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Industrie fordert rechtlich bereits verankerten Kündigungssschutz für Politiker

Verfassung verlangt "Unabhängigkeit"

Der neue Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann, plädiert dafür, dass Bundestagsabgeordnete mit Ende ihres Mandats wieder von ihrem früheren Arbeitgeber beschäftigt werden. Deshalb sollten sich größere Unternehmen bereit erklären, Abgeordnete nach Ablauf ihrer Tätigkeit wieder in eine vergleichbare Position aufzunehmen. Das, was der Industrieverband fordert, entspricht sowohl geltendem Recht als auch der Realität: Das Grundgesetz sieht in Artikel 48 vor, dass "eine Kündigung oder Entlassung" von Bundestagsabgeordneten unzulässig ist. Wie die Pressestelle des Deutschen Bundestages auf Anfrage von ngo-online mitteilte, genießen die Mandatsträger nach Paragraph 2 des Abgeordnetengesetzes auch nach dem Ausscheiden aus dem Parlament ein Rückkehrrecht zu ihrem Arbeitgeber und einen Kündigungsschutz von einem Jahr.

Der BDI-Präsidenten möchte den Unternehmen weiterhin ermöglichen, dass sie Politiker über Nebentätigkeiten finanzieren. Thumann hält daher neue Regelungen für die Nebentätigkeit von Parlamentariern nicht für notwendig. "Die bestehenden erachte ich für ausreichend", sagte der BDI-Chef.

Es gehe darum, dass die Abgeordneten die Art der Einkünfte pflichtgemäß berichteten. Eine Veröffentlichung der Höhe der Einkünfte lehnte Thumann jedoch ab. "Ich bin sehr dafür, dass wir alles transparenter machen. Nach der Art und nicht nach der Höhe der Einkünfte", sagte Thumann einschränkend.

Verfassung verlangt die Unabhängigkeit von Politikern

Das Grundgesetz sieht eine - geheim gehaltene oder transparente - Bezahlung von Politikern durch die Industrie nicht vor. Nach Artikel 48 Grundgesetz haben die Abgeordneten vielmehr Anspruch auf eine angemessene, "ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung" seitens des Staates. Es war demnach der ausdrückliche Wunsch der "Väter des Grundgesetzes", die Abgeordneten seitens des Staates finanziell so großzügig zu entschädigen, dass sie auf andere, sie beeinflussende Zahlungen verzichten könnten. Weitere Zahlungen an Abgeordnete sind nach dem Grundgesetz ausdrücklich unerwünscht, da sie die Unabhängigkeit beeinträchtigen.

Das Grundgesetz kennt auch keinen Fraktionszwang, sondern lediglich eine "Mitwirkung" der Parteien an der "politischen Willensbildung des Volkes", und verbietet den Abgeordneten ausdrücklich, Aufträge und Weisungen einzelner Gruppen anzunehmen. Nach Artikel 38 sind die Bundestagsabgeordneten "Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen". Insofern entspricht die neuerdings erhobene Forderung, man solle durch Transparenz kenntlich machen, "für wen ein Abgeordneter steht", kaum dem Geist des Grundgesetzes.

Nach Artikel 20 geht "alle Staatsgewalt vom Volke aus". Sie wird vom Volke "in Wahlen und Abstimmungen" ausgeübt. Mit Wahlen werden die Abgeordneten gewählt, mit "Abstimmungen" sind Volksentscheide über Sachfragen gemeint.

Eine halb-offizielle oder gar förmliche Beteiligung von Unternehmen, Verbänden und sonstigen Einzelgruppen am Gesetzgebungsverfahren ist im Grundgesetz nicht vorgesehen. Nach Artikel 20 ist die Bundesrepublik Deutschland ein "demokratischer und sozialer Bundesstaat".

Eine neue Meinungsumfrage des "Stern"

Unterdessen hat der "Stern" das Meinungsforschungsinstitut "Forsa" damit beauftragt, die Bevölkerung nach den Nebentätigkeiten von Politikern zu befragen. Ergebnis: Eine Mehrheit von 86 Prozent der Bürger wünscht eine Offenlegung der Nebentätigkeiten von Politikern. Nur 12 Prozent sprachen sich dagegen aus, Politiker zur Veröffentlichung aller Nebeneinkünfte zu verpflichten.

Es ein verbreitetes Stilelement der Medien geworden, mit Meinungsumfragen das zu erfragen, was der Bevölkerung zuvor in der Berichterstattung nahegelegt wurde. So entspricht auch das Umfrageergebnis dem Tenor der Medienberichterstattung der vergangenen Tage und Wochen. Die Berichterstattung konzentriert sich auf die Namen der Politiker und Parteien. Die enormen Zwänge, denen die Politik unterworfen ist, sind kein Thema. Rücktrittsforderungen konzentrieren sich auf Politiker. Manager und Unternehmen, die Politiker und Parteien finanzieren, bleiben unangetastet. Die systematische Finanzierung von Parteien durch Großkonzerne wird von Medien wie "Stern" oder "Spiegel" nicht aufgegriffen.

Bertelsmann finanziert die führende Regierungspartei

Das Magazin "Stern" wird von der Mediengruppe Gruner + Jahr herausgegeben. Gruner + Jahr gehört zum Bertelsmann-Konzern. Unter dem Dach von Bertelsmann findet sich eine große Zahl von Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehsendern. Neben dem "Stern" ist Bertelsmann direkt oder indirekt beispielsweise an der "Financial Times Deutschland", an der "Sächsischen Zeitung", am Wirtschaftmagazin "Capital", an den Fernsehsendern "RTL", "VOX" und "n-tv" in Deutschland sowie am Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" beteiligt. Im Jahr 2002 spendete die Bertelsmann AG 50.000 Euro an die SPD.