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Linkspartei diskutiert über Mindestlohn

Entwickelte Länder

"Linkspartei korrigiert Wahlprogramm" titelten vor einer Woche die Zeitungen, nachdem in der Linkspartei eine Diskussion über die Höhe des geplanten Mindestlohns entbrannt war. Sollen es 1400 Euro oder 1200 Euro im Monat sein. Die Parteispitze rund um Gregor Gysi und Oskar Lafontaine tendiert zu weniger. Andere wie WASG-Vorstandsmitglied Klaus Ernst eher für mehr. Einig ist man sich offenbar darin, dass Menschen, die einem Vollzeitjob nachgehen, nicht beliebig wenig verdienen dürfen. Es müsse wie "in den meisten anderen entwickelten Ländern" eine Schwelle zur Armut geben, die nicht unterschritten werden dürfe.

Im Programmentwurf der Linkspartei heißt es, nur in Deutschland werde die Einführung eines existenzsichernden gesetzlichen Mindestlohns als unerträgliche Bedrohung für die Wirtschaft denunziert. In den meisten anderen entwickelten Ländern gebe es ihn. "Wir fordern einen gesetzlichen Mindestlohn von nicht weniger als 1400 Euro brutto im Monat." Das bringe nicht "das Paradies auf Erden", aber es werde damit ein Weg aus sozialer Ausgrenzung eröffnet und andererseits eine Sicherung gegen sozialen Abstieg errichtet.

Dies seien Gebote der Achtung der Menschenwürde, heißt es in dem Programmentwurf weiter, und "ein wirtschaftspolitisch vernünftiger Beitrag zur Steigerung der Binnennachfrage und der Absatzchancen kleiner und mittlerer Unternehmen".

In Wirtschaftsbereichen, in denen die niedrigsten tariflichen Lohngruppen oberhalb dieses Mindestlohns liegen, sollten die Tarifverträge leichter für allgemein verbindlich erklärt werden können. "Ein Entsendegesetz muss allen Branchen vorschreiben, dass für Lohnzahlung und Arbeitsbedingungen die Standards des Arbeitsortes gelten." Dies ist eine klare Kampfansage gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie, die nach dem Herkunftslandprinzip Löhne und Arbeitsbedingungen nach dem Herkunftsland von Beschäftigten ausrichten möchte.

Lafontaine: Mindestlohn von 1200 bis 1250 Euro

Dieser Programmentwurf wurde von führenden Köpfen der Linkspartei bezüglich der Höhe des Mindestlohns in Frage gestellt. Lafontaine hatte der "Stuttgarter Zeitung" gesagt, er halte einen Mindestlohn von 1200 bis 1250 Euro im Monat für ausreichend. Als mögliche neue Summe nannte auch Wahlkampfmanager Bodo Ramelow 1250 Euro.

Zuvor hatte Ver.di-Chef Frank Bsirske bereits die Höhe von 1400 Euro gerügt. Ein Betrag in dieser Größenordnung sei politisch kaum durchsetzbar, meint der den Grünen nahestehnde Gewerkschafter.

Die Bundestagsabgeordnete der PDS (Linkspartei), Petra Pau, findet hingegen die Forderung nach einem Mindestlohn von 1400 Euro sei "sachlich richtig". Es stehe allerdings auf einem anderen Blatt, "was politisch durchsetzbar ist".

Ernst: Entscheidend ist die Einführung eines Mindestlohns

Das Vorstandsmitglied der über Wahllisten der Linkspartei kooperierenden "Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit" (WASG), Klaus Ernst, sagte: "Ob es am Ende 100 Euro mehr oder weniger sind, ist nicht entscheidend ... Wichtig ist, dass wir uns einig sind, dass wir einen Mindestlohn brauchen." Darüber, dass es einer zielgerichteten Mindestlohnpolitik bedarf, bestehe Konsens.

Die Herausforderung besteht für Ernst in dem "nahezu maßlosen Bestreben von Unternehmen, ihre Konkurrenz untereinander durch Senkung der Lohnkosten auszutragen." Dabei gebe es ebenso wenig eine untere Grenze wie bei den Rabatt- und Preisschlachten im Einzelhandel. "Das Interesse des Kapitals an gleichen Konkurrenzbedingungen muss diesem politisch aufgezwungen werden", meint Ernst.

Ernst: "Ein gesetzlicher Mindestlohn darf keine Armutslöhne sanktionieren"

"Ein gesetzlicher Mindestlohn muss armutsresistent sein – darf also nicht unter der Hand Armutslöhne sanktionieren", so Ernst. Deshalb sei die Höhe entscheidend. Wolle man auf Basis der westdeutschen Lohndaten für 2003 mit einem durchschnittlichen Vollzeitlohn von 2884 Euro im Monat individuelle Lohnarmut vermeiden, müsse der gesetzliche Mindestlohn mindestens die Hälfte, also 1442 Euro pro Monat betragen. Dies entspreche einem Nettolohn von 1012 Euro. "Ein niedrigeres Niveau würde nicht nur Armut trotz Vollzeitarbeit legitimieren, sondern auch das bestehende – und durch Nichtanpassung an die gestiegenen Lebenshaltungskosten bereits um bis zu 20 Prozent abgesenkte – Sozialhilfeniveau unter Druck setzen."

Ein gesetzlicher Mindestlohn stellt für Ernst "die Teilhabe am soziokulturellen Leben sicher". Er markiere hiermit die "Grenze zwischen ungeschützter Arbeit und gesellschaftlich regulierter Lohnarbeit". Eine gesellschaftliche Initiative, die die Bekämpfung der Einkommensarmut zum Ziel habe, müsse neben den Arbeitseinkommen auch sozialpolitische Maßnahmen wie Kindergeld, Wohngeld, ergänzende Sozialhilfe und steuerliche Regelungen wie einen Grundfreibetrag umfassen.