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Überwachung durch Zollkriminalamt ist verfassungswidrig

Wie beim Großen Lauschangriff

Die im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) festgelegten Möglichkeiten zur Überwachung des Postverkehrs im Zuge der Strafverfolgung verstoßen gegen das Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe kam in einem am Freitag veröffentlichen Urteil zu dem Schluss, dass die entsprechenden Paragrafen 39, 40 und 41 AWG mit dem Grundrecht des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Grundgesetzartikel 10) unvereinbar sind. Das Gericht gab damit einem Normenkontrollantrag des Landes Rheinland-Pfalz statt, der sich auf die Befugnisse des Zollkriminalamtes bezog. Der Erste Senat ordnete eine rechtliche Neufassung bis Anfang 2005 an.

Das Verfassungsgericht urteilte über die aktuellen Befugnisse des Zollkriminalamtes, bestimmte Postsendungen zur Verhütung von Straftaten nach dem AWG oder Kriegswaffenkontrollgesetz zu öffnen und einzusehen sowie Telefongespräche zu überwachen und aufzuzeichnen. Diese weitgehenden Rechte waren dem damaligen Zollkriminalinstitut bereits 1992 eingeräumt worden. Bei einer Neufassung der Regelungen müssten auch die jüngsten Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes zum Großen Lauschangriff mit berücksichtigt werden, hieß es. Das höchste deutsche Gericht hatte den Großen Lauschangriff unlängst für in weiten Teilen verfassungswidrig erklärt und Nachbesserungen eingefordert.

Die Karlsruher Richter hoben hervor, dass "intensiv in das Grundrecht eingegriffen" werde, wenn Briefe geöffnet oder Telefonate abgehört werden. Eingriffe in das Gundrecht des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses bedürften einer gesetzlichen Grundlage, wobei Anlass, Zweck und Grenzen der Überwachung klar ersichtlich sein müssten. Das Gericht forderte, die Ermächtigung zu einem solchen Eingriff müsse "bereichsspezifisch, präzise und normenklar" sein. Dies sei zurzeit nicht der Fall.

Die derzeit für das Zollkriminalamt gültigen umfangreichen Regelungen hätten den "Charakter von Kaskaden", rügte das Gericht. Bürger und auch Gerichte könnten nur schwer erkennen, worauf sich die Eingriffe eigentlich stützten. Auch seien die maßgeblichen Straftaten nicht hinreichend eingeengt. So sei nicht erkennbar, ob die dem Zollkriminalamt ermöglichte Übermittlung von Daten zu dem vorgesehenen Zweck geeignet und erforderlich sei.

Das Abhören eines Telefonats im Vorfeld einer möglichen strafbaren Handlung berge das "erhebliche Risiko", dass die Überwachung "an ein Verhalten anknüpft, das sich im Nachhinein als strafrechtlich irrelevant erweist", urteilte das Gericht weiter. Auch die Verarbeitung und Weitergabe der beim Abhören erfassten personenbezogenen Daten sei mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Durch die Weitergabe der Daten und deren Auswertung in anderen Zusammenhängen erhöhe sich die Intensität des Eingiffs in das Grundrecht aus Artikel 10 "in erheblichem Maße". Die nicht ausdrücklich von dem Normenkontrollantrag erfassten Regelungen in den Paragrafen 39 bis 41 AWG seien mit dem Grundgesetz ebenfalls unvereinbar, entschied das Gericht.

(Beschluss vom 3. März 2004 - Az: 1 BvF 3/92)