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Dresdner Staatsschauspiel bringt "Der Mann ohne Vergangenheit" auf die Bühne

Romantische Outlaws

Das Dresdner Theaterpublikum war am Samstagabend zu einer doppelten Premiere geladen. Nicht nur das Stück "Der Mann ohne Vergangenheit" feierte seine Uraufführung, auch die Bühne des Kleinen Hauses des Staatsschauspiels wurde nach Umbau und siebenjähriger Pause zum ersten Mal bespielt.

Dass ein Stück den Weg von der Bühne auf die Leinwand findet, ist so selten nicht. Umgekehrt schon eher. Der Intendant des Staatsschauspiels und Regisseur des Abends Holk Freytag hatte sich mit der Theateradaption des Films "Der Mann ohne Vergangenheit" eines Stoffs angenommen, der bereits viele Preise gewonnnen hat. Der finnische Regisseur und Autor Aki Kaurismäki war dafür 2002 unter anderem mit dem "Großen Preis der Jury" bei den Filmfestspielen in Cannes ausgezeichnet worden.

Das Bühnenbild von Olaf Altmann überzeugt durch seine Schlichtheit. Sich drehende weiße Stellwände symbolisieren unterschiedliche Räume. Einzige Requisite ist ein Kofferschallplattenspieler, der in der Mitte der Bühne stehend, immer wieder zum Leben erweckt wird. Durch die schlichten Wände wird die Handlung aus Finnland ins potentielle Überall verlegt. Sämtliche Orte und Gegenstände werden erspielt.

Konträr zur einfachen Umgebung wirkten die Kostüme. Die Armen sind mit bunten, wild zusammengewürfelten Kleidungsstücken ausgestattet, gesellschaftliche Autoritäten wie der Chef vom Arbeitsamt oder der Polizist tragen einen weißen Anzug.

Ein namenloser Mann kommt in eine fremde Stadt, wird überfallen und verliert neben seinem Hab und Gut auch sein Gedächtnis. Ihm fehlt alles, was sonst das gesellschaftliche Leben ausmacht: Arbeit, Geld, eine Wohnung, selbst sein eigener Name. Er ist ein Niemand, fällt aus dem gesellschaftlichen System.

Ahmad Mesgarha spielt den Namenlosen, der die erste halbe Stunde aufgrund eines Gesichtsverbandes auch kein Gesicht zu haben scheint, mit anrührender Intensität. Er trifft auf Nieminem (Sebastian Nakajew) und Kaisa (Ulrike Müller), die - selbst am Rande der Gesellschaft lebend - den Fremden wie selbstverständlich aufnehmen und versorgen.

Der "Mann ohne Vergangenheit" versucht sich ein Leben im Jetzt aufzubauen. Doch er muss immer wieder feststellen, dass dies ohne Namen, Bankkonto und Versicherungsnummer kein leichtes Unterfangen ist. Doch nach und nach - immer wieder mit der Unterstützung derer, die selbst kaum etwas besitzen - kommt er voran. Er findet eine Wohnung in einem Container, einen Job bei der Heilsarmee und die große Liebe.

"Der Mann ohne Vergangenheit" ist gleichzeitig Kapitalismuskritik und Märchen. Zwischen Melancholie und Weltschmerz ist bei Kaurismäkis Stück immer etwas Platz für den Glauben an die Menschlichkeit und die unveränderliche Würde derer, die von der Gesellschaft ausgeschlossen sind. Freytags Inszenierung zeugt von viel Gefühl und Humor.