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Massive Holzeinschläge in Hessens Wäldern empören Naturschützer

Seltene Lebensräume

Der Naturschutzbund NABU wirft dem Land Hessen rücksichtslose Fällungen in Schutzgebieten vor. Die Sägen machten auch vor über 140 Jahren alten Bäumen nicht Halt. Die Lebensräume von Tieren, die auf solche alten Baumbestände angewiesen sind, gingen massiv zurück. Die Naturschützer warnten vor einer Zerstörung der Naturschätze, für die das Land eine Erhaltungsverpflichtung eingegangen sei. So sei im Biosphärenreservat Rhön etwa ein geeigneter Horstbaum eines Schwarzstorches gefällt worden, obwohl dieser Teil der Rhön extra als EU-Vogelschutzgebiet zum Schutz des Schwarzstorches ausgewiesen worden sei. Im Lorscher Wald an der Bergstraße sei trotz Fällverbot ein alter Baum mit brütenden Schwarzspechten gefällt worden. Am Boden hätten sich drei der Jungvögel gefunden, die den Umsturz überlebt hatten. Der Stammabschnitt mit der Höhle sei zersägt und zerhackt worden, um die Spuren zu verwischen. Der Naturschutzbund forderte vom Land Hessen einen sofortigen Stopp der Einschläge in Altholzbeständen bis zur eindeutigen Klärung der Erhaltungsziele. Außerdem müsse der Umweltminister rasch die Einschlagzahlen von 2004 offenlegen.

Der NABU meldet starke Holzeinschläge in europäischen Schutzgebieten in allen Teilen Hessens. Auf Schwarzspechthöhlen, Horstbäume des Schwarzstorches oder Vorkommen extrem seltener Käferarten wie Eichenheldbock und Hirschkäfer werde keine Rücksicht genommen. Bereits 2003 habe der Einschlag von Eichen 30 Prozent über dem Plan gelegen.

"So etwas hat es noch nie gegeben", kommentierte der NABU-Landesvorsitzende Rüdiger Wagner die Situation der letzten Monate. Noch nie habe es so viele Anrufe entsetzter und zorniger Bürger gegeben, die sich über massive Holzeinschläge in hessischen Wäldern beschweren. Dabei werde offenbar auch keinerlei Rücksicht auf europäische Schutzgebiete genommen. Der NABU Hessen stellte am Montag eine Foto-Dokumentation zahlreicher Fälle auf seine Internetseite.

So lagerten derzeit im Schwanheimer Wald bei Frankfurt über 900 Eichenstämme und 1600 Buchenstämme entlang der Talschneise. Das Europäische Schutzgebiet sei eigentlich wegen der wertvollen Eichenbestände gemeldet worden. Dieser Waldtyp sei sehr selten in Hessen. Die Hälfte des gesamten geschützten Vorkommens steht - oder stand - nach Angaben der Naturschützer im Schwanheimer Wald. Besonders schützenswert sei hier auch das Vorkommen einer seltenen Käferart, des Eichen-Heldbocks. Nun lägen 40 vom Heldbock besiedelte Stämme gefällt am Wegesrand. Nach Ansicht des NABU droht hier und in anderen Waldgebieten die Zerstörung der Naturschätze, für die das Land eine Erhaltungsverpflichtung eingegangen ist.

Im Laubacher Wald schmölzen die Altholzbestände auf winzige Reste zusammen, seit dort in den letzten Monaten massiv geholzt wurde. Viele Quadratkilometer seien dort bereits frei von Wäldern über 140 Jahren. Die Tiere, die erst in diesen alten Wäldern eine Heimat finden, wie Schwarzspechte, Hohltauben, Schwarzstorch und Wespenbussarde, fänden kaum noch Lebensmöglichkeiten und verschwänden. Vergleichbare Bilder gebe es auch aus anderen Gegenden.

"Es ist uns ein Rätsel, wie das Land den aufgebrachten Bürgern ernsthaft vermitteln will, dass hier Natur geschützt wird", sagte NABU-Chef Wagner. Wenn das Land die Menschen zum Mitmachen beim Naturschutz bewegen wolle, müsse es mit gutem Beispiel vorangehen. Dazu gehöre vor allem die Erfüllung der eigenen Schutzverpflichtungen. Brisant ist nach Ansicht des NABU vor allem, dass die starken Fällungen zu einem Zeitpunkt stattfänden, an dem die erste Bestandsaufnahme noch gar nicht stattgefunden habe. So würden wertvolle Bestände zerstört, was hinterher kaum mehr nachweisbar sei. Die Naturschützer fordern daher einen sofortigen Einschlagstopp im Altholz, dessen Bäume über 140 Jahre alt sind, in allen Europäischen Schutzgebieten solange, bis die erste Bestandsaufnahme abgeschlossen ist und Erhaltungsziele und nötige Managementmaßnahmen klar definiert sind. Erst dann dürfe wieder die normale Forstwirtschaft aufgenommen werden. Diese dürfe dann zu keiner Beeinträchtigung der seltenen Arten und ihrer Lebensräume führen.

Entscheidend für die Natur sei, dass in den Europäischen Schutzgebieten stets ausreichend Wald der verschiedenen Altersklassen vorhanden sei. Landesweit klaffe aber eine Lücke im Bestand der 80-120 Jahre alten Buchen. Wenn diese Altersklassen in gleichem Maße gefällt würden wie heute die 140jährigen, blieben fast keine wirklich alten Bestände mehr übrig, die ein Alter von über 200 Jahren erreichen könnten, warnten die Naturschützer.