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Kabinett beschloss Gesundheitsreform

Abbau von "Überversorgung"

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) beschlossen. Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates und soll im Wesentlichen am 1. April 2007 in Kraft treten. Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt sprach von "einem der wichtigsten Reformvorhaben der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode". Mit dem Gesetzentwurf werden laut Schmidt vier Reformen auf den Weg gebracht: eine Strukturreform, eine Organisationsreform, die Neuordnung der Finanzierung und eine Reform der privaten Krankenversicherung. Mit vielem werde Neuland beschritten, so bei den Wahlmöglichkeiten für die Versicherten, dem Wettbewerb innerhalb der Krankenkassen, der Honorierung der Ärzte, der neuen Finanzierung und in der Ausgestaltung der Privatversicherung.

Gleichzeitig würden die 2004 eingeleiteten Veränderungen in der gesundheitlichen Versorgung fortgesetzt: mit der Förderung der Hausarztversorgung, der integrierten Versorgung, der besseren Zusammenarbeit der Leistungserbringer und der Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung.

Schmidt: "Überversorgung" - "Gesundheitswirtschaft"

"Mit der Neuordnung der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung durch den Gesundheitsfonds werden die Finanzströme transparent und die Krankenkassen erhalten erstmalig einen gerechten Ausgleich für besondere Belastungen durch höhere Ausgaben für kranke Menschen und für geringere Einnahmen, wenn sie zum Beispiel viele Arbeitslose versichern". sp Schmidt. Der ungesunde Wettbewerb um günstige Versicherte, also gutverdienende und gesunde, lohnt sich nach Darstellung der Ministerin dann künftig nicht mehr. Die Versicherten können angeblich auf einen Blick erkennen, wie gut ihre Krankenkasse arbeite, behauptete die Ministerin.

Die neue Gesundheitsversicherung sorge dafür, dass "Überversorgung" abgebaut werde. Außerdem würden Versorgungslücken geschlossen und sichergestellt, dass "die Gesundheitswirtschaft" mit ihren 4,2 Millionen Beschäftigten "ein Wachstumsbereich" bleibe.

Ernst: Ende der solidarischen Krankenversicherung

"Das Kabinett hat den Koalitionsmurks zum Gesetzentwurf erhoben", kritisierte der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Klaus Ernst. Wohl noch nie sei ein Gesetz derartig massiv von allen Seiten kritisiert worden wie diese Gesundheitsreform. Sie löse weder die Finanzprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung noch sorge sie für Transparenz und "Zurückdrängung der Lobbyinteressen". Die Gesundheitsreform sei im Gegenteil "ein einziger großer Knicks vor den Interessen der Privatkrankenversicherung und der Pharmaindustrie auf Kosten der gesetzlich Versicherten und Patienten".

Diese Gesundheitsreform sei das Ende der solidarischen Krankenversicherung, so Ernst. "Den Versicherten drohen höhere Beiträge, die sie zunehmend allein zu tragen haben. Den Patienten drohen geringere Leistungen, wenn ihnen das Geld fehlt, sich zusätzlich privat abzusichern."

Nach der Zustimmung zur Mehrwertsteuererhöhung "bricht die SPD mit der Gesundheitsreform ihr zweites zentrales Wahlversprechen: Statt Bürgerversicherung kommt nun die kleine Kopfpauschale", so Ernst. Die Linke wolle zusammen mit Verbänden und Gewerkschaften innerhalb und außerhalb des Parlaments darum kämpfen, "dass dieses Gesetz keine Mehrheit erhält".

Bahr: "Blankes Entsetzen" bei Kollegen aus der Großen Koalition

Nach Ansicht des gesundheitspolitischen Sprechers der FDP-Fraktion, Daniel Bahr, sind sich viele in der Union noch nicht "der Dramatik der Beschlüsse" bewusst. Dies habe unter anderem auch eine Expertenanhörung im Bundestag am Montag ergeben, so Bahr mit dem Verweis, dass er das "blanke Entsetzen" bei Kollegen aus der Großen Koalition feststellen konnte.

So sei bei der Ausschusssitzung klar geworden, dass es schon im kommenden Jahr zu einer massiven Beitragserhöhung komme, wenn die vorgesehene Entschuldungsregelung für die gesetzlichen Krankenkassen so umgesetzt würden wie vorgesehen. "Die FDP fühlt sich durch die Anhörung bestätigt, dass die Koalition Wettbewerb und Solidarität unter Krankenkassen aushebeln will", so Bahr. "Allein für die AOKen droht insgesamt ein Anstieg von im Westen 1,7 bis 1,9 Prozentpunkten und im Osten 2,7 bis 2,9 Prozentpunkten. Die Bundesgesundheitsministerin wird nun von ihren eigenen vollmundigen Beitragssenkungsversprechen eingeholt", kritisiert der Politiker.

FDP-Chef Guido Westerwelle führte den ehemaligen Bundeskanzler "als Kronzeugen" gegen den von Schwarz-Rot geplanten Gesundheitsfonds an. So habe Gerhard Schröder in seinem neuen Buch den Fonds als "Bürokratiemonster" kritisiert.

Kauder: Breites Vertrauen in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Auch in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion trifft die Gesundheitsreform nicht auf ungeteilte Zustimmung, wenn auch eine große Mehrheit der Einbringung in das parlamentarische Verfahren zugestimmt hat. Unions-Fraktionschef Volker Kauder betonte, unter den CDU/CSU-Abgeordneten habe die Zustimmung "an die 90 Prozent betragen". Mit diesem "breiten Vertrauen" im Rücken könnten nun die parlamentarischen Beratungen beginnen.

Vor der Abstimmung hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich um Zustimmung geworben. Der Kompromiss trage in weiten Teilen die Handschrift der Union, hatte die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende betont.

Winkler: Diese Pläne dürfen nicht umgesetzt werden

Der Sozial- und Wohlfahrtsverband Volkssolidarität bleibt bei seiner "grundsätzlichen Kritik" an den Plänen für eine Reform des Gesundheitswesens. "Daran ändern auch nichts die inzwischen vorgelegten Änderungen bei den Zusatzbeiträgen. Es bleibt dabei: Diese Pläne dürfen nicht umgesetzt werden", so Verbands-Präsident Professor Gunnar Winkler. Nun sei der Bundestag gefordert.

Winkler verwies auf das in der vergangenen Woche gemeinsam von Volkssolidarität und Sozialverband Deutschland (SoVD) vorgestellte Gutachten von Dr. Klaus Jacobs zu den Reformvorhaben. Das mache deutlich, "dass eine schlechtere Versorgung der Patienten und ein ungleicher Wettbewerb zwischen den Krankenkassen drohen". Das Gutachten weise ebenso nach, dass keines der Finanzierungsprobleme des Gesundheitswesens gelöst werde.

"Bis heute hat die Koalition nichts an der sozialen Schieflage der Reformpläne geändert", so Winkler. "Die Große Koalition belastet einseitig die Versicherten und Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung." Die nun vorgesehene Befreiung vom Zusatzbeitrag für Rentner und Sozialhilfebezieher veränderten daran nichts grundsätzlich. Unverständlich sei, warum Bezieher von Arbeitslosengeld II nicht einbezogen werden sollten und diese nur die Krankenkasse wechseln dürften.

"Es bleibt nicht nachvollziehbar, warum die Ablehnung von Fachleuten und das mehrheitliche Nein der Bürger zu den Reformplänen von der Bundesregierung ignoriert wird", so Winkler. Das lasse nur den Schluss zu, dass nicht die Interessen der Bürger als Versicherte und Patienten im Mittelpunkt stünden. "Der Koalitionsfrieden und die Interessen großer Lobbygruppen scheinen wichtiger zu sein als die Kernfragen gesundheitlicher Versorgung und eine solidarische Krankenversicherung."