Umwelt beitragen. Ziel der Forschung sei es, nicht nur das Risiko für das Grund- und Oberflächenwasser zu erheben, sondern auch die Gefahren für Trinkwasserquellen, das Abfallmanagement sowie Fabriken abzuklären.

Die UNEP hatte bereits 2001 den Einfluß von abgereichertem Uran im Kosovo, sowie 2002 in Serbien und Montenegro und in Bosnien-Herzegowina (2003) unterssucht.

Vor allem solle geklärt werden, in welcher Menge giftiges, aber nur schwach radioaktiv abgereichertes Uran das Grundwasser verseuchen kann und inwieweit ein Risiko besteht, dass DU-Staub zu einem späteren Zeitpunkt noch eingeatmet wird. Zusätzlich könnten auch eventuell noch bestehende Risiken aus der Zeit des Golfkrieges erhoben werden. Die US-Luftwaffe hatte bereits während des Golfkrieges 1991 Uran-Munition (Bild) gegen Panzer und Panzerfahrzeuge eingesetzt, da sie Metall durchschlagen kann.

Bis Ende April wolle die UNEP eine Arbeitsstudie über die Umwelt im Irak veröffentlichen. Diese solle die nötigen Background-Informationen für die Feldforschung liefern.

Luftfahrtkonzern will aufrüsten

Passend zu dem begonnen Krieg hat der europäische Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS ein stärkers Wachstum im Rüstungsbereich angekündigt. Bis 2005 solle der Rüstungs-Umsatz um 60 Prozent auf 9,6 Mrd. Euro steigen, berichtet die Financial Times Deutschland, unter Berufung auf EADS-Dokumente. Große Hoffnungen setze der Konzern dabei unter anderm in das Kampfflugzeug Eurofighter. Anfang 2002 lautete das Ziel noch ein Umsatzwachstum von 50 Prozent bis 2004 auf neun Milliarden Euro.

Debatte um Wiederaufbau

Die Bundesregierung hat derweil angekündigt, sich am Wiederaufbau des Irak nach Kriegsende zu beteiligen. Uneinigkeit herrscht allerdings darüber, ob das nur mit oder auch ohne Beteiligung der UNO möglich ist.

Die SPD bleibt bei ihrer Forderung, den Wiederaufbau im Irak unter das Dach der Vereinten Nationen zu stellen. Auch die Grünen sind nach den Worten ihrer Vorsitzenden Angelika Beer "der Überzeugung, dass die UN die Federführung übernehmen sollte". Inwieweit sich Deutschland über humanitäre Hilfe hinaus am Wiederaufbau beteiligen werde, hänge aber entscheidend davon ab, unter wessen Führung der Irak nach dem Krieg stehe, sagte sie. Die Entscheidung für ein Nachkriegsregime unter Führung des Oberkommandierenden der US-Streitkräfte im Irak, General Tommy Franks, wäre laut Beer ein „Zeichen dafür, dass die Neuordnung des Nahen Ostens noch nicht beendet“ sei. Die US-Regierung meine offenbar, über die Zukunft des Irak und anderer Länder entscheiden zu können. Ein Modell „Amerika bombardiert, die anderen bauen wieder auf“, verspräche keine Sicherheit.

Der Vizevorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Hans-Ulrich Klose (SPD), warnte die Bundesregierung dagegen davor, ihr Engagement im Nachkriegs-Irak davon abhängig zu machen, dass die UNO von Beginn an den Oberbefehl habe.

Die Arabische Liga sieht für die Vereinten Nationen beim Wiederaufbau des Irak allerdings nur eine zweitrangige Rolle. Liga-Generalsekretär Amre Moussa sagte, die UNO habe bei der Verhinderung des Krieges versagt und damit ihre führende Rolle verloren.

Vize-Regierungssprecher Hans Langguth äußerte sich am diplomatischsten. In seinen Augen ist es für eine Festlegung von Details der deutschen Beteiligung noch "viel zu früh".

Am 07-04-2003

Golfkrieg

Zum ersten Mal weist eine Studie an genetischem Material von britischen Kriegsveteranen aus dem vergangenen Golfkrieg nach, dass uranhaltige Munition, das Erbgut dauerhaft schädigt. Die sogenannten DU-Geschosse gelten als die effektivsten Panzerabwehrwaffen. Allein 320 Tonnen dieser Munition wurden im vergangenen Golfkrieg abgefeuert. Mindestens 60 000 ehemalige britische und amerikanische Soldaten werden von den Veteranenverbänden beider Länder als kontaminiert bezeichnet.

Überdurchschnittlich häufig auftretende Missbildungen bei Kindern von Golfkriegsveteranen und bei den Kindern im Südirak sowie hohe Krebsraten der Veteranen haben die Wissenschaftler zu dieser Studie veranlasst. Die dem ZDF-Magazin "ML Mona Lisa" vorliegende Studie belegt eindeutig eine Schädigung der Chromosomen in den Blutzellen um das 7- bis 15-fache gegenüber der Normalbevölkerung. Diese Schäden, so die Studie, würden an die nächste Generation weitervererbt. Der Verfasser, Prof. Albrecht Schott, spricht in diesem Zusammenhang von einem "Kriegsverbrechen".

DU-Geschosse müssten als "Massenvernichtungswaffe angesehen werden, da unabsehbar ganze Generationen von Krankheiten und Missbildungen betroffen sein werden." Noch am vergangenen Montag wehrte der britische Rüstungsminister Adam Ingram die Anfrage des Labourabgeordneten Jeremy Corbyn im Unterhaus bezüglich einer Ächtung von DU-Munition mit der Behauptung ab, dass es bisher keinen wissenschaftlichen Beweis für die gesundheitsschädigende Wirkung von DU-Munition gäbe. Auch die Abteilung für Gesundheitsfragen des Pentagon teilte noch am vergangenen Donnerstag gegenüber "ML Mona Lisa" mit, dass bei Langzeituntersuchungen von Veteranen, die durch DU-Munition kontaminiert worden waren, "keinerlei Auswirkungen" festzustellen seien. Das Uran "werde vom Körper sehr schnell abgebaut".

Sowohl das britische Militär als auch ein Vertreter des Pentagon räumten gegenüber dem ZDF ein, dass im derzeitigen Krieg im Irak wieder DU-Munition eingesetzt werde. Eine Warnung an die irakische Bevölkerung, sich von beschossenen und dadurch kontaminierten Panzern fern zu halten, ergehe nicht. Die UNO hatte bereits 1996 und 1997 durch zwei Resolutionen dringend vor einem Einsatz von DU-Munition gewarnt.

Am 08-04-2003

Humanitäre Hilfe im Irak

Der Spendenfreudigkeit vieler Deutscher ist es zu verdanken, dass die Kindernothilfe zur Versorgung von Kindern und ihren Familien im Irak-Krieg mittlerweile 250.000 Euro bereitstellen kann. Ein mobiles Ärzteteam bietet im Norden Iraks medizinische Grundversorgung an. Das Team hält sich zur Zeit im Distrikt Zawita in der Nähe der Stadt Dehuk auf. In den 43 Dörfern dieser Region leben normalerweise rund 13.000 Menschen, jetzt kommen mehr als 50.000 Flüchtlinge dazu. Hauptsorge der Menschen sind mögliche Giftgasangriffe der irakischen Armee. Neben der medizinischen Versorgung wurde außerdem die Wasserversorgung in der Region durch den Einsatz von Wasserpumpen verbessert.

Unterstützt wird auch der Transport von spezieller Babynahrung und Bekleidung, die auf dem Schiffsweg den Irak erreichen werden. Die Hilfe für die Kriegsopfer im Irak organisiert die Kindernothilfe zusammen mit der Organisation Humedica International.

Zusätzlich zu der bereits geleisteten Unterstützung stellt das Auswärtige Amt dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) eine weitere Million Euro zur Verfügung. Mit den insgesamt zwei Millionen Euro werden dringend benötigte Nothilfemaßnahmen für die vom Krieg betroffene irakische Bevölkerung gewährleistet. Insbesondere sollen humanitäre Hilfsmaßnahmen zur Versorgung von verletzten Zivilisten und Kriegsverwundeten, medizinische Nothilfe sowie die Aufrechterhaltung der Wasserversorgung in Städten wie Bagdad und Basra finanziert werden.

Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI), Berlin, hat der Kindernothilfe das "Spenden-Siegel" verliehen, mit dem Hilfsorganisationen ausgezeichnet werden, die Spendengelder seriös und verantwortungsvoll einsetzen. Die Kindernothilfe ist Mitglied im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche. Die Kindernothilfe ruft zu Spenden für die Opfer des Irak-Krieges auf: Kindernothilfe, Stichwort: MC 90131 Irak Kontonummer 45 45 40 Bank für Kirche und Diakonie BLZ 350 601 90.

Am 08-04-2003

Pro Asyl

Pro Asyl prangert an, dass Mohammed A., ein Flüchtling aus dem Irak, der dort schwer gefoltert wurde, nicht in Deutschland bleiben soll. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge habe ihn bereits als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt, doch der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten halte an einer Klage gegen diesen Bescheid fest. Der durch Folter stark gezeichnete 34-jährige Iraker muss nun erneut um seine Anerkennung bangen. Gleichzeitig sorge er sich um das Leben seiner vier Kinder, die im irakischen Kerbala unter Beschuss liegen.

Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten legte am 3. Februar 2003 Klage gegen die anerkennende Entscheidung des Bundesamtes ein. Vierzehn standardisierte Textzeilen ohne jeden erkennbaren Bezug zum Einzelfallschicksal von Herrn A. genügten dem Bundesbeauftragten, um den dringend behandlungsbedürftigen A. in Unsicherheit zu stürzen. "Wenige Wochen vor dem sich abzeichnenden Irakkrieg ließ der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten weder Recht bestehen noch Gnade walten", kritisierte Marei Pelzer, Referentin bei Pro Asyl, das Vorgehen des Amtes.

PRO ASYL fordert Bundesinnenminister Schily auf, den Bundesbeauftragten unverzüglich anzuweisen, Klagen gegen positive Asylbescheide irakischer Flüchtlinge zurückzunehmen.

Mohammed A. flüchtete im Dezember 2002 nach Deutschland - nach einer zwölfjährigen Inhaftierung und in der Furcht, erneut vom Regime festgenommen zu werden. Im Asylverfahren trug er vor: Als die Aufstände nach Ende des ersten Golfkrieges niedergeschlagen worden seien, sei er zusammen mit Tausenden anderer Personen inhaftiert worden. Sein Vater sei infolge der Mißhandlungen im Gefängnis ums Leben gekommen, seine Frau einige Jahre nach der Inhaftierung von Mohammed A. gestorben. Nach seiner Freilassung im Oktober 2002 habe ihn die regierende Baath-Partei aufgefordert, sich einer militanten Kampftruppe mit dem Namen "Befreiung von Jerusalem" anzuschließen.

Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge trug dem schweren Schicksal des Betroffenen in seiner Entscheidung vom 22. Januar 2003 durch seine Anerkennung Rechnung. Herr A. könne nicht auf eine inländische Fluchtalternative im Nordirak verwiesen werden. Der Antragsteller sei angesichts seiner jahrelangen Inhaftierung äußerst geschwächt. In dem Bescheid heißt es weiter: "Der Antragsteller wirkt aufgelöst, er wirkt sowohl psychisch als auch physisch am Ende. Der Unterzeichner bezweifelt, dass es dem Antragsteller gelingen könnte, angesichts seiner langjährigen Inhaftierung Kraft für die Suche nach einer Unterkunft im Nordirak zu finden und dort noch die psychische Kraft besitzt, sich eine hinreichende Lebensexistenz aufzubauen. Der Antragsteller ist am Ende seiner Kräfte, eine inländische Fluchtalternative ist vor diesem Hintergrund dem Antragsteller in keiner Weise zumutbar. Angesichts der jahrelangen Inhaftierung des Antragstellers hat er ein Recht darauf, inneren Frieden zu finden und nach Jahren willkürlicher Inhaftierung einen Platz zu finden, um normal leben zu können."

Am 09-04-2003

Irak-Krieg

Der Dienstag forderte zwei neue Todesopfer unter den Journalisten. Der Kameramann Tarek Ajub wurde bei einem Bombenangriff der US-Luftwaffe auf die Büros der beiden arabischen Fernsehsender Al Dschasira und Abu Dhabi TV tödlich verletzt, wie Al Dschasira mitteilte. Beim Angriff von US-Truppen auf das Hotel "Palestine" in Bagdad, in dem derzeit fast alle ausländischen Medienvertreter untergebracht sind, starb nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters der ukranische Kameramann Tats Protsyuk.

Bei einem irakischen Raketenangriff südlich von Bagdad sind am Montag der Focus-Reporter Christian Liebig und der Journalist Julio Anguita Parrado, der für die spanische Tageszeitung El Mundo arbeitete, ums Leben gekommen. Die beiden "embedded correspondents" befanden sich im Hauptquartier der 3. Infanteriedivison, als eine Rakete einschlug und die beiden Journalisten sowie zwei Soldaten tötete.

Damit erhöht sich die Zahl der getöteten Journalisten, die aufgrund von Kriegshandlungen ums Leben kamen, am 20. Kriegstag auf insgesamt acht. Zwei weitere Journalisten starben während ihres Einsatzes im Kriegsgebiet, jedoch nicht im Zusammenhang mit den Kämpfen. Ein Medienmitarbeiter kam ebenfalls zu Tode. Zwei weitere Journalisten werden vermisst.

"Wir sind bestürzt über den Tod von Christian Liebig und die vielen Opfer, die der Krieg unter den Journalisten fordert", erklärt Elke Schäfter, Geschäftsführerin von Reporter ohne Grenzen (ROG) in Deutschland. Christian Liebig gehörte zu den besonders vorsichtigen Journalisten, wie seine Redaktion bestätigt. Er war im Militär-Camp geblieben und hatte aus Sicherheitsgründen die Streitkräfte nicht beim Vorstoß nach Bagdad begleitet.

"Sein Tod verdeutlicht, dass das Risiko der Berichterstattung aus dem Kriegsgebiet unkalkulierbar bleibt, auch als "embedded journalist", so Schäfter weiter "ROG verurteilt des weiteren aufs schärfste Angriffe auf Gebäude, in denen sich nach allgemeinem Kenntnisstand Journalisten aufhalten. Wir appellieren noch einmal eindringlich an alle Kriegsparteien, unter allen Umständen Journalisten als Zivilpartei zu respektieren - sie dürfen nicht zu Kriegszielen gemacht werden." Zu den bisher getöteten Journalisten gehören unabhängig arbeitende Journalisten ebenso wie "embedded correspondents". Sie alle haben einen hohen Preis für ihre Bereitschaft bezahlt, über den Krieg zu berichten.

Am 09-04-2003

Bioterrorismus

Medizinische Fachblätter könnten eine wichtige Rolle dafür gespielt haben, Kritikern die politische Rechtfertigung für einen Angriff des Iraks zu liefern, vermutet Ian Roberts, Professor für Epidemiologie und öffentliche Gesundheit an der London School of Hygiene and Tropical Medicine. Die meisten Menschen in den USA und in Großbritannien seien gegen einen militärischen Einsatz gewesen. Um sie zu überzeugen, mussten sie glauben, dass sie selbst Ziel eines Angriffs sind. Das Schlagwort dafür laute Bioterrorismus. Um dies zu illustrieren, vergleicht der Experte die zwischen 1999 und 2002 in fünf großen medizinischen Zeitschriften veröffentlichten Artikel zum Thema Bioterrorismus mit jenen zum Thema Verkehrsunfälle.

Bei Verkehrsunfällen sterben weltweit täglich rund 3.000 Menschen, etwa 30.000 Menschen tragen eine körperliche Behinderung davon. In den Jahren 2001 und 2002 hätten Bioterrorismus-Beiträge jene über Verkehrsunfälle übertroffen. Von den 124 Bioterrorismus-Artikeln stammten 63 Prozent aus den USA, der Rest aus Großbritannien. Mit 47 Prozent wurde am eifrigsten im Fachblatt Journal of the American Medical Association JAMA publiziert. Es folgten das British Medical Journal mit 21 Prozent, Lancet mit 16 Prozent knapp vor dem New England Journal of Medicine mit 15 Prozent.

Im Vergleich mit einem Problem, das täglich rund 3.000 Menschen tötet, werde in den führenden medizinischen Zeitschriften Bioterrorismus überbewertet, sagt Roberts. Er wolle damit nicht implizieren, dass dies ein bewusster Versuch war, die Bevölkerung zu alarmieren. Dennoch könnte es diesen Effekt gehabt haben. "Als Ergebnis könnten medizinische Zeitschriften eine unfreiwillig wichtige politische Rolle in der Rechtfertigung des Irak-Kriegs gespielt haben", resümiert Roberts.

Am 11-04-2003