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Kontroversen über den Rüstungsexportbericht 2004

"Die Bundesregierung manipuliert"

Das Bundeskabinett hat am Mitwoch den Rüstungsexportbericht für das Jahr 2004 beschlossen. Demnach wurden für Rüstungsgüter im Jahr 2004 Einzelausfuhrgenehmigungen im Wert von insgesamt rund 3,8 Milliarden Euro erteilt. Die Genehmigungsentscheidungen richteten sich den Angaben zufolge am Verhaltenskodex der EU für Waffenausfuhren vom 8. Juni 1998 und an den Politischen Grundsätzen der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern vom 19. Januar 2000 aus. Dementsprechend sei "sichergestellt" worden, "dass deutsche Rüstungsgüter nicht für Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden oder zur Verschärfung von Krisen beitragen". Es seien keine Lieferungen in Krisengebiete genehmigt worden. Der Bundesausschusses Friedensratschlag warf der Bundesregierung "Manipulation und Verharmlosung" vor.

Rechtsgrundlagen für deutsche Rüstungsexporte sind das Grundgesetz, das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Außenwirtschaftsgesetz in Verbindung mit der Außenwirtschaftsverordnung.

Nach eigener Darstellung versteht die Bundesregierung "im Unterschied zu einer Reihe anderer Staaten" die Rüstungsexportpolitik "nicht als ein Instrument ihrer Außenpolitik". Entscheidungen über Rüstungsexportvorhaben würden nach einer umfassenden Abwägung der jeweiligen außen-, sicherheits- und menschenrechtspolitischen Umstände getroffen. Bei unterschiedlichen Auffassungen der am Entscheidungsprozess beteiligten Ressorts entscheide abschließend der Bundessicherheitsrat über die Erteilung oder Versagung einer Ausfuhrgenehmigung.

Gegenüber 2003 sei der Export von deutschen Rüstungsgütern "um ein weiteres Fünftel zurückgegangen". Knapp drei Viertel der genehmigten Lieferungen gingen in befreundete oder verbündete Länder.

Kriegswaffen haben nach Angaben der Bundesregierung am gesamten deutschen Warenexport "inzwischen mit 0,15 Prozent nur noch einen sehr geringen Anteil". Ihr Gesamtanteil an den Waffenexporten sei gegenüber 2003 weiter zurückgegangen und belaufe sich nun auf 1,1 Milliarden Euro.

Ausfuhrgenehmigungen für sogenannte Kleinwaffen - insbesondere automatische Handfeuerwaffen - seien im Wert von 36 Millionen Euro erteilt worden. Dies entspreche einem Rückgang gegenüber 2003 um knapp einem Drittel. Davon seien "nur 8 Millionen Euro auf Empfängerländer außerhalb der EU und der Nato" entfallen.

Friedensforscher: Die Bundesregierung manipuliert und verharmlost

Der Bundesausschusses Friedensratschlag kritisierte, dass der Bericht über den deutschen Rüstungsexport des Jahres 2004 erst Anfang des Jahres 2006 vorgelegt wurde. Er werde offenbar als lästige Pflicht empfunden.

Zwar liege der Wert der deutschen Kriegswaffenausfuhren des Jahres 2004 mit 1,13 Milliarden Euro um 200 Millionen unter dem Vorjahreswert, "wie es im Exportbericht beschwichtigend heißt". Dies sei aber der dritthöchste Wert seit 1996 und er liege um rund 50 Prozent über dem Jahresmittel.

Dasselbe gelte auch für die 2004 erteilten Genehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern, was Kriegswaffen und Ausrüstungen wie Elektronik und militärische Bauteile einbeziehe. Die Summe der Einzel- und Sammelausfuhrgenehmigungen sei die höchste seit 2001. Bei den Genehmigungen für die Ausfuhr von Rüstungsgütern falle auf, dass insbesondere diejenigen in Drittländer, also in solche außerhalb der EU und der NATO und in "der NATO gleichgestellte Länder" (Australien, Japan, Liechtenstein, Neuseeland und Schweiz), mit 1,08 Milliarden Euro den dritthöchsten Wert seit neun Jahren annehme.

Die Gruppe der so genannten "Drittländer" umfasse genau 95 Staaten. Darunter seien Staaten, die in Spannungsgebieten lägen wie Äthiopien und Eritrea, Chile, Bolivien und Peru, Indien und Pakistan, Israel, Jemen, Jordanien, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate, Kolumbien, Südkorea und Taiwan. Wenn die Bundesregierung bei der Vorlage des Rüstungsexportberichts behaupte, "Deutschland liefert nicht in Spannungsgebiete", dann sei das "ein dreister Täuschungsversuch der Öffentlichkeit". Die Friedensforscher Lühr Henken und Peter Strutynski dazu: "Wir stellen demgegenüber fest: Diese Exporte heizen vorhandene Konflikte zusätzlich an."

Besonders negativ falle die Bilanz der Genehmigungen von Kleinwaffenexporten ins Auge. "Bekanntlich führt das Internationale Komitee vom Roten Kreuz 95 Prozent der Getöteten heutiger Kriege auf den Einsatz von Kleinwaffen zurück", so Henken und Strutynski. "Die Ausfuhrgenehmigungen wurden unter Rot-Grün massiv gesteigert. Lagen die Exporte in den drei letzten Jahren der Kohl-Regierung noch bei jahresdurchschnittlich 14,88 Millionen Euro, so steigerte die Schröder-Regierung den Schnitt auf 36,58 Millionen Euro – somit auf das Zweieinhalbfache." Darin enthalten seien auch die Kleinwaffenausfuhren in "Drittländer". "Zwar konnte 2004 der Höchstwert des Vorjahres (8,59 Millionen Euro) nicht ganz erreicht werden, aber die 8,17 Millionen 2004 stellen trotzdem den zweithöchsten Wert seit 1996 dar."

"Wer angesichts dieser expansiven Rüstungsexportpraxis von einem restriktiven Vorgehen spricht, macht sich der Manipulation der öffentlichen Meinung schuldig", kritisieren die Friedensforscher.

Anstatt nicht mehr benötigtes Bundeswehrmaterial "der Schrottpresse zuzuführen und damit Arbeitsplätze zu schaffen", verkaufe die Bundeswehr das ausrangierte Kriegsgerät in alle Welt. Diese Art von Geschäft boome in den letzten Jahren. Der Wert liege 2004 bei 104,2 Millionen Euro. "Immerhin der zweithöchste Wert in den sechs Jahren seit 1999." Der Bundesausschuss Friedensratschlag fordert statt dessen die Verschrottung alten Bundeswehrmaterials. Auch ausgemusterte Waffen könnten töten.