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EU nimmt angeblich ehemalige Kolonien in die Mangel

Freihandels-Abkommen

Nach Darstellung der Hilfsorganisation Oxfam rücken bilaterale und regionale Freihandelsabkommen stärker in den Mittelpunkt der europäischen Handelspolitik, nachdem die WTO-Verhandlungen vorläufig gescheitert sind. "Die Erschließung neuer Absatzmärkte in Asien steht ganz oben auf der Agenda, so Oxfam. Weniger öffentliche Beachtung fänden die Verhandlungen der EU für Freihandelsabkommen mit 74 Ländern aus Afrika, der Karibik und dem Pazifik - den so genannten AKP-Ländern -, die jetzt in eine entscheidende Phase gingen. "Einige der ärmsten Länder der Welt sollen gemäß den Freihandelsvorschlägen der EU-Kommission in den direkten Wettbewerb mit den am weitesten entwickelten industriellen Volkswirtschaften treten", kritisiert die Organisation.

Die EU pflegt laut Oxfam mit ihren ehemaligen Kolonien im afrikanischen, karibischen und pazifischen Raum "besondere Beziehungen". Diese seien seit den 1960er Jahren in einer Reihe von Verträgen geregelt, die zuletzt im Jahr 2000 in Cotonou (Benin) erneuert worden seien. "Das Cotonou-Abkommen definiert die Beziehungen zwischen der EU und den AKP-Staaten bis 2020. Es ist stark auf Entwicklungszusammenarbeit ausgerichtet, sieht aber auch den Ausbau handelspolitischer Maßnahmen durch den Abschluss umfangreicher Freihandelsabkommen bis Ende 2007 vor."

Für die AKP-Länder stehe jetzt die "wirtschaftliche Zukunft auf dem Spiel". Die EU sei ihr wichtigster Handelspartner. 41 Prozent der AKP-Exporte gehen laut Oxfam in die EU. Die Organisation sieht "die Gefahr, dass hier ein Handelsregime entsteht, das weit über die WTO-Verpflichtungen hinausgeht". Es zeichne sich ab, dass die EU "ihre wirtschaftliche und politische Macht" einsetze, "um den schwächeren AKP-Ländern ihre Regeln zu diktieren". Mit dem ursprünglichen Partnerschaftsgedanken von Lomé habe das "nichts mehr zu tun".

Die Verhandlungen über Freihandelsabkommen der EU mit den in sechs regionale Gruppen unterteilten AKP-Staaten laufen den Angaben zufolge seit 2002. Ziel sei es, zwischen der EU und den sechs AKP-Gruppen "Handelsregeln zu vereinbaren, die mit den Bestimmungen der Welthandelsorganisation WTO übereinstimmen", da die bisher von der EU einseitig gewährten Handelspräferenzen gegen derzeitiges "WTO-Recht" verstießen. In den Freihandelsabkommen sollen diese einseitigen Präferenzen jetzt offenbar durch gegenseitige "Liberalisierungsverpflichtungen" ersetzt werden, die 90 Prozent des Handels umfassen sollen.

Nach Einschätzung von Oxfam "unterstützen die Freihandelsabkommen in der von der EU vorgegebenen Form nicht die Entwicklungsinteressen der AKP-Staaten, sondern unterlaufen sie". Die Verhandlungen überforderten die Kapazitäten der AKP-Staaten, die gleichzeitig auch noch auf multilateraler und regionaler Ebene Verhandlungen führen müssten. Außerdem gingen die Forderungen der EU nach erweitertem Marktzugang in den AKP-Staaten und der Aufnahme von "Verhandlungsthemen", die von den AKP-Staaten in multilateralen Verhandlungen stets zurückgewiesen worden seien, "viel zu weit". Damit verfolge die EU einen Verhandlungskurs, der die Interessen der Entwicklungsländer zu wenig berücksichtige.

Die praktischen Folgen der Freihandelsabkommen schildert Oxfam am Beispiel einer Afrikanerin so: "Ich komme aus einem kleinen Fischerdorf in Ghana. Meine Familie hat ihren Lebensunterhalt mit der Fischerei verdient, aber die Fischerei ist unmöglich geworden, seitdem größere europäische Fischereiflotten gekommen sind und unsere Meere leer gefischt haben. Ähnliches ist bei Geflügel passiert. Importe von tief gekühlten Hähnchenflügeln aus der EU haben den lokalen Markt zerstört .. EPAs sind Freihandelsabkommen, und als solche bringen sie Afrika Armut."

Die EU selbst sieht das Problem offenbar ganz genau so: "Unsere Erfahrung zeigt uns, dass Freihandelsabkommen zwischen einem großen Markt wie der EU und kleinen Volkswirtschaften nicht unbedingt wirtschaftlich nachhaltig sind, und leicht zu einem Defizit seitens des schwächeren Partners führen."

Laut Oxfam sind zwar die Verhandlungen der Doha-"Entwicklungs"-Runde der WTO ins Stocken geraten, doch die ärmsten Länder der Welt stünden "weiterhin unter dem Druck, ihre Märkte zu öffnen". Die Verhandlungen hätten den Handel angeblich "fair gestalten" sollen, doch seien sie von den USA und der EU blockiert worden, die nicht gewillt seien, "die für sie profitablen Regeln zu verändern und ihre Doppelmoral abzulegen".

Bei den Verhandlungen mit den AKP-Staaten sei das Problem, dass beispielsweise Unternehmen der Stadt London mehr an "Sondervergütungen für ihre Topmanager" zahlten als Europa an Aufwendungen für den Kauf von Produkten aus der gesamten AKP-Region. Dennoch deuteten alle Zeichen darauf hin, "dass Europa in diesen Verhandlungen einen harten Kurs fährt und dem wirtschaftlichen Eigennutz eine höhere Priorität einräumt als Entwicklungserfordernissen".

Mit den Freihandelsabkommen sollen laut Oxfam Bauern und Produzenten in vielen der ärmsten Länder der Welt gezwungen werden, "in direkten und unfairen Wettbewerb mit effizienten und hoch subventionierten EU-Produzenten zu treten". Die AKP-Regierungen würden beträchtliche Rückgänge ihrer Staatseinnahmen haben, "sowie wichtige Politikinstrumente zur Förderung der ökonomischen und sozialen Entwicklung verlieren", meint die Hilfsorganisation.