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Deutscher Juristentag befasst sich mit Sterbebegleitung

"Tötung auf Verlangen"

Mit dem Thema Sterbebegleitung befasst sich ab heute in Stuttgart der 66. Deutsche Juristentag. Den Juristen liegt ein Gutachten von Professor Torsten Verrel (Bonn) vor, in dem eine Klarstellung der Fälle zulässiger Sterbebegleitung im Strafgesetzbuch gefordert wird. Verrel lehnt laut Pressemitteilung des Juristentages allerdings "die neuerdings wieder zur Diskussion gestellte Aufhebung des Verbots der Tötung auf Verlangen" ab.

Laut Verrel sind die bei Ärzten und Angehörigen zum Ausdruck kommenden und neuerdings sogar bei Vormundschaftsrichtern festzustellenden Schwierigkeiten unübersehbar, sich in der strafrechtlichen Sterbehilfekasuistik (noch) zu Recht zu finden. Die Gründe hierfür reichten von der Missverständlichkeit der herkömmlichen, zwischen "aktiver", "passiver" und "indirekter" Sterbehilfe unterscheidenden Terminologie, über die verwirrende Vielfalt dogmatischer (Behelfs-)Konstruktionen zur Begrenzung des scheinbar absoluten strafrechtlichen Tötungsverbots bis hin zu den Irritationen über die Maßgeblichkeit des Patientenwillens, die durch neuere Entscheidungen von Zivilgerichten ausgelöst wurden. Vor diesem Hintergrund und der Furcht vieler Ärzte und Pflegekräfte vor einem existenzbedrohenden Strafverfahren für Behandlungsentscheidungen sei eine Klarstellung des Gesetzgebers erforderlich.

Gesetzgeber soll Hindernisse für eine effektive Leidensminderung beseitigen"

So sieht es auch die Vorlage für den Juristentag vor. In den "Thesen" der Gutachter und Referenten heißt es, es sei "Aufgabe des Gesetzgebers", die Tötungsdelikte und das in ihnen scheinbar ausnahmslos zum Ausdruck kommende strafrechtliche Lebensschutzgebot an das durch den medizinischen Fortschritt entstandene Bedürfnis für eine Begrenzung lebenserhaltender Maßnahmen anzupassen und "Hindernisse für eine effektive Leidensminderung zu beseitigen".

Für eine "Relativierung des Verbots der Tötung auf Verlangen" bestehe kein Bedürfnis, "wenn der Rahmen erlaubter Sterbebegleitung dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten Entfaltungsraum lässt und effektive Leidensminderung ermöglicht", heißt es zweischneidig in den Thesen. "In denkbaren Extremfällen nicht anders als durch die Tötung des Kranken zu beendender oder zu lindernder schwerster Leiden ist es Aufgabe der Rechtsprechung, eine gerechte Einzelfallentscheidung unter Heranziehung der Grundsätze des rechtfertigenden Notstands zu treffen."

Eine abstrakt generelle Ausnahmeregelung nach niederländischem Vorbild empfehle sich wegen der nicht auszuschließenden "Gefahr eines Nachlassens in dem Bemühen um eine medizinische, pflegerische Versorgung und emotionale Unterstützung des Kranken, aber auch wegen sichtbar gewordener Ausweitungstendenzen nicht".

"Verbindlichkeit von Patientenverfügungen"

Die im Zivilrecht "grundsätzlich nicht mehr bestrittene Verbindlichkeit von Patientenverfügungen" sollte nach Auffassung des Gutachters "auch im Strafrecht ausdrückliche Anerkennung als eigenständige Legitimationsgrundlage für Behandlungsbegrenzungen finden".

Verbindlichkeitsvoraussetzungen seien "Eindeutigkeit" und "Situationsbezogenheit", das Fehlen "konkreter Anhaltspunkte für Willensmängel und zwischenzeitliche Willensänderungen" sowie die Einhaltung der Schrift­form, nicht aber der Nachweis einer allerdings wünschenswerten ärztlichen Aufklärung. Verrel plädiert allerdings nicht für eine "Begrenzung der Reichweite auf irreversibel tödlich verlaufende Grunderkrankungen".

"Objektive Kriterien" und "Dokumentation"

Um den "Missbrauchsgefahren leidensmindernder Medikationen" entgegenzuwirken und eine auch forensisch darstellbare Unterscheidung von der Tötung auf Verlangen zu gewährleisten, sollte die Straffreiheit nicht nur von der "subjektiven Voraussetzung" einer fehlenden Tötungsintention abhängig gemacht werden, meint der Jurist und setzt auf die Objektivität der medizinischen Diagnose: So sollte die Straffreiheit zusätzlich von den "objektiven Kriterien der medizinischen Indikation und der Einhaltung der Regeln der medizinischen Wissenschaft"­ abhängig gemacht werden. Außerdem sei eine "bußgeldbewehrte Verpflichtung zur Dokumentation" des Behandlungsverlaufs vorzusehen.

Um einer Kommerzialisierung der Suizidbeihilfe zu begegnen, empfiehlt sich laut Verrel zudem die Einführung eines neuen Straftatbestands der "Mitwirkung am Suizid aus Gewinnsucht".