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Biomasse für Strom, Wärme und Industrierohstoffe

Hessen

Eine vom Hessischen Umweltministerium in Auftrag gegebene Studie zur Abschätzung einer möglichen Energiegewinnung aus Biomasse kommt zu dem Ergebnis, dass in Hessen bis zum Jahr 2015 10 Prozent des Strom- und 9 Prozent des Wärmebedarfs aus dieser Form erneuerbarer Energieträger gewonnen werden könnte. In der von der Projektgemeinschaft Bio-Rohstoffe erstellten Auftragsstudie heißt es, dass der Anteil am Endenergiebedarf noch höher liegen könnte, wenn der Energieverbrauch sinken würde. Das heißt, dass bei einem durch effiziente Energienutzung beispielsweise halbierter Endergiebedarf entsprechend bis zu 20 Prozent des Stroms und 18 Prozent der benötigten Wärme aus Restholz, Sägeabfälle, Stroh, Bioabfall, Grünabfall, Gülle, Festmist und andere Formen der Biomasse gewonnen werden könnten. In der Studie wird darauf hingewiesen, dass andere erneuerbare Energieträger wie Solarstrom, Solarwärme, Windenergie, Geothermie und Wasserkraft noch hinzukämen. Nach Angabe des hessischen Umweltministers Wilhelm Dietzel liegt der Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch Hessens heute bei 4,5 Prozent. Das politische Ziel lautet, den Anteil der Erneuerbaren bis 2015 auf 15 Prozent zu erhöhen.

"Wir haben die Studie mit dem Ziel in Auftrag gegeben, die in Hessen vorhandenen Biomassepotenziale zu erfassen und hinsichtlich einer zukünftigen Nutzung - sowohl stofflich als auch energetisch - zu bewerten", sagte Dietzel bei der Vorstellung der Studie. Die von der Projektgemeinschaft Bio-Rohstoffe erstellte Studie betrachte das technische Biomassepotenzial, also den Anteil, der unter Berücksichtigung der derzeitigen technischen Möglichkeiten nutzbar sei.

Zur Bestimmung des Bioenergiepotenzials sei in der Studie der Bereich holzige Biomasse (z.B. Waldholz, Sägewerksnebenprodukte, Altholz etc.), Landwirtschaft (z.B. Stroh, Energiepflanzen, Gülle etc.) sowie Reststoffe (z.B. Bioabfall etc.) berücksichtigt worden.

Anschließend sei für jeden hessischen Stadt- bzw. Landkreis die Darstellung der Biomasse-Energiepotenziale in Megawattstunden pro Quadratkilometer und Jahr erfolgt. Unterschiede im Energiepotenzial hätten sich aus der Bewaldung sowie der landwirtschaftlichen Struktur der Kreise ergeben, teilte das Umweltministerium mit. Aber auch die Besiedlungsdichte und –struktur spiele eine Rolle, da sie Einfluss auf die Bioabfallmenge habe.

Aufgrund der Anreize des novellierten "Erneuerbare-Energien-Gesetzes" (EEG) sei der größte Zuwachs im Bereich der landwirtschaftlichen Biogasanlagen zu erwarten, schrieben die Autoren der Studie. Ein bedeutsames Entwicklungspotenzial liege außerdem in Heizkraftwerken zur gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Wärme (Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen) sowie den reinen Heizwerken zur Wärmeversorgung mittelgroßer Objekte.

"Insgesamt konnte für Hessen ein mittelfristig technisch mobilisierbares Potenzial von rund 14.000 Gigawattstunden pro Jahr ermittelt werden", so Dietzel. Würde dieses Biomassepotential in Kraftwerke zur gleichzeitigen Erzeugung von Strom und Wärme (Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen) genutzt, dann könnten den Berechnungen zufolge 600.000 4-Personen-Haushalte in Hessen mit Strom und 400.000 4-Personen-Haushalte mit Wärme versorgt werden.

Hinsichtlich der Arbeitsplatzeffekte des Biomasse-Ausbaus kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass Szenarien, deren Schwerpunkt auf der Entwicklung dezentraler Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, also Biogasanlagen und kleinerer Heizkraftwerke liegt, den größten Zuwachs an Arbeitsplätzen versprechen.

Industrie-Rohstoffe aus Biomasse

In der Studie wurde aber auch die Konkurrenzsituation für die so genannte stoffliche Verwertung der Biomasse thematisiert. So ließen sich landwirtschaftliche Produkte neben der Erzeugung von Nahrungsmitteln und dem Anbau von "Energiepflanzen" auch für die Gewinnung von stofflichen Rohstoffen für die Industrie nutzen, beispielsweise um auch bei der Chemieproduktion die Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren.

Traditionell würden pflanzliche und tierische Rohstoffe seit jeher für die Herstellung von Produkten wie Kleidung, Baumaterialien oder Heilmitteln genutzt. Erst im 20. Jahrhundert sei Rohöl die Grundlage vieler Produkte des täglichen Gebrauchs geworden.

"Innovative Produkte wie gewichtsreduzierte Verbundwerkstoffe" setzten sich deutlich schneller am Markt durch als reine Substitute von fossilen Rohstoffen durch Bio-Rohstoffe, schreiben die Autoren der Studie. Dies zeige sich beispielsweise im Bereich der Biologisch Abbaubaren Werkstoffe (BAW).

In den Bereichen Arzneipflanzen und Holzeinschnitt behaupte Hessen bei der stofflichen Nutzung Nachwachsender Rohstoffe eine "Führungsposition". Bei der Nutzung anderer nachwachsender Rohstoffquellen leisteten einzelne Firmen wie Isofloc, ein Hersteller von Zellulosedämmstoffen, oder auch die Bo- und R+S-Technik Unternehmensgruppe, Hersteller von gewichtsreduzierten Verbundwerkstoffen für die Auto-Innenausstattung, mit Firmensitzen in Sontra und Offenbach "Pionierarbeit", heißt es in er Studie.

Zwar stünde im Bereich Landwirtschaft mengen- und flächenmäßig künftig der Energiepflanzenanbau im Vordergrund. Dennoch dürften sich für Hessen "im stofflichen Bereich Optionen für die Erzeugung qualitativ hochwertiger Rohstoffe für die Arzneiherstellung und die chemische Industrie bieten", heißt es in der Studie. Der Flächenbedarf für deren Anbau werde auf absehbare Zeit erheblich geringer sein als für Energiepflanzen, biete jedoch je Flächeneinheit hohe Wertschöpfungspotenziale.

Eine mengenmäßige Abschätzung und Bewertung des Bedarfs und des Potenzials an Biomasse-Rohstoffen als systematische Strategie "weg vom Öl" auch im stofflichen Bereich wurde in der Studie aber offenbar nicht vorgenommen.

Die Autoren merken allerdings kritisch an, dass für die stoffliche Verwertung von Bio-Rohstoffen weniger Förderprogramme angeboten würden als für den energetischen Sektor. Auf Landesebene könnten über die "Förderrichtlinie zur Förderung der ländlichen Entwicklung in Hessen" im Bereich des Förderangebotes "Biorohstoffe aus der Land- und Forstwirtschaft" Zuschüsse beantragt werden. Auf Bundesebene sei das "Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe" sowie die Markteinführungsprogramme "Biogene Treib- und Schmierstoffe" und "Biogene Dämmstoffe" angesiedelt.