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Patienten sollen Behandlung im Voraus ablehnen können

Vorsorge-Erklärung

Patientenverfügungen sollen nach einer Empfehlung des Nationalen Ethikrates am Donnerstag künftig für Ärzte und Pflegepersonal rechtlich verbindlich sein. Mit einer solchen Verfügung kann ein Mensch im voraus festlegen, unter welchen bestimmten Bedingungen er nicht mehr behandelt werden will, auch wenn er dann selbst nicht mehr in der Lage ist, dies mitzuteilen. Der Nationale Ethikrat betonte am Donnerstag, den Grundrechtscharakter solch einer Vorsorge. Allerdings dürfe dabei das Verbot der aktiven Sterbehilfe nicht infrage gestellt werden, sagte der Ethikrats-Vorsitzende Spiros Simitis. Der Sozialverband Deutschland und die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) begrüßten die Empfehlungen des Gremiums.

Nach Ansicht des Ethikrates soll der Wille eines Patienten auch dann befolgt werden, wenn seine Krankheit nicht zwingend zum Tode führt. Die Mitglieder seien mehrheitlich der Auffassung, dass Ärzte und Pflegepersonal nur dann nicht an eine Patientenverfügung gebunden sein sollen, wenn "Anzeichen von Lebenswillen" festzustellen seien. Die Ausnahme soll nicht gelten, wenn diese Anzeichen bereits in der Verfügung als "entscheidungsunerheblich" ausgeschlossen wird. Der Patientenwille müsse zudem "in Schriftform oder einer vergleichbar verlässlichen Dokumentation" wie etwa in einer Videoaufnahme vorliegen.

Zugleich hält der Ethikrat eine Ergänzung im Strafrecht "für wünschenswert", um für das medizinische Personal "größere Rechtssicherheit" zu erzielen". Der stellvertretende Ethikrats-Vorsitzende Eckhard Nagel betonte, dass mit einer Patientenverfügung "nicht alle rechtlichen Probleme zweifelsfrei" ausgeschlossen werden könnten. "Bei einer nicht vorhandenen Patientenverfügung muss aus ärztlicher Sicht immer die Devise 'im Zweifel für das Leben' gelten", so Nagel.

Er bezeichnete in diesem Zusammenhang Schätzungen, wonach sieben Millionen Patientenverfügungen in Deutschland existierten, als "viel zu hoch". Unter 100 Patienten seien durchschnittlich "vielleicht zwei bis drei", die eine Verfügung erstellt hätten.

Abweichend von der Position des Ethikrates forderte der Sozialverband Deutschland (SoVD) eine regelmäßige Erneuerung der Patientenverfügung: Diese sollte "nicht älter als zwei Jahre sein", betonte SoVD-Präsident Adolf Bauer. Auch solle es "bei der jetzigen Regelung bleiben, wonach vor dem Unterlassen lebenserhaltender Maßnahmen das Vormundschaftsgericht einzuschalten ist", so Bauer. Grundsätzlich befürworte der Sozialverband, dass die "gegenwärtige Rechtsunsicherheit bei der Anerkennung von Patientenverfügungen" beendet werden müsse.

Die DGHS stellte sich ebenfalls hinter die Position des Ethikrates und kritisierte zugleich die Bundestags-Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin", welche "das Prinzip des Lebensschutzes über das Selbstbestimmungsrecht der Betroffen stellen" wolle, so DGHS-Präsident Karlheinz Wichmann. Die Enquete-Kommission hatte gefordert, dass die Patientenverfügung nur bei unausweichlich tödlich verlaufender Krankheit gelten solle.

Die Stellungnahme des Ethikrates zur Patientenverfügung soll als Grundlage für eine Entscheidung des Bundestages im Herbst dienen. Wegen der angestrebten Neuwahlen im September ist eine parlamentarische Entscheidung in dieser Frage allerdings wieder unsicher geworden.