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19 Prozent Mehrwertsteuer und Kürzung von Nahverkehrsmitteln beschlossen

Bundesrat

Der Bundesrat beschloss die Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2007. Dazu stimmte die Länderkammer stimmte am Freitag in Berlin dem vom Bundestag bereits verabschiedeten "Haushaltsbegleitgesetz 2006" der Bundesregierung zu. Damit wird der Mehrwertsteuersatz Anfang kommenden Jahres von 16 auf 19 Prozent angehoben. Gleiches gilt für die Versicherungssteuer. Im Gegenzug wird der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung um zwei Prozentpunkte auf 4,5 Prozent abgesenkt. Die Länderkammer beschloss auch, die Regionalisierungsmittel für den Bahn-Nahverkehr um mindestens 1,8 Milliarden Euro zu kürzen.

Die CDU/FDP-regierten Länder Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen und die SPD/PDS-Koalitionen von Berlin und Mecklenburg-Vorpommern stimmten wie zuvor angekündigt der Anhebung der Mehrwertsteuer nicht zu. Diese fünf Länder verfügten jedoch im Bundesrat nicht über eine ausreichende Stimmenzahl, um die Vorlage zu Fall zu bringen.

Das Gesetz enthält auch eine Kürzung der Zuschüsse an die Länder für den öffentlichen Personennahverkehr. In den Jahren 2006 bis 2009 sollen dem Gesetz zufolge die so genannten Regionalisierungsmittel, die der Bund den Ländern für den öffentlichen Personennahverkehr überweist, um insgesamt 2,3 Milliarden Euro reduziert werden. Diese Kürzung soll jetzt nach einem Kompromiss zwischen Bund und Ländern um rund 500 Millionen Euro geringer ausfallen.

Dazu wolle die Bundesregierung "rechtzeitig eine gesetzliche Regelung erreichen", kündigte Finanzminister Steinbrück in der Debatte an. Danach solle es für 2006 und 2007 bei der im Haushaltsbegleitgesetz vorgesehenen Kürzung der Regionalisierungsmittel um 2,3 Milliarden Euro bleiben. Für 2008 und 2009 erhielten die Länder dann eine "Kompensation" in Höhe einer halben Milliarde Euro. Um den Ländern auch künftig Investitionen in den Regionalverkehr zu ermöglichen, solle zudem ab 2009 eine "Dynamisierungslinie" für die Zuschüsse vereinbart werden.

Weitere Änderungen durch das Haushaltsbegleitgesetz

Das Haushaltsbegleitgesetz 2006 sieht weiterhin vor, die Sozialversicherungsfreiheit für Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge auf 25 Euro pro Stunde zu begrenzen und den Pauschalbeitragssatz für geringfügig Beschäftige von 25 auf 30 Prozent anzuheben.

Die jährliche Sonderzahlung des Bundes für Beamte, Soldaten, Richter und Pensionäre wird für die Jahre 2006 bis 2010 halbiert, was für die unteren Besoldungsgruppen durch jährliche Einmalzahlungen abgemildert werden soll. Diese Einmalzahlungen sollen künftig 125 statt bisher 100 Euro betragen. Die Bemessungsgrundlage für die Krankenversicherungsbeiträge von Arbeitslosengeld-II-Beziehern wird herabgesetzt.

Der bisherige Bundeszuschuss zur Bundesagentur für Arbeit soll entfallen. Der allgemeine Bundeszuschuss zur Rentenversicherung wird in diesem Jahr um 170 Millionen Euro und ab 2007 um 340 Millionen Euro reduziert. Die pauschalen Bundeszuweisungen an die gesetzlichen Krankenversicherung werden 2007 auf 1,5 Milliarden Euro abgesenkt und laufen danach aus.

Reaktionen

Der SPD-Vorsitzende und rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck begrüßte den Kompromiss als "verantwortliche Handlungsweise". Wie Beck verteidigte auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) die Anhebung der Mehrwertsteuer als "unumgänglich". Den Bürgern müsse offen gesagt werden, dass die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte allein durch Einsparungen "in einer überschaubaren Zukunft" nicht möglich sei, mahnte Koch.

Steinbrück wies die Kritik an der Mehrwertsteuererhöhung ebenfalls zurück. In Ergänzung zu Ausgabenkürzungen und strukturellen Reformschritten sei diese Maßnahme "alternativlos", sagte der Minister. Er räumte ein, dass die Erhöhung der Umsatzsteuer Kaufkraft entziehen werde. Eine Streichung von Transferzahlungen und eine Kürzung von Investitionen hätte aber "ebenfalls einen gleichlaufenden negativen Effekt".

Dagegen warnte Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Ernst Pfister (FDP), durch die Anhebung der Mehrwertsteuer würden Arbeitsplätze "in großem Stil" gefährdet. Auch würden dadurch der private Verbrauch und die Ertragslage der Unternehmen geschwächt. Nordrhein-Westfalens Forschungsminister Andreas Pinkwart (FDP) wandte sich gleichfalls gegen die "größte Steuererhöhung" in der Geschichte der Bundesrepublik.

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) kritisierte die Kürzung der Regionalisierungsmittel. Die Ministerpräsidenten seien jetzt dafür "verantwortlich, wenn künftig jeder fünfte Nahverkehrszug in Deutschland gestrichen wird und die Preise für Bus und Bahn spürbar steigen. Daran ändert auch die jetzt vereinbarte Kompensation für einen Teil der Kürzungen nur wenig", kommentierte Michael Gehrmann vom VCD. Die Mittel für Bus und Bahn in Zeiten steigender Spritpreise und rasanten Klimawandels zusammenzustreichen, sei verkehrs-, umwelt- und sozialpolitisch "verheerend". Die "Erfolgsgeschichte des Nahverkehrs mit seinen steigenden Fahrgastzahlen" werde so aufs Spiel gesetzt "und eine zunehmende Belastung von Mensch und Umwelt mit Klimagasen, Verkehrslärm und Feinstaub billigend in Kauf genommen".

Nach Auffassung der Bahn-Gewerkschaft Transnet sind die beschlossenen Kürzungen von rund 1,8 Milliarden Euro "dramatisch". Dieser Beschluss führe "zu einer Demontage des Öffentlichen Personennahverkehrs".

Die Gewerkschaft wies darauf hin, dass mehrere Verkehrsverbünde für den Fall einer Kürzung der Regionalisierungsmittel bereits Einschnitte im Leistungsangebot sowie Fahrpreiserhöhungen angekündigt hätten. Nach Berechnungen von Transnet sollen jetzt mehrere Tausend Arbeitsplätze im Nahverkehr bedroht sein. Zugleich würden Kunden wieder dazu ermutigt, auf das Auto umzusteigen.