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"Als Ökologe fühlt man sich bei den Grünen mittlerweile ziemlich einsam"

Loskes Ausstieg

Wegen unterschiedlicher Auffassungen in der grünen Bundestagsfraktion zum Umgang mit der Atomindustrie ist der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Reinhard Loske, am Dienstag Abend von seinem Amt zurückgetreten. In der Fraktionssitzung am Dienstag hatten die grünen Parlamentarier mehrheitlich dafür votiert, die Suche nach dem Verbleib des radioaktiven Abfalls der Atomwirtschaft in die Hand zu geben. Dies hatte der ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin vorgeschlagen. Loske kritisierte das Konzept, weil sich die Atomindustrie bereits auf die Standorte Gorleben und Schacht Konrad festgelegt hätte. Loske und der Fraktionsarbeitskreis Umwelt hätten für eine von der öffentlichen Hand getragene Endlagersuche ohne Vorfestlegung auf bestimmte Standorte plädiert. Dieses Verfahren sei vom zuständigen Fraktionsarbeitskreis einstimmig verabschiedet worden und basiere auf "langen Konsultationen mit der Wissenschaft, der Fachwelt, dem befreundeten Umfeld und einer renommierten Anwaltskanzlei", die das Konzept rechtlich abgesichert habe. Die Fraktionsvorsitzende Renate Künast sieht hingegen "keinen Dissens in der Sache", sondern "lediglich" einen Dissens "bezüglich einer Verfahrensfrage".

In einer sehr knappen Stellungnahme teilte die grüne Bundestagsfraktion mit, man bedauere den überraschenden Rücktritt von Reinhard Loske. Inhaltlich stünden die Grünen "geschlossen für eine ergebnisoffene und wissenschaftlich fundierte Suche nach einem Endlager". Die Abstimmung in der Bundestagsfraktion sei von allen Seiten gewünscht worden. Der Rücktritt habe "verschiedene Gründe". "Das weitere Vorgehen werden wir in aller Ruhe jetzt intern besprechen", so Künast.

Die grüne Europaabgeordnete Rebecca Harms, die als ehemalige niedersächsische Fraktionsvorsitzende eng mit dem geplanten Endlager in Gorleben verbunden ist, kritisierte in einem Interview mit der hannoverschen "Neuen Presse" Trittin offenbar deswegen, weil dieser in der Opposition die gleiche Politik betreibt wie als Regierungsmitglied: "Trittin hat noch nicht den Sprung in die Oppositionsrolle geschafft", so Harms.

Nach Darstellung von Loske galt es in der Fraktionssitzung, einen Antrag zur Endlagersuche zu verabschieden. Der Antrag des Fraktionsarbeitskreises Umwelt habe ein ergebnisoffenes, vergleichendes, kriteriengestütztes und transparentes Such- und Erkundungsverfahren für ein atomares Endlager vorgesehen. Träger des Verfahrens sei bei diesem Konzept die öffentliche Hand, um eine "angemessene" Öffentlichkeitsbeteiligung sicherzustellen und "Verfahrensakzeptanz" zu schaffen.

Das Konzept des Fraktionsarbeitskreises sah vor, dass die Atomkraftwerksbetreiber ihre für den Atommüll vorgesehenen Rückstellungen zum Teil in einen öffentlichen Fonds überführen sollten: "Das Prinzip der Verursacherfinanzierung sollte durch die Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Entsorgungsfonds gewährleistet werden, in den die Atomkraftwerks-Betreiber einen Teil ihrer Rückstellungen überführen, die sie heute im wesentlichen als 'Kriegskassen' für Unternehmensaufkäufe benutzen", schreibt Loske. Die Verfassungskonformität des Vorschlages sei juristisch geprüft und als gegeben erachtet worden.

Die Atomindustrie lehnt einen solchen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsfonds ab. Nach Darstellung Loskes stieß dieser Vorschlag auch in der grünen Bundestagsfraktion auf starke Ablehnung. Man habe entgegengehalten, er komme einer Distanzierung vom ehemaligen Umweltminister Trittin gleich, da dieser in seiner Amtszeit doch einen Gesetzentwurf zur Endlagersuche erarbeitet habe. Loske hält dem entgegen, dass der ehemalige Umweltminister "in seinen sieben Amtsjahren keinen Gesetzentwurf eingebracht hat, weder in die Kabinettsabstimmung, noch in die Fraktionsgremien. Der vom Umweltministerium erarbeitete Entwurf wurde im Arbeitskreis Umwelt erstmals im Dezember 2005 diskutiert."

Der Vorschlag aus Trittins Umweltministerium hat laut Loske in der grünen Fraktion "über weite Strecken Zustimmung" gefunden, "nicht aber bezüglich der Trägerschaft des Verfahrens". Der Trittin-Entwurf sehe vor, dass die Endlagersuche von einem Verband durchgeführt wird, "dessen Mitglieder die Atomkraftwerks-Betreiber selbst sind". Dieses Modell findet - so Loske - "in der Fachwelt und im befreundeten Umfeld zu Recht keine Unterstützung: Wie will man erklären, dass das dauerhaft sichere Abschließen von hochradioaktivem Müll vor der Biosphäre keine staatliche Hoheitsaufgabe ist, sondern privatisiert werden muss?"

Auch könne man nicht "erklären, dass ausgerechnet diejenigen das Verfahren betreiben sollen, die eine ergebnisoffene Endlagersuche ablehnen und sich auf Gorleben und den Schacht Konrad festgelegt haben". Loske fragt auch, wie man "auf die dringend benötigte Akzeptanz" hoffen wolle, "wenn die Betreiber des Suchverfahrens zugleich aggressiv dafür werben, die Laufzeiten der Atomkraftwerke zu verlängern?" Auf diese Fragen habe es in der Fraktionssitzung keine überzeugenden Antworten gegeben.

Dem Argument, es müsse jede "auch nur scheinbare Distanzierung von grüner Regierungsbeteiligung" unbedingt vermieden werden, sei ein höherer Stellenwert eingeräumt worden als den Sachargumenten des Arbeitskreises Umwelt, "obwohl diese zuvor auf einer Expertenanhörung große Unterstützung fanden".

Der Antrag des Arbeitskreises Umwelt wurde in der Fraktionssitzung am Dienstag abgelehnt. Stattdessen wurde beschlossen, den alten Gesetzentwurf von Jürgen Trittin einzubringen. "Ich halte diese Entscheidung inhaltlich für falsch, und ich halte sie vom Verfahren her für ganz und gar unakzeptabel", so Loske. Hier komme eine Geringschätzung gegenüber der Arbeit des Arbeitskreises Umwelt zum Ausdruck, "die für eine Umweltpartei bedrohlich ist". "Als Ökologe fühlt man sich bei den Grünen mittlerweile ziemlich einsam", so Loske.