WWF Russland fürchtet Überschwappen chinesischer Benzolverschmutzung
Giftwelle vor Naturparadies
Der Songhua Fluss ist einer der am stärksten verschmutzten Zuflüsse des Amur. Der Großteil der städtischen Abwässer fließt ungeklärt in den Fluss. Kernkraftwerke heizen das Wasser auf und die petrochemische und Papierindustrie entledigt sich eines Teils ihrer Abfälle über die Flüsse. "Legt man eine Fließgeschwindigkeit von 50 Kilometer pro Tag zugrunde, könnte die aktuelle Giftwelle am 3. Dezember in Khabarovsk ankommen und danach in den Amur fließen", rechnet Alexey Kokorin vom WWF vor. "Wir müssen alles tun, damit es nicht so weit kommt."
Dafür benötige man als erstes die nötigen Informationen. Doch die chinesischen Behörden halten sich bislang bedeckt. Auch der WWF China fordert eine grenzübergreifende Zusammenarbeit von Industrie und Behörden. "Die Sicherheitsbestimmungen müssen durch regelmäßige Überprüfungen verschärft werden, um Mensch und Natur besser vor solchen Unfällen schützen zu können", betont Dr. Li Lifeng, Leiter des Wasserprogramms beim WWF China.
Die aktuelle Situation ist komplex. Der krebserregende Stoff Benzol löst sich nur schwer in Wasser, aber sehr gut in menschlichem und tierischem Fettgewebe. Der Stoff beginnt sich im Wasser erst bei einer Temperatur von 20 Grad Celsius zu lösen. Die Unfallregion gehört jedoch zu den kältesten in ganz China. Das Wasser im Amur ist nicht einmal zehn Grad warm. Angesichts des bevorstehenden Winters ist mit Eis zu rechnen, was die Giftbekämpfung zusätzlich erschweren würde. Der Unfall erinnere an den Sandoz Chemie-Katastrophe in Basel am Rhein. Damals verseuchten Pestizide und andere Chemikalien den Fluss auf über einer Länge von über 100 Kilometern. Fische und Kleinlebewesen wurden massiv dezimiert.
Die Wasserversorgung gehört zu den größten Umweltproblemen Chinas. Das rasante Wirtschaftswachstum und die zunehmende Bevölkerung setzen die Ressourcen des Landes massiv unter Druck. In den vergangenen 50 Jahren hat sich die Bevölkerung in den Wassereinzugsgebieten der großen Flüsse nahezu verdoppelt. Unbehandelte Abwässer und giftige Einleitungen der Industrie belasten nach Einschätzung des WWF mindestens 70 Prozent der Flüsse. Es mangele an einer nationalen Gesetzgebung. Die Provinzen seien oft überfordert.