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Gericht weist Klagen gegen Atommüllendlager Schacht Konrad ab

Revision nicht zugelassen

Erstmals hat ein deutsches Gericht über die Genehmigung eines atomaren Endlagers entschieden und den Schacht Konrad in Niedersachsen für die Nutzung freigegeben. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg wies am Mittwoch mehrere Klagen gegen die Genehmigung des Atommüllendlagers ab. Künftig darf in der ehemaligen Eisenerzgrube bei Salzgitter schwach- und mittelradioaktiver Abfall eingelagert werden. Eine Revision gegen das Urteil ließ die Kammer nicht zu. Die Kläger können gegen das Urteil aber noch eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz setzt jetzt auf rationale Entscheidungen in der Politik.

Gegen den entsprechenden Planfeststellungsbeschluss des niedersächsischen Umweltministeriums vom Mai 2002 hatten die Stadt Salzgitter, die angrenzenden Gemeinden Lengede und Vechelde sowie ein Landwirt, dessen Hof in direkter Nachbarschaft zu Schacht Konrad liegt, geklagt. Die Pläne sehen nach dem Bau des Endlagers die Einlagerung von bis zu 303.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktivem Abfall vor.

Die Landwirte waren vor dem Gericht mit ihrer Forderung gescheitert, das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg zunächst auszusetzen. Sie hatten gefordert, dass zunächst das Bundesverfassungsgericht klären müsse, ob die bisherigen gesetzlichen Grundlagen zur Errichtung eines Endlagers in Deutschland ausreichend seien. Sie hatten darauf verwiesen, dass es kein vom Bundestag verabschiedetes Gesetz gebe, in dem exakt Anforderungen an ein Endlager festlegt worden seien. Die Richter hatten die Forderung nach Aussetzung des Verfahrens abgelehnt.

Zu Beginn des Verfahrens hatte der Vorsitzende Richter Wolfgang Kalz gesagt: "Das Verfahren ist von außergewöhnlicher Bedeutung. Hier geht es um das erste Endlager, das einer vollen gerichtlichen Prüfung unterzogen wird." Es gebe für derartige Sachverhalte keine Orientierungspunkte, das Gericht müsse sich mit Sicherheitsaspekten für einen Zeitraum von mehreren hunderttausend Jahren beschäftigen, erklärte OVG-Präsident Herwig von Nieuwland. Ob Schacht Konrad jemals in Betrieb gehen werde, sei noch offen. Dies sei vor allem eine politische Entscheidung und hänge nicht unbedingt vom Ausgang des Verfahrens ab, so der Vorsitzende Richter.

Nach Urteil: Forderungen an die Politik

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) mahnte jetzt eine rasche Gesamtlösung der atomaren Endlagerung in Deutschland an. Sein Haus werde noch im ersten Halbjahr 2006 Vorschläge für eine generelle Endlagerkonzeption unterbreiten. Nach der gerichtlichen Bestätigung sei die Einrichtung eines atomaren Endlagers im Schacht Konrad "sehr wahrscheinlich" geworden, SO Gabriel. Bevor das Urteil jedoch nicht rechtskräftig sei, werde nicht mit den Vorarbeiten für eine Endlagerung begonnen.

Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) erwartet allerdings nach der OVG-Entscheidung von der Bundesregierung eine baldige Inbetriebnahme. Dann könnten schwach- und mittelradioaktive Abfälle ab 2012 eingelagert werden, sagte er.

Gabriel müsse nun unverzüglich den Startschuss geben, sagte die Sprecherin für Naturschutz und Reaktorsicherheit der FDP-Bundestagsfraktion, Angelika Brunkhorst. Weiteres Taktieren verstoße gegen geltendes Recht.

Auch das Deutsche Atomforum begrüßte die Entscheidung. Mit dem nun möglichen Ausbau des Endlagers könne eine wesentliche Komponente des deutschen Entsorgungskonzepts umgesetzt werden, sagte dessen Präsident Walter Hohlefelder. Hohlefelder war einst Spitzenbeamter in der Atomaufsicht des Bundes und wechselte dann als Manager zu Deutschlands größtem Atomkraftwerksbetreiber E.On.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat Bundesumweltminister Sigmar Gabriel aufgefordert, die Inbetriebnahme von "Schacht Konrad" zu verhindern. Es gehe nach dem Urteil des Lüneburger Oberverwaltungsgerichts darum, erst einmal Kriterien für ein geeignetes Endlager festzulegen. "Schacht Konrad" entspreche diesen Kriterien "mit Sicherheit" nicht.

Scharfe Kritik übte der Verband an dem Urteil der Richter, keine Revision gegen das Urteil zuzulassen und die Beweisanträge der Kläger zur Überprüfung der Langzeitsicherheit des Endlagers abzulehnen. Bei einem so bedeutsamen Urteil dürfe den Bürgern kein Rechtsweg verwehrt werden.

"Bleibt die Bundesregierung bei ihrer bisherigen Strategie, ein einziges Endlager für alle Arten von Atommüll einzurichten, dürfen keine Fakten geschaffen werden, die dieser Strategie widersprechen", meint Renate Backhaus vom BUND. "Weil in Schacht Konrad kein hochradioaktiver Müll eingelagert werden darf, müsste dafür ein zweites Endlager gesucht werden."

Das heutige Gerichtsurteil dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass Schacht Konrad aufgrund seiner mangelnden Langzeitsicherheit nicht als Endlager geeignet sei. Müsste aufgrund neuer Erkenntnisse der eingelagerte Atommüll wieder aus dem Schacht entfernt werden, würde der Steuerzahler auf den extrem hohen Rückholkosten sitzen bleiben, fürchtet der BUND.

"Schacht Konrad" sei nicht auf Grund geologischer Kriterien, sondern allein aus wirtschaftlichen Gründen ausgewählt worden, behauptet der Umweltverband. Der bisherige Nachweis über die Langzeitsicherheit von "Schacht Konrad" entspreche nicht mehr dem Stand der Wissenschaft. Es fehle auch ein Vergleich mehrerer anderer ebenfalls in Betracht kommender Standorte.

Der BUND fordert als Ziel für das geplante Gesetz zur Endlagersuche, dass radioaktive Stoffe für den Zeitraum von einer Million Jahre sicher von der Biosphäre abgeschlossen werden. Bei der Suche nach einem dafür geeigneten Endlager müsse die Öffentlichkeit am gesamten Verfahren beteiligt werden. Neben geologischen Aspekten müssten dabei auch Kriterien wie Akzeptanz und Bevölkerungsdichte berücksichtigt werden. Alle Kosten für die Endlagersuche sollen nach Auffassung des Verbandes die Betreiber der Atomkraftwerke tragen.