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Bundestag versucht Rettung der Wehrpflicht

Zivildienst verkürzt, viele Ausnahmen

Der Zivildienst wird von zehn auf neun Monate verkürzt und damit an die Dauer des Grundwehrdienstes angeglichen. Einen entsprechendes Gesetz verabschiedete der Bundestag am Donnerstagabend mit der rot-grünen Koalitionsmehrheit. Damit wird zugleich die Altersgrenze, bis zu der Wehr- und Zivildienstpflichtige regelmäßig herangezogen werden, vom 25. auf das 23. Lebensjahr herabgesetzt. Außerdem sieht das Gesetz viele Ausnahmeregelungen für die Dienstpflicht vor. Verschiedene Verwaltungsgerichte hatten entschieden, dass die derzeitige Einberufungspraxis willkürlich sei, weil nur noch weniger als die Hälfte der Wehrpflichtigen einberufen werden, wofür es keine gesetzliche Grundlage gebe.

Nur das Verwaltungsgericht (VG) Köln verschonte aber die Wehrpflichtigen vor der Einberufung. Als einziges Gericht hat es zudem bereits im Hauptsacheverfahren geurteilt. Die anderen Gerichte haben bisher nur in Eilverfahren vorläufige Beschlüsse gefällt, ohne die Rechtslage eingehend zu prüfen. Sie deuteten jedoch an, die aktuelle Einberufungspraxis sei durchaus rechtswidrig; doch könnten sich Wehrpflichtige nicht auf eine Gleichbehandlung im Unrecht berufen. Das VG Köln war dem ausdrücklich entgegengetreten. Das Gebot der Wehrgerechtigkeit sei verletzt, es könne nicht mehr die Rede davon sein, dass die Wehrpflicht allgemein sei. Jeder Wehrpflichtige könne sich darauf berufen, von willkürlichen Akten der Verwaltung verschont zu bleiben, und verlangen, dass er ebenfalls nicht einberufen werde.

Das neue Gesetz versucht jetzt die Wehrpflicht zu retten, indem die bisher nur als Verwaltungsvorschrift existierenden weitgehenden Ausnahmen in ein Gesetz gegossen werden. So sollen Verheiratete künftig auf Antrag vom Kriegs- oder Zivildienst befreit werden. Dies gilt auch für Wehrpflichtige, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben oder das Sorgerecht für mindestens ein Kind haben. Gleichermaßen auf Antrag befreit werden sollen Wehrpflichtige, deren Eltern oder Geschwister an den Folgen einer "Wehr- oder Zivildienstbeschädigung" gestorben sind. Auch wenn bereits zwei Geschwister eines Wehrpflichtigen ein Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr, den Grundwehrdienst oder Zivildienst abgeleistet haben, kann der Betreffende auf Antrag befreit werden.

Ferner sollen künftig auch Wehrpflichtige vom Zivildienst zurückgestellt werden, die nach dem Abitur eine betriebliche Ausbildung aufgenommen haben oder im Beamtenverhältnis ausgebildet werden. Studierende sollen der Neuregelung zufolge ab dem dritten Semester nicht mehr vor ihrem Hochschulabschluss einberufen werden. Auch bei anderen Ausbildungsformen gilt, dass die Betreffenden nicht vor dem Abschluss einberufen werden, sobald sie ein Drittel der Lehrzeit absolviert haben. Vom Kriegs- oder Zivildienst befreit wird ferner, wer einen Betrieb leitet oder im elterlichen Betrieb tätig ist.

Der Bundesrat wird sich voraussichtlich im September mit der Vorlage befassen. Die Gesetzesänderung bedarf allerdings nicht der Zustimmung der Unions-dominierten Länderkammer.