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Bund Naturschutz: Alpenpolitik unterliegt einem "ökonomischen Diktat"

Studie

"Durch das ökonomische Diktat und das Credo der Wettbewerbsfähigkeit tritt der Alpenschutz immer weiter zurück". So lautete eine zentrale Kritik des "Bund Naturschutz in Bayern" am Donnerstag anlässlich der Vorstellung der Studie "Alpenpolitik in Deutschland – Anspruch und Realität". Die Beteiligungsmöglichkeiten von Verbänden und Bürgern würden zunehmend ausgehebelt. "Beispiele wie die vor kurzem von der Staatsregierung beschlossene radikale Vereinfachung der Genehmigungspraxis von Schneekanonen, der Autobahnneubau bei Füssen, Planungen für zahlreiche neue Alm- und Forststraßen, weitere Golfplatzplanungen belegen, wie gering der Stellenwert einer naturverträglichen Entwicklung der Alpen in der realen Politik ist." Weiterhin fordert der Verband die Einführung einer Prämie für Flächen in NATURA 2000-Gebieten, die strikte Einhaltung des Grundsatzes "Wald vor Wild" in allen Wäldern und die Verabschiedung eines Protokolls "Wasser" in der Alpenkonvention.

Zahlreiche in der Studie beschriebene positive Beispiele zeigen nach Angaben des Naturschutzverbandes, wie die Grundsätze der nachhaltigen Entwicklung mit Leben erfüllt werden könnten. Der Bund Naturschutz fordert, dass die bislang wenigen positiven Entwicklungen stärker hervorgehoben und gefördert werden.

Nach Angaben der Naturschützer wird der Bergwald immer mehr von Forststraßen durchschnitten. Allein im schwäbischen Teil des Naturschutzgebiets Ammergebirge seien über 44 Kilometer neue Forststraßen geplant. "Der Schutzwald kann die Schutzfunktionen vielfach nicht mehr ausreichend erfüllen." Auf 15.000 Hektar Bergwald sei die Situation so gravierend, dass Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden müssten. "Seit 1987 kosteten diese den Steuerzahler 45 Millionen Euro", meint der Bund Naturschutz. Damit der "Schutzwald" seine Funktionen wieder erfüllen könne, fordert der Verband unter anderem eine Beschränkung der Fütterung von Rotwild.

In der Kritik steht weiterhin eine "Intensivierung der Berglandwirtschaft". Kunstdünger werde auch auf Almen ausgebracht. Um eine Extensivierung zu erreichen, fordert der Bund Naturschutz eine wesentlich schnellere Erhöhung der "Grünlandprämie" im Rahmen der neu ausgerichteten Agrarpolitik der EU. Die Zahlung von Zuschüssen für die Almwirtschaft sollte nur dann erfolgen, wenn keine Pestizide und kein Kunstdünger eingesetzt würden.

Skifahren "kein Hauptstandbein des Tourismus in den bayerischen Alpen"

Ein bemerkenswertes Ergebnis der Studie ist, dass der alpine Skispport "kein Hauptstandbein des Tourismus in den bayerischen Alpen" sei. Die beliebtesten Freizeitaktivitäten seien "Ausflüge machen, Wandern, Schwimmen und Radfahren". Insgesamt meint der Verband, dass die hohe touristische Nachfrage "teilweise die ökologische Belastungsgrenze" überschreite. Gefordert werden "besonders strenge Maßstäbe bei der Prüfung von Skigebietsausbauten und Golfplätzen". In 80 Prozent der Skigroßräume werde künstlich beschneit.

Der Bund Naturschutz fordert, dass Motorsportveranstaltungen wie das BMW-Biker-Meeting in Garmisch-Partenkirchen nicht mehr genehmigt werden sollten. Die Veranstaltung sei 2004 von rund 24.000 Motorradfahren besucht worden und stünde völlig in Widerspruch zu den Zielen des Alpenschutzes.

Alpentransitbörse zur Verhinderung von Lkw-Leerfahrten

Aufgrund der großen Belastung der deutschen Alpen durch Urlaubs- und Freizeitverkehr kommt es der Studie zufolge zu großen Lärmbelastungen und starker Ozonbildung in Bergtälern. "Nach einer Prognose des Bundesverkehrsministeriums wird sich der Deutschland berührende Alpentransit bis 2015 verdoppeln." Der Bund Naturschutz fordert als Konzept zur Verkehrsvermeidung eine "Alpentransitbörse". Alpenweit solle ein Höchstkontingent für Transitfahren festgelegt werden, die verschiedenen Unternehmen könnten Teile des Kontingents erwerben. "Je höher die Nachfrage nach Kontingenten, um so höher ist der Preis, um so eher werden Unternehmen bereit sein, Transitfahrten zu bündeln (z.B. Vermeidung von Leerfahrten) oder die Güter mit der Bahn zu transportieren."

Darüber hinaus fordert der Verband eine "wirksame" europäische Schwerverkehrsabgabe sowie einen Stopp des Neu- oder Ausbaus von Fernstraßen. Stattdessen solle die "Flächenversorgung" mit Bahnen und Bussen wesentlich verbessert werden.

Solarstrom statt weiterer Wasserkraftwerke gefordert

Nach Angaben des Bund Naturschutz bieten die Alpen günstige Voraussetzungen für den Ausbau erneuerbarer Energien. Schon heute decke die Wasserkraft rund 18 Prozent des bayerischen Strombedarfs, 12 Prozent davon kämen aus den Alpen. Ein weiterer Ausbau der Wasserkraft sei aber "ökonomisch wie ökologisch nicht sinnvoll". Die letzten naturnahen Fließgewässer sollten erhalten werden.

Hingegen bestehe ein erhebliches Entwicklungspotenzial bei Photovoltaik, Solarthermie, Geothermie und der Energieerzeugung aus nachwachsenden Rohstoffen wie Holz und Biogas. In den deutschen Alpen lägen die für den effizienten Betrieb von Photovoltaik- und Solarthermieanlagen ausschlaggebenden Globalstrahlungswerte deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Mit dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz sei ein wichtiger staatlicher Anreiz zum Ausbau dieser regenerativen Energiequellen gegeben worden.

Die "überaus erfolgreiche Initiative Solarstrom vom Watzmann bis zum Wendelstein", bei der in nur 4 Jahren Photovoltaikanlagen mit mehr als 6 MW-Leistung errichtet worden seien, zeige, dass "mit praxisnahen Angeboten an die Hausbesitzer, das Interesse an der Photovoltaik erheblich gesteigert werden kann". Ähnliche Initiativen sollten auch in anderen Teilen der deutschen Alpen gestartet werden.