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"Medien entscheiden nicht über Mandatsverzicht"

Verfassungsordnung

Mit einer harrschen Kritik an den Medien reagierte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) auf die heftige Kritik an der Doppelfunktion des CDU-Politikers Norbert Röttgen als Abgeordneter des Deutschen Bundestages und künftiger Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Die ehemaligen BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel und Michael Rogowski hatten zuvor einen "Offenen Brief" in der "Bild"-Zeitung abdrucken lassen. Darin fordern sie BDI-Chef Jürgen Thumann auf, Röttgen zum Verzicht auf sein Bundestagsmandat zu bewegen. Unter anderem hatte auch die Vizepräsidentin des Bundestages, Katrin Göring-Eckardt (Grüne), Röttgen aufgefordert, sein Abgeordnetenmandat niederzulegen. Bundestagspräsident Lammert sagte dazu, ein gewählter Parlamentarier könne nur selbst auf sein Mandat verzichten. "Über die vorzeitige Niederlegung eines Mandats haben nach unserer Verfassungsordnung weder das Präsidium des Deutschen Bundestages noch die Fraktions- oder Parteiführungen und auch nicht die Medien zu entscheiden." Lammert ist sonst nicht bekannt dafür, Parlamentarier vor den Zwängen der Fraktionsführungen oder der Industrie zu schützen.

Der CDU-Politiker Norbert Röttgen war am 19. Juni von Präsidium und Vorstand des BDI zum Hauptgeschäftsführer berufen worden. Er will zwar im Herbst nicht mehr als Fraktionsgeschäftsführer der Unions kandidieren, sein Bundestagsmandat aber bis 2009 behalten. Röttgen soll am 1. Januar 2007 Ludolf von Wartenberg ablösen, der aus Altersgründen aus seinem Amt scheidet. Wartenberg war seit Anfang 1990 in dieser Funktion. Sein Bundestagsmandat legte er damals im selben Jahr nieder.

Einen solchen Schritt fordern Henkel und Rogowski nun auch von Röttgen. In dem offenen Brief warnen sie vor "unlösbaren Interessenkonflikten" für Röttgen und einer "dramatischen Beeinträchtigung" der Glaubwürdigkeit, des Rufs und des Einflusses des BDI. Der Verband habe immer eine "klare Linie" gegenüber den Parteien gezogen. Diese Linie sei nun "akut gefährdet".

Das Amt des BDI-Hauptgeschäftsführers erfordere zudem "vollen Einsatz", schreiben die Ex-BDI-Chefs. "Entweder er organisiert seine Arbeit im BDI nach den Erfordernissen des Sitzungskalenders des Deutschen Bundestages, oder er vernachlässigt sein Mandat. Weder das eine noch das andere ist akzeptabel."

Der ehemalige Verfassungsrichter Mahrenholz forderte Röttgen sogar zum sofortigen Mandatsverzicht auf. "Herr Röttgen kann nicht mehr glaubhaft nach außen vertreten, dass er unabhängig ist", meint Mahrenholz. Er warnte Röttgen, das in der Öffentlichkeit schon schwache Bild von Politikern nicht noch weiter zu beschädigen.

Auch innerhalb des BDI wird Kritik an dem CDU-Politiker laut. "Es wäre sicher besser, wenn Herr Röttgen auf das Mandat verzichten würde," sagte BDI-Vizepräsident Diether Klingelnberg. Ihm stelle sich auch die Frage, "ob der BDI nicht zu nah an der CDU ist".

Vorsichtiges Verständnis für die Kritik an Röttgen äußerte auch Präsidiumsmitglied Jürgen Heraeus. "Da kann man unterschiedlicher Meinung sein", sagte der Unternehmer. Keinerlei Verständnis habe er allerdings für die Art und Weise, wie die beiden früheren Verbandspräsidenten diese in die Öffentlichkeit getragen hätten.

Auch der Vorsitzende des Landesverbands der Industrie (LVI), Baden-Württemberg, Hans-Eberhard Koch, schloss sich den Forderungen an Röttgen an. "Ich habe in dieser Frage eine ganz klare Position", sagte Koch, der auch Mitglied im BDI-Präsidium ist. "Röttgen muss aus dem Bundestag ausscheiden." Das Amt als Abgeordneter sei mit dem eines Hauptgeschäftsführers des BDI nicht vereinbar.