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Journalist Barth erwägt Klage gegen Bundesnachrichtendienst

"Stasi-Methoden"

Der stellvertretende Chefredakteur und Lokalchef des "Hamburger Abendblatt", Karl-Günther Barth, wirft dem Bundesnachrichtendienst (BND) in der Affäre um die Bespitzelung von Journalisten "Stasi-Methoden" vor. Dies müsse politische und rechtliche Konsequenzen haben, forderte Barth, der selbst zu den betroffenen Journalisten gehört, am Dienstag im Deutschlandfunk. "Mit einer Entschuldigung ist das nicht getan", betonte er. Er selbst wolle jetzt seine Akten einsehen und überlege, "ob ich die Kameraden verklage". Barth hatte nach eigener Aussage am Freitag von einem Kollegen vom "Spiegel" erfahren, dass auch er im Visier des BND gewesen sei. "Ich war fassungslos", betonte er. Er habe als "Stern"-Autor über die Elf-Aquitaine-Affäre berichtet sowie über Uranschmuggel und Missstände im BND geschrieben. Die "Berliner Zeitung" veröffentlichte - unter Berufung auf BND-Mitarbeiter - inzwischen einen Artikel, der nahelegt, dass es keine umfassende Überwachung von Medien gegeben hat.

Er habe geahnt, dass ihm der BND auf die Finger sehe, aber niemals gedacht, dass ein Kollege Dossiers über ihn schreibe. Das am Montag von der Bundesregierung erlassene Verbot, dass der BND Journalisten künftig nicht mehr anzapfen oder beschatten dürfe, nannte Barth nicht ausreichend.

Auch die Münchner Nachrichtenillustrierte "Focus" will offenbar Anzeige gegen den BND erstatten. Zuerst werde man auf Herausgabe der Unterlagen klagen. Er hoffe, dass sie diese bekämen und dann bei Gericht vorlegen könnten, sagte Chefredakteur Helmut Markwort.

Inzwischen gibt es mehrere Medienberichte über die vermeintlichen Bespitzelungsaktivitäten des BND. Als Informationsquelle werden teilweise BND-Mitarbeiter oder "namentlich nicht benannte Geheimdienstbeamte" genannt. Derartige "Informationen" sind nicht überprüfbar und können gezielt dazu dienen, die öffentliche Wahrnehmung zu manipulieren und in eine gewisse Richtung zu steuern. Auf diese Weise besteht die Gefahr, dass die Geheimdienste selbst das Bild zeichnen, das in der Öffentlichkeit über die Geheimdienste entsteht und als - vermeintliche - Wirklichkeit wahrgenommen wird.

Die "Berliner Zeitung" und die Wirklichkeit nach Darstellung von BND-Mitarbeitern

Die "Berliner Zeitung" schreibt beispielsweise, nach Aussagen von BND-Mitarbeitern habe es "gezielt und zeitlich begrenzt" Lauschangriffe auf Medienvertreter gegeben. Ein namentlich nicht benannter Geheimdienstbeamter soll der Zeitung gesagt haben, die Ausspähung von Journalisten habe "aus einem Mix von menschlichen und technischen Quellen" bestanden.

Nach Darstellung der Zeitung beziehungsweise des "Geheimdienstbeamten" soll die Überwachung aber nur begrenzt gewesen sein. Die "Eigenschutz"-These wird gestützt: "Wenn es zum Beispiel Hinweise darauf gab, dass ein Journalist einen internen Vorgang des Dienstes recherchierte, wurde auch sein Telefonanschluss überwacht, um Informationen auf mögliche Quellen zu erlangen", hat der Beamte laut Berliner Zeitung gesagt. Es habe aber keine flächendeckende Telefonüberwachung von Medienjournalisten gegeben. Die Lauschangriffe, die der BND häufig im Wege der Amtshilfe von einer anderen Behörde erledigen ließ, seien bis "in die jüngste Vergangenheit hinein" praktiziert worden.

Nach Darstellung der Berliner Zeitung kann von einer umfassenden Überwachung von Medien nicht die Rede sein: "Nach Angaben des Beamten wurden auch keine Redaktionsanschlüsse überwacht." Der Geheimdienstbeamte wird mit den folgenden Worten widergegeben: "Das hat man sich nicht getraut, aber ohnehin ging man davon aus, dass Journalisten heikle Telefonate nur von ihren Handys oder Privatanschlüssen abwickeln."

Die Relativierung geht schließlich noch einen Schritt weiter: "Ein früherer Mitarbeiter des Geheimdienstes bestätigte, dass die Abhörpraxis auch schon in den neunziger Jahren üblich gewesen sei. Dass dazu noch Unterlagen im BND-Archiv vorhanden seien, bezweifle er jedoch", schreibt die Berliner Zeitung.

Als Quelle hat die Berliner Zeitung nicht mehr vorzuweisen als Mitarbeiter und "frühere Mitarbeiter" des Geheimdienstes selbst. Dennoch wird mit dem Bericht nahegelegt, als handele es sich um die Realität selbst und und nicht um eine - möglicherweise - konstruierte Wirklichkeit. Der Öffentlichkeit wird suggeriert, als habe man unabhängig von der Behörde selbst Zugang zu mehreren Geheimdienst-Mitarbeitern, die nichts als die Wahrheit sagen.

Journalisten-Verband verlangt Veröffentlichung des Schäfer-Untersuchungsberichts

In einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel hat der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Michael Konken, seine Forderung untermauert, den Untersuchungsbericht zur Spitzelaffäre des Bundesnachrichtendienstes zu veröffentlichen. "Seit der Vorlage des als geheim eingestuften Untersuchungsberichts des ehemaligen BGH-Vorsitzenden Dr. Gerhard Schäfer an die Parlamentarische Kontrollkommission mehren sich die Anzeichen dafür, dass der Auslandsgeheimdienst der Bundesrepublik Deutschland über einen langen Zeitraum hinweg Journalisten im Inland überwacht hat - bei der Arbeit ebenso wie im Privatleben. Auf Grund der vorliegenden Informationen müssen Journalistinnen und Journalisten in Deutschland befürchten, zu den Ausgespähten gehört zu haben oder noch zu gehören", heißt es in dem Schreiben. "Welche Konsequenzen sich aus den Bespitzelungen ergeben müssen, lässt sich nur dann ermitteln, wenn der Untersuchungsbericht öffentlich gemacht wird."

Die Weisung der Bundesregierung an den BND, keine operativen Maßnahmen gegen Journalisten mehr durchzuführen, ist für Konken ein "Schritt in die richtige Richtung". Dabei dürfe es aber nicht bleiben. "Zuerst gehören die Fakten auf den Tisch, dann ist über Konsequenzen zu reden", so Konken.

Der Deutsche Fachjournalisten-Verband (DFJV) wertete die Maßnahme als ersten Schritt zur Schadensbegrenzung. Unklar sei, ob Bespitzelungen ausgeschlossen seien, die nicht der Eigensicherung des BND dienten. Auch die Regelungen bei Verfassungsschutz und Militärischem Abschirmdienst (MAD) seien noch nicht geklärt, sagte DFJV-Chefin Manuela Fabro.

Die "Berliner Zeitung" will das zentrale Ergebnis des Schäfer-Berichts bereits kennen: "Im Bericht des Sonderermittlers Gerhard Schäfer an das Parlamentarische Kontrollgremium heißt es, es hätten sich keine Hinweise auf Abhöraktionen gegen Journalisten gefunden." Quelle: "Heißt es".

An dieser Stelle macht die Zeitung dann auf die Grenzen der Wahrheitsfindung und auf die Problematik der Geheimdienst-Quellen aufmerksam: "Allerdings konnte Schäfer auch nur die Akten auswerten, die ihm der BND zur Verfügung gestellt hatte. Er besaß nicht die Befugnis, selbstständig im Aktenbestand des Dienstes zu recherchieren."

Politik lehnt Veröffentlichung derzeit ab

Die Politik lehnt eine Veröffentlichung des Schäfer-Berichts großteils ab: Grünen-Innenexperte Christian Ströbele sprach sich für eine "Teilveröffentlichung" des Berichts aus. Der Vorsitzende des Bundestags-Untersuchungsausschusses zur Rolle des BND im Irak-Krieg, Siegfried Kauder (CDU), lehnt eine Veröffentlichung offenbar generell ab. Er sieht derzeit auch "keinen Anlass" zur Ausweitung des Untersuchungsauftrages des Untersuchungsausschusses. Zunächst sollte sich das geheim tagende Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) mit den Vorwürfen befassen. SPD-Vorstandsmitglied Niels Annen spricht von einer "politischen Auseinandersetzung" mit den Vorwürfen.

Die ehemalige Bundesjustizmininsterin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte eine rasche Aufklärung der Affäre. "Da sind einfach die Grenzen dessen überschritten, was ein Bundesnachrichtendienst tun kann, um intern ein Loch, ein so genanntes Leck zu finden", sagte sie. Das werfe grundsätzliche Fragen auf: "Welche Dimension hat dieser ungeheuerliche Vorgang? Ich scheue mich nicht zu sagen, dass das Methoden sind, die mich an den Staatssicherheitsdienst in einer Diktatur erinnern und nicht an das, was ein Nachrichtendienst in einem demokratischen Rechtsstaat darf."