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Knüpfte der "Volmer-Erlass" nahtlos an Erlasse der Kohl-Regierung an?

Polit-Spektakel

Die der Union nahestehende "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) legte in einem Kommentar vor einiger Zeit einmal nahe, CDU und CSU hätten auf der Suche nach einem geeigneten Thema für einen Untersuchungsausschuss unter mehreren möglichen Themen gewählt. Das Thema Visapolitik hätte sich am ehesten für Angriffe auf die Regierung angeboten, unter anderem deswegen, weil es sich für Dramatisierungen gut eigne. Während die Öffentlichkeit meist glaubt, das Sachthema stünde bei derartigen Veranstaltungen im Mittelpunkt des Interesses, scheint die FAZ eher der Auffassung zu sein, das Thema werde lediglich verwendet für die jeweilige parteipolitische Profilierung vor wichtigen Wahlen. Die Union könnte jetzt einen kleinen Rückschlag im Ringen um die Gunst der von den Medien geformten, veröffentlichten Meinung erleiden. Nach einem Bericht des Tagesspiegel sind in der so genannten "Visa-Affäre" wichtige und von der Opposition kritisierte Entscheidungen im Grundsatz offenbar schon von der Vorgängerregierung durchgesetzt worden. Das sollen dem Bericht zufolge drei Erlasse des Auswärtigen Amtes aus den Jahren 1995 und 1997 belegen. Die jetzt so heftig kritisierten Reiseerleichterungen sind demnach möglicherweise schon in der Kohl-Regierungszeit auf den Weg gebracht worden.

Außenminister und Polit-Stratege Joseph Fischer meint jetzt, er habe möglicherweise zu sehr auf die Weiterentwicklung dieser Politik "vertraut". Der Vorwurf aber, die Missstände an der Kiewer Botschaft seien das Ergebnis des so genannten Volmer-Erlasses vom 3. März 2000, treffe nicht zu, sagte Fischer.

Laut "Tagesspiegel" wurde der Verzicht auf die Bonitätsprüfung von Gastgebern nach Vorlage einer Verpflichtungsermächtigung und eine bevorzugte Behandlung von Geschäftsleuten schon in Erlassen vom 29. Dezember 1995, vom 21. April 1997 und vom 16. Mai 1997 geregelt. So heißt es in dem Erlass vom Dezember 1995 mit Bezug auf datenschutzrechtliche Bedenken, die Verhältnismäßigkeit sei nicht mehr gewahrt, wenn "Nachweise regelmäßig oder von nahezu jedem Gastgeber verlangt werden". Die Vertretung dürfe das Visum nur in Ausnahmen von diesen Dokumenten abhängig machen.

Der Erlass vom Mai 1997 gehe davon aus, dass Ausländerbehörden häufig die Bonität von Einladern nicht prüfen. Trotzdem weist er die Vertretungen an, die Forderung nach Einkommensnachweisen müsse "die Ausnahme bleiben". Der Erlass vom Juni 1997 besage, dass Visa-Stellen von Geschäftsleuten keine persönliche Vorsprache und keine Belege und Nachweise des Aufenthaltszwecks mehr verlangen.

Fischer blieb am Mittwoch zudem bei seiner Aussage, wonach die größten Missstände bis 2003 abgestellt waren. Angesichts von drei Millionen Visa im Jahr gebe es aber keine Garantie dafür, "dass nicht wieder irgendwo ein Problem auftaucht. Das war auch unter Kohl/Kinkel/Kanther so".

Wäre die Ukraine im vergangenen Jahr gemeinsam mit zahlreichen anderen osteuropäischen Staaten in die Europäische Union aufgenommen worden, hätte sich die Visa-Frage an der Kiewer Botschaft wegen des dann geltenden freien Personenverkehrs ohnehin so nicht stellen können. Die Union hätte sich dann ein anderes Thema für den Untersuchungsausschuss ausdenken müssen. Unterdessen diskutieren Politiker, Journalisten und "Meinungsforschungsinstitute" engagiert weiter über die Frage der TV-Übertragung.