Seite 1 bei Google kann so einfach sein.

Verfassungsgericht stoppt Abschiebung eines ausländischen Vaters

"Kind braucht beide Eltern"

Das Bundesverfassungsgericht hat am Donnerstag die drohende Abschiebung eines serbisch-montenegrinischen Vaters eines deutschen Kindes gestoppt. Die Ausländerbehörden hatten die Aufenthaltserlaubnis des seit 1999 in Deutschland lebenden Vaters einer Fünfjährigen nicht verlängert. Das Bundesverfassungsgericht hob jetzt die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs auf, die dem Mann Eilrechtsschutz verwehrt hatten. Die Gerichte hätten die familiären Bindungen des Vaters an seine Tochter nicht angemessen berücksichtigt und damit dessen Grundrecht auf Schutz der Familie verletzt. Das Verfassungsgericht betonte, der persönliche Kontakt des Kindes zum getrennt lebenden Elternteil diene in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. Die gewachsene Einsicht in die Bedeutung des Rechts des Kindes auf Umgang mit beiden Elternteilen habe Auswirkungen auf die Auslegung und Anwendung der ausländerrechtlichen Bestimmungen. Das Verwaltungsgericht muss nun neu entscheiden.

Der Vater des Kindes stammt aus dem Kosovo und hatte im Jahr 2000, kurz vor der Geburt der gemeinsamen Tochter, eine Deutsche geheiratet. 2003 wurde die Ehe geschieden, und die Mutter erhielt das Sorgerecht. Der Vater, der in einer anderen Stadt als seine geschiedene Frau lebt und arbeitet, hat jeden zweiten Sonntag sieben Stunden Umgang mit seinem Kind und hält regelmäßig telefonisch Kontakt zu ihm.

Seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis lehnte die Ausländerbehörde ab, weil keine familiäre Lebensgemeinschaft zwischen ihm und seiner Tochter bestehe. Das Verwaltungsgericht und der Verwaltungsgerichtshof versagten dem Mann mit derselben Begründung vorläufigen Rechtsschutz. Doch die hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg.

Verfassungsgericht: Tatsächliche Familien-Bindung zählt

Der Vater habe einen Anspruch darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsrecht seine familiären Bindungen an in Deutschland lebende Personen angemessen berücksichtigten, entschied das Bundesverfassungsgericht. Entscheidend sei dabei nicht die formal-rechtliche familiäre Bindung, sondern die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern.

"Kind braucht beide Elternteile"

Durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts von 1997 sei das Kindeswohl in den Mittelpunkt gestellt und die Beziehung jedes Elternteils zu seinem Kind als grundsätzlich schutz- und förderungswürdig anerkannt worden. Die gewachsene Einsicht in die Bedeutung des Rechts des Kindes auf Umgang mit beiden Elternteilen habe Auswirkungen auf die Auslegung und Anwendung der ausländerrechtlichen Bestimmungen, entschieden die Verfassungshüter. Das Gesetz sieht vor, dass auch dem nicht sorgeberechtigten Elternteil eines deutschen Kindes eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann, wenn eine familiäre Gemeinschaft in Deutschland besteht. Daher sei bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit bestehe, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen sei. In diesem Zusammenhang sei davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zum getrennt lebenden Elternteil in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes diene und das Kind beide Eltern brauche.

Auch Telefonate gehören zum "Umgang"

Die Verfassungsrichter kritisierten, das Verwaltungsgericht habe die konkreten Umstände des Einzelfalles nicht ausreichend beachtet, sondern lediglich anhand abstrakter Kriterien entschieden. Der Verwaltungsgerichtshof verneine das Bestehen einer familiären Lebensgemeinschaft mit der Begründung, von der Übernahme von Betreuungs- und Erziehungsaufgaben könne bei einem alle zwei Wochen stattfindenden Umgang und etwaigen Telefonaten zwischen Vater und Kind nicht gesprochen werden. Das Gericht verkenne dabei nicht nur die mit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz verfolgte Zielsetzung, kritisierte das Verfassungsgericht, sondern auch, dass der Gesetzgeber mit der Kindschaftsrechtsreform deutlich gemacht habe, auch außerhalb der persönlichen Begegnung, etwa in Telefonaten, könne und solle Umgang stattfinden. Dies müsse in die ausländerrechtliche Würdigung angemessen einfließen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass im Falle der Rückkehr des Vaters in den Kosovo ein Abbruch des persönlichen Kontakts zu seinem Kind drohe.

(Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 8. Dezember 2005, Az. 2 BvR 1001/04)