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Seehofer soll Empfänger von EU-Agrarsubventionen nennen

"Hochgradig ungerecht verteilt"

Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen haben Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) aufgefordert, die Namen der deutschen Empfänger von EU-Agrarbeihilfen und die Höhe der jeweiligen Subventionen zu veröffentlichen. Die Menschen sollten erfahren, wer von den Subventionen profitiert. Es gehe in Deutschland um rund sechs Milliarden Euro Steuergelder. Seehofer solle dem dänischen und britischen Beispiel zu folgen. Die Veröffentlichung der Subventionsempfänger in Großbritannien hatte im vergangenen Jahr ergeben, dass Queen Elizabeth II. in ihrem eigenen Land am stärksten von den Agrarsubventionen der EU profitiert. In Deutschland kassieren offenbar 0,5 Prozent der Betriebe jeweils mehr als 300.000 Euro im Jahr und damit 20 Prozent aller Agrar-Direktzahlungen. Neben den Bauern sollen die Steuergelder auch Exporteuren von Agrarprodukten, Futtermittelkonzernen und der Agrarchemie zufließen.

Für die europäische Agrarpolitik werden jährlich mehr als 40 Milliarden Euro bereitgestellt. Davon werden rund 6 Milliarden Euro in Deutschland ausgegeben. Empfänger der Subventionen sind nach der aktuellen Ausgabe des "Informationsbriefes Weltwirtschaft & Entwicklung" nicht nur landwirtschaftliche Betriebe, sondern auch Exporteure von Agrarprodukten. "Direkt und indirekt profitieren aber auch die vor- und nachgelagerte Industrie, also Agrarchemie, Futtermittel, Lebensmittelverarbeitung und andere Zweige", heißt es in dem Informationsbrief. 21 Nichtregierungsorganisationen wollen jetzt wissen, wer genau von den EU-Subventionen profitiert.

Die Agrar-Direktzahlungen, die so genannte 1. Säule, haben den Angaben zufolge mittlerweile den größten Anteil an den Agrarsubventionen, seien aber "hochgradig ungerecht verteilt". Gemäß den letzten öffentlich verfügbaren Zahlen hätten in Deutschland nur 0,5 Prozent der Betriebe jeweils mehr als 300.000 Euro im Jahr und damit 20 Prozent aller Direktzahlungen erhalten. Demgegenüber profierten 70 Prozent der Betriebe mit jeweils bis zu 10.000 Euro nur von insgesamt 25 Prozent der Direktzahlungen. Daran werde sich auch nach der Umsetzung der Reform von 2003 kaum etwas ändern, heißt es im Informationsbrief Weltwirtschaft & Entwicklung.

Gleichzeitig sei der überwiegende Teil der Gelder nicht an wirksame soziale, ökologische und Tierschutz-Kriterien gekoppelt. Einige rationalisierte flächenstarke Betriebe kämen somit auf Prämienzahlungen von umgerechnet bis zu 120.000 Euro je Arbeitskraft, während der Durchschnitt der Betriebe weniger als ein Zehntel davon je Arbeitskraft erhalte. Besondere umwelt- und tiergerechte Qualitätserzeugungen, die mehr Arbeitskräfte benötigten, würden benachteiligt. Im internationalen Handel verstärke diese Art der Subventionierung den Dumpingeffekt zu Lasten der Entwicklungsländer.

Die Mittel für die Entwicklung ländlicher Räume, die so genannte 2. Säule, betreffen unter anderem Agrarumweltprogramme, das Management der NATURA-2000-Gebiete, eine Ausgleichszahlung für benachteiligte Gebiete, die Investitionsförderung und die Förderung von Regionalvermarktung. Sie machen den Angaben zufolge nur rund 20 Prozent der gesamten Zahlungen aus. "Anstatt diese Mittel zu erhöhen, ist mit den EU-Finanzbeschlüssen im Dezember 2005 ihre massive Kürzung vereinbart worden, während die Direktzahlungen aus der 1. Säule praktisch unangetastet bleiben." Damit werde "die notwendige Wende in der Förderpolitik hin zu einer sozial gerechten, bäuerlichen, regionalen, ökologisch verträglichen, und tiergerechten Landwirtschaft nicht vollzogen".

In einer gemeinsamen Initiative unter dem Motto "Wer profitiert?" haben sich 21 Verbände zusammengeschlossen, darunter Agrarorganisationen wie die Aktion bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und Agrar-Bündnis, Entwicklungsorganisationen wie Brot für die Welt und Oxfam sowie Umweltverbände wie Greenpeace und der WWF. Die nicht endende Kritik an den Agrarsubventionen und der Gestaltung der europäischen Agrarpolitik erfordert ihrer Ansicht nach eine transparente Berichterstattung über die Verwendung von Agrarsubventionen, einschließlich der Exportsubventionen, um eine vernünftige sozial-ökologische Ausrichtung der europäischen Agrarpolitik voranzutreiben.

Im Gegensatz zu "vielen anderen europäischen Ländern" würde Deutschland in Bund und Ländern noch immer die Offenlegung von Informationen über die Agrarsubventionen verweigern. Als erstes Land habe Dänemark im Frühjahr 2004 die Angaben veröffentlicht. Gefolgt seien Schweden, Großbritannien, Irland, einige Regionalregierungen Spaniens, die Niederlande und Frankreich. Auch in Finnland sei die Offenlegung geplant.

In den letzten Monaten und Jahren habe die öffentliche Bekanntgabe der konkreten Zahlungen mit Angabe von Namen aller Empfänger, des jeweiligen Zahlungszwecks und der jeweiligen Zahlungshöhe in mehreren EU-Ländern dazu geführt, dass die Verteilung, aber auch die Sinnhaftigkeit der Kriterien der EU-Prämien stark diskutiert werde.

Mit der Offenlegung der Agrarsubventionen in Deutschland solle "öffentlich gemacht machen, wer wirklich von den Agrarsubventionen profitiert und welche gesellschaftlichen Leistungen dafür erbracht werden". Nach Auffassung der Verbände "ist nicht einzusehen, dass Betriebe oder Unternehmen trotz des Abbaus von Arbeitsplätzen, der Zerstörung von Lebensgrundlagen von Kleinbauern im Süden, der Verschmutzung der Umwelt und die Produktion von Lebensmitteln mit gesundheitsgefährdenden Rückständen teilweise mit Agrarsubventionen in Millionenhöhe belohnt werden". Statt dessen sollten die Subventionen an die Arbeitskraft, die Vollbringung von Umwelt-Dienstleistungen und an Tierschutz- und Lebensmittelsicherheitsstandards gekoppelt werden.