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Schaar wirft Bundeskriminalamt und Bundespolizei Rechtsverstöße vor

"Erfassung der gesamten Bevölkerung"

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, hat dem Deutschen Bundestag am 24. April seinen Tätigkeitsbericht für den Zeitraum 2005/2006 vorgelegt. Schaar beklagt, dass von den vielen Problemstellungen "nur ein kleiner Teil von der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen wird". Immer mehr personenbezogene Daten würden in immer mehr Lebensbereichen erfasst. "Ob wir mit Kunden- und Kreditkarten einkaufen, im Internet surfen, telefonieren oder uns einfach nur in videoüberwachten Bereichen bewegen, die Datenflut ist so groß wie noch nie", so Schaar. Das Datenschutzrecht habe jedoch nicht mit dieser Entwicklung Schritt gehalten. Dem Bundeskriminalamt und der Bundespolizei wirft Schaar Rechtsverstöße vor. Sie hätten eine große Zahl von Daten "unzulässig übermittelt".

So habe er bei dem im Dezember 2004 in Berlin neu errichteten "Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) bei einer im Oktober 2005 durchgeführten Kontrolle "schwerwiegende datenschutzrechtliche Verstöße" festgestellt. Bundeskriminalamt und Bundespolizei hätten "eine Vielzahl personenbezogener Daten an das Bundesamt für Verfassungsschutz unzulässig übermittelt", so Schaar. "Ich habe diese Verstöße gemäß Paragraph 25 Bundesdatenschutzgesetz beanstandet."

"Tiefe Einschnitte" durch Gesetze zur Terrorismusbekämpfung In dem Datenschutzbericht wird insbesondere "der umfassende Ausbau der Sicherheitsinfrastruktur von Bund und Ländern" kritisiert. Von zentraler Bedeutung sei das so genannte Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz sowie die Anti-Terror-Datei. "Bei der Zusammenarbeit zwischen Polizei und Nachrichtendiensten ist das verfassungsrechtliche Trennungsgebot zu beachten", so Schaar. "Ich habe Zweifel, dass dieser Vorgabe bei der Errichtung der Anti-Terror-Datei hinreichend Rechnung getragen wurde. Die Datei beschränkt sich nicht auf eine reine Indexfunktion, sondern führt umfangreiche polizeiliche und nachrichtendienstliche Erkenntnisse zusammen."

Der Datenschutzbeauftragte beanstandete erneut, dass die Wirklichkeit anders aussehe als es in der politischen Diskussion zuvor benannt würde: "Bei der Aufnahme des Wirkbetriebs am 31. März 2007 wurden bereits Daten von mehr als 13.000 Betroffenen in der Anti-Terror-Datei erfasst, also nicht nur die in der Diskussion angeführten rund hundert Gefährder."

Mit dem Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz könnten die Nachrichtendienste des Bundes nunmehr unter wesentlich erleichterten Voraussetzungen umfängliche Auskünfte bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistern, Luftverkehrsgesellschaften sowie Post- und Telekommunikationsunternehmen einholen, bemängelt Schaar.

Online-Durchsuchung

Online-Durchsuchungen von Computern können nach Auffassung des Bundesdatenschützers "unverhältnismäßig tief" in das Grundrecht nach Unverletzlichkeit der Wohnung und in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Computer-Nutzer eingreifen. "Durch die Maßnahme können auch höchst private Inhalte erfasst werden."

Von diesen Maßnahmen werde zudem der Betroffene in der Regel nicht unterrichtet, was seine Rechtsschutzmöglichkeiten stark einschränkt. "Angesichts der verfassungsrechtlichen Bedenken und aus meiner Sicht unlösbaren praktischen Fragen sollte das Projekt Online-Durchsuchungen aufgegeben werden", fordert Schaar.

Biometrische Daten in Reisepässen

Seit dem 1. November 2005 wird laut Schaar das digitalisierte Passfoto im Biometriechip des ePasses gespeichert. Inzwischen seien bereits knapp drei Millionen ePässe mit digitalisiertem Lichtbild im Chip ausgegeben worden. Zusätzlich sollten nun auch die digitalisierten Abdrücke der Zeigefinger gespeichert werden.

"Besonders besorgt sehe ich den vorgesehenen Online-Zugriff der Polizei auf die digitalisierten Passbilder", so Schaar. "Damit würden letztlich die über 5.000 kommunalen Register zusammengeschaltet, und es entstünde faktisch eine - virtuelle - Referenzdatei biometrischer Daten, die der Deutsche Bundestag ausdrücklich verhindern wollte. Für verfassungsrechtlich bedenklich hielte ich es auch, die Fingerabdrücke aller Pass- und Personalausweisinhaber in Dateien zu erfassen, denn dies käme der unterschiedslosen erkennungsdienstlichen Erfassung der gesamten Bevölkerung auf Vorrat gleich."

Mautdaten

Dem Konzept der Mauterhebung "mit seiner umfangreichen Datenerfassung" habe der Gesetzgeber "seinerzeit unter der Voraussetzung einer strikten Zweckbindung dieser Daten nur für Mautzwecke zugestimmt", so Schaar. Nach mehreren Kapitalverbrechen, in die Fahrer schwerer Lastwagen verwickelt gewesen seien, sei aber die gesetzliche Zweckbindung der Mautdaten in Frage gestellt worden. "Ich habe hier eine sorgfältige Verhältnismäßigkeitsprüfung angemahnt", so Schaar.

"Nur wenn der Nachweis geführt werden kann, dass die Mautdaten überhaupt für Strafverfolgungszwecke geeignet sind, hielte ich eine Verwendung für bestimmte sehr schwere Delikte für vertretbar."

Ein erster Entwurf der Bundesregierung sehe nun aber vor, die Verarbeitung und Nutzung der Mautdaten "auch zur Verfolgung von Straftaten von erheblicher Bedeutung oder zur Gefahrenabwehr zuzulassen. Damit würde sich die Befürchtung bestätigen, dass die Lockerung der Zweckbindung letztlich zu einer unverhältnismäßigen Datennutzung führt."

Speicherung von EU-Bürgern im Ausländerzentralregister

Für problematisch hält Schaar auch "die generelle Speicherung personenbezogener Daten ausländischer Unionsbürger im Ausländerzentralregister (AZR)", die nach einem Gesetzentwurf zur Umsetzung von EU-Recht zukünftig auch Lichtbilder umfassen solle.

Bislang sei nicht hinreichend begründet worden, warum es einer solchen "unterschiedslosen Datenspeicherung" bedürfe. "Die von mir vorgeschlagene Begrenzung auf bestimmte Speicheranlässe - zum Beispiel Ausweisungen, Abschiebungen, Einreisebedenken - wurde vom Bundesinnenministerium nicht übernommen", so Schaar. "In der generellen Speicherung von Daten ausländischer Unionsbürger sehe ich zudem einen Verstoß gegen das Europarecht. Ich gehe davon aus, dass die Europäische Kommission Deutschland in dieser Sache vor dem EuGH verklagen wird."

SWIFT

Seit 2001 haben US-Behörden nach Angaben des Datenschutzbeauftragten Zugang zu den Zahlungsverkehrsdaten von SWIFT (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication). Auch hierbei gehe es um eine Auswertung der Daten "im Rahmen der Bekämpfung des Terrorismus". Alle grenzüberschreitenden Überweisungen und nationalen Eilzahlungen würden über SWIFT abgewickelt, das die Überweisungsdaten in Rechenzentren in Europa und in den USA speichere. Hierzu gehören laut Schaar auch Überweisungsdaten innerhalb Europas.

"Die deutschen und europäischen Datenschutzgremien haben die Praxis von SWIFT für unzulässig erklärt und sowohl SWIFT als auch die Banken aufgefordert, die Datenschutzmängel abzustellen", so Schaar.

Schaar: Untätigkeit der Bundesregierung trotz Aufforderung durch Bundestag

Der Datenschützer wirft der Bundesregierung Untätigkeit vor: "Leider hat es die Bundesregierung in den letzten Jahren versäumt, hier initiativ zu werden. So stehen gesetzliche Regelungen zu Genomanalysen und zum Arbeitnehmerdatenschutz seit langem aus, obwohl der Deutsche Bundestag die Bundesregierung wiederholt und einstimmig aufgefordert hat, hierzu Entwürfe vorzulegen."

Eine der wichtigsten Aufgaben des demokratischen Rechtsstaates ist es nach Auffassung von Schaar, die Freiheitsrechte seiner Bürger zu schützen. "In der modernen Informationsgesellschaft ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein elementares Bürgerrecht, dessen Bedeutung vor allem angesichts des technologischen Fortschritts ständig zunimmt."