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Globalisierungskritiker feierten Polit-Happening auf dem Larzac

Welthandelspolitik

Drei Tage lang protestieren, feiern und diskutieren 300.000 Globalisierungskritiker auf dem zentralfranzösischen Hochplateau Larzac. Die Tageszeitung (TAZ) berichtete darüber am 11.8.2003: Die Hügel des Larzac sind mit bunten Zelten bedeckt, so weit das Auge reicht. Wohl 300.000 Menschen bewegen sich am Samstagnachmittag zwischen Campingplätzen, Zisternen, Restaurants unter freiem Himmel, Konzertgelände und Diskussionsforen. Die Sonne brennt, die Leute schwitzen. Aber das bremst die hunderte von französischen Globalisierungsgegnern in keiner Weise, die sich vor dem Empfangszelt aufgebaut haben.

Schon vor dem "Startschuss" beginnen sie zu brüllen. Spitze Schreie, dumpfes Murren, rhythmisches Trommeln, schrilles Pfeifen: Mit der Aktion "Der große Schrei" protestieren Bühnenarbeiter und Schauspieler gegen den Abbau ihrer Sozialleistungen. So ernst die Lage auch ist, der Übermut überwiegt, die begeisterte Brüllerei will gar kein Ende nehmen. Doch in den Foren wird die Lage der Kunstschaffenden mit großem Ernst diskutiert.

Denn auf dem Larzac ist der Kampf gegen den nächsten Welthandelsgipfel im mexikanischen Cancún im September nicht auf Patentierbarkeit von Lebewesen oder genetisch veränderte Getreidesorten beschränkt. "Natürlich", so Regisseurin und Gewerkschaftssekretärin Michelle Blumental, müssten auch Kulturschaffende gegen die Welthandelsorganisation (WTO) mobilisieren. "Es wird sonst bald keine kleinen, unabhängigen Ensembles und Produktionen mehr geben, Multinationale wie Virgin oder Universalis werden alles kaputtmachen." Auch Lehrer und Beschäftigte aus dem Gesundheitsbereich wehren sich gegen drohende Privatisierungsbestrebungen der Regierung.

Überhaupt sind fast alle gekommen, die in Frankreich für Bürgerrechte kämpfen: Aktionsgruppen für die Rechte der Migranten, für menschenwürdiges Wohnen, gegen Militär und Atomversuche. International sind Aktions- und Unterstützergruppen der Kurden und Palästinenser gut vertreten, aber auch Oppositionelle aus dem Irak sind da und "Landlose" aus Südafrika. Und die Regionalisten.

José Bové, Sprecher der Bauerngewerkschaft "Confédération paysanne", ist unbestritten der Held des Happenings. Der blauäugige Bauer setzt sein Charisma zurückhaltend und effizient ein. Von seiner eigenen Knast-Erfahrung wolle er nicht erzählen, wohl aber von den Leiden der Mitgefangenen, sagt er. Freundlich, aber beharrlich kommt der Vielumschwärmte immer wieder aufs Wesentliche zurück: die Protestbewegungen vernetzen, bündeln, um vereint Druck ausüben zu können. Auf die WTO. Und natürlich auf die französische Regierung, gleich nach der Rückkehr der Franzosen aus den großen Ferien.

Das Treffen ist äußerst effizient organisiert. Eigenverantwortung wird ganz groß geschrieben, Abfall liegt gar nicht erst herum. Bauern der "Confédération paysanne" grillen Tonnen von Schafskotelettes und Schweinswürstchen, Biobetriebe tischen Gemüse und regionale Spezialitäten auf, bis sich die Klapptische biegen. Auf drei Bühnen gibt es engagierte Livemusik von so ziemlich allen, die im französischen Alternativmilieu einen Namen haben: okzitanische Folklore, Skacore aus dem Aveyron von "Vodska" und irgendwann morgens um drei die Politmusik-Ikone Manu Chao.

So ausgelassen man sich auf dem Larzac amüsierte, so ernsthaft wurde in den hochkarätig besetzten Foren debattiert. In der Veranstaltung "Aufteilung des Planeten durch Krieg und Kolonialismus" etwa beschrieb die engagierte Dokumentarfilmerin Mylène Sauloy ihre Erlebnisse in Tschetschenien. Saad Maliki, Flüchtling aus dem Irak, kündigte Widerstandsaktionen der iranischen demokratischen Opposition an: "Wir werden uns auf die Dauer nicht von den Amerikanern entmündigen lassen." Thoo Chit aus Birma sprach von blutiger Repression und Zwangsarbeit, durch die der Ölkonzern Total in Birma Arbeitskräfte "rekrutiert" und zu Gehorsam zwingt.

Ganz und gar eitel Sonnenschein herrscht allerdings nicht: "Wie vor 30 Jahren", findet Feministin und Psychologin Françoise Millet: "Überall nur Typen auf dem Podium!" Obwohl viele oft sehr junge Schauspielerinnen, Bäuerinnen und Gewerkschafterinnen in den Diskussionen selbstbewusst zum Mikro greifen. Doch die "Experten" sind fast alle männlich. Trotzdem: 300.000 Teilnehmer der gigantischen Larzac-Veranstaltung, das ist ein unbestreibarer, ein "historischer" Erfolg, wie nicht nur José Bové meint.