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Bundesländer stimmen für Föderalismusreform

"Wichtiger Tag"

Die Regierungschefs der Bundesländer stimmten am Montag für eine Föderalismusreform. Auf einer Sondersitzung der Ministerpräsidentenkonferenz plädierten in Berlin 15 Länder dafür, das Reformpaket am Freitag in den Bundesrat einzubringen. Mecklenburg-Vorpommern enthielt sich der Stimme. Auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stimmte der vorgesehenen Neuordnung der Bund-Länder-Kompetenzen bei lediglich zwei Enthaltungen zu. Zuvor hatten bereits Präsidium und Bundesvorstand der CDU die Reform einstimmig gebilligt. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach nach einer Sondersitzung des Kabinetts von einem "wichtigen Tag für die bundesstaatliche Ordnung" Deutschlands. Bund und Länder hätten Handlungsfähigkeit bewiesen und "deutlich gemacht, dass wir künftig Verantwortlichkeiten klarer zuordnen wollen". Die Umweltverbände NABU und BUND haben die Ministerpräsidenten für ihre Zustimmung zur geplanten Föderalismusreform heftig kritisiert. Am Freitag wird sich der Bundestag in erster Lesung mit der Reform befassen.

Sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat müssen die rund 40 vorgeschlagenen Verfassungsänderungen eine Zweidrittelmehrheit finden. Nach den Beratungen der Ministerpräsidentenkonferenz warnten die Regierungschefs von Nordrhein-Westfalen und Berlin, Jürgen Rüttgers (CDU) und Klaus Wowereit (SPD) erneut davor, das Reformpaket in den parlamentarischen Beratungen nochmals aufschnüren zu wollen.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) appellierte an die SPD-Parlamentarier, dem Reformwerk ebenfalls zuzustimmen. Der vorliegende Reformtext sei Teil des Koalitionsvertrages. Von SPD-Seite werde die Einhaltung des Vertrages schließlich auch immer wieder gefordert, etwa bei der Energiepolitik. Das große Reformwerk dürfe nun nicht durch neue Diskussionen gefährdet werden.

Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschef Harald Ringstorff (SPD) meldete weiteren Diskussionsbedarf in den Ausschussberatungen an. So habe er "einige kritische Fragen" zur Bildung und zum Beamtenrecht. Ebenso sei er "nicht begeistert" über eine mögliche "Zersplitterung des Umweltrechts".

Sein schleswig-holsteinischer Amtskollege Peter Harry Carstensen (CDU) sagte, es müsse gesichert sein, dass die kleinen und finanzschwachen Länder ihre Kompetenzen wahrnehmen können. Zu möglichen Änderungen an dem Reformpaket sagte Carstensen, seiner Ansicht nach man könne im weiteren Verfahren "die eine oder andere Ecke noch abschleifen".

Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionsvize Fritz Rudolf Körper: "In der Regel ist noch kein Gesetz so aus dem deutschen Bundestag herausgegangen, wie es hereingegangen ist." Die SPD-Fraktion wolle das Projekt nicht gefährden, aber "Sachargumente" einbringen.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast kritisierte, die Reform sei eine "Morgengabe" Merkels an die CDU-Ministerpräsidenten". Sie befürchte "eine Zersplitterung, die allen schadet. Das ist schlecht für die Umwelt und schlecht für die Wirtschaft." Links-Fraktionsvize Bodo Ramelow warnte, im Hochschulbereich und bei der Beamtenbesoldung drohten "die armen gegenüber den reichen Ländern unterzugehen". Im Strafvollzug drohe ein Wettbewerb um die härtesten Haftbedingungen und eine Infragestellung des Resozialisierungsziels.

Die Umweltverbände NABU und BUND haben die Ministerpräsidenten für ihre Zustimmung zur geplanten Föderalismusreform heftig kritisiert. "Das ist ein Schritt in die falsche Richtung", sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Die Länderchefs hätten sich gegen klare, systematische Regelungen im Umwelt und Naturschutz ausgesprochen und die Chance auf ein modernes, übersichtliches Umweltrecht leichtfertig vertan.

Das von der Großen Koalition selbst gesetzte Ziel, die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern klarer aufzuteilen und damit die Gesetzgebungsverfahren effektiver zu gestalten und zu beschleunigen, werde damit deutlich verfehlt, so Miller. Es werde zukünftig nicht weniger Konflikte zwischen Bund und Ländern geben, sondern mehr.

"Die Ministerpräsidenten haben bei ihrem Beschluss selbst die Stimmen aus den eigenen Reihen ignoriert", kritisierte BUND-Bundesgeschäftsführer Gerhard Timm. Im Umweltausschuss sei man sich vor zwei Wochen noch parteiübergreifend einig gewesen, dass die Reform in dieser Weise nicht praktikabel und haltbar sei. Auch die Umweltsachverständigen hatten nachdrücklich vor den Folgen der geplanten Reform gewarnt, der Bundeswirtschaftsminister befürchtet eine daraus resultierende "enorme Rechtsunsicherheit" und selbst der Bundesverband der deutschen Industrie sieht die geplanten Regelungen kritisch. "Die Ministerpräsidenten handeln hier wider besseres Wissen. Woher nehmen sie eigentlich die Arroganz, alle Ratschläge zu ignorieren? Gerade bei Verfassungsänderungen ist - ungleich mehr noch als bei einfachen Gesetzen - besondere Sorgfalt erforderlich", sagte Timm. Diese Sorgfalt fehle hier und die Folgen würden nach bekanntem politischem Muster auf die Gesellschaft abgewälzt.

Aus Sicht der Verbände öffnet die mit der Reform geplante Abweichungsgesetzgebung der Länder dem Wettlauf um die niedrigsten Umweltstandards Tür und Tor. Unternehmen und Bürger würden künftig mit einem Wirrwarr von unterschiedlichen, ein und dieselbe Sache regelnden Gesetzen konfrontiert. Ebenso würden Investoren abgehalten, länderübergreifend tätig zu werden, da sie 16 verschiedene Gesetze beachten müssten.

Auch die Europatauglichkeit der deutschen Verfassung werde nun in höchstem Maße in Frage gestellt. "Es ist zu befürchten, dass es in Zukunft weiter zahlreiche Vertragsverletzungsverfahren geben wird. Die Länder werden nach dieser Reform ihren Umsetzungsverpflichtungen nicht besser nachkommen als bisher", so Timm. Die Umweltverbände appellierten an die Politiker aller Parteien, ihre endgültige Entscheidung im Gesetzgebungsverfahren noch einmal zu überdenken. Sie hätten immer noch die Möglichkeit, die entsprechende Grundgesetzänderung zu verhindern. "Es bleibt zu hoffen, dass die Politiker zum Wohle der Bürger und der Umwelt gegen die geplante Reform im Umweltrecht stimmen werden", so NABU-Bundesgeschäftsführer Miller.