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Bundesregierung gibt heimliche Online-Durchsuchungen zu

Rechtsanwalt Schilys Dienstvorschrift

Bundesverfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst praktizieren offenbar bereits seit zwei Jahren geheime Online-Durchsuchungen. Das gab das Kanzleramt am Mittwoch nach Aussagen von Teilnehmern im Innenausschuss des Bundestags zu. Vertreter der Opposition reagierten mit Empörung und warfen der Bundesregierung Rechtsbruch vor. Unions-Politiker sprachen dagegen von der Notwendigkeit der Ermittlungsmaßnahmen. Nach dem Bericht des Kanzleramts spähen die Geheimdienste seit Juni 2005 verdächtige Computer aus. Sie stützen sich dabei auf eine Dienstvorschrift des damaligen Bundesinnenministers Otto Schily (SPD). Der Bundesgerichtshof hatte heimliche Online-Durchsuchungen durch Ermittlungsbehörden im Februar für unzulässig erklärt, weil es an einer Rechtsgrundlage fehle. Der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl forderte, gegebenenfalls das Grundgesetz zu ändern.

Der Grünen-Sicherheitspolitiker Wolfgang Wieland warf den Geheimdiensten eine "Missachtung des Grundgesetzes" vor und forderte die Bundesregierung auf, "die illegalen Praktiken sofort zu beenden".

Jelpke: Missachtung von Rechtsgrundsätzen

Die Innenexperten der Links-Fraktion, Ulla Jelpke und Jan Korte, sprachen von einer "völlig haltlosen Rechtsgrundlage". Es zeuge "von der Verlogenheit der Bundesregierung, dass sie bislang nach außen hin den Eindruck erweckte, sie suche erst noch nach einer Rechtsgrundlage, aber tatsächlich schon seit zwei Jahren heimliche Online-Durchsuchungen vornehmen lässt", kritisierte Jelpke. Dabei habe der Bundesgerichtshof erst im Januar entschieden, dass derzeit keine Rechtsgrundlage für diese Maßnahmen bestehe. "In ihrer Missachtung von Rechtsgrundsätzen steht die derzeitige Regierung der früheren SPD/Grünen-Regierung offenbar nicht nach."

Die Abgeordnete verwies darauf, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar in dem Vorgehen der Geheimdienste einen Verstoß gegen das vom Grundgesetz garantierte Telekommunikationsgeheimnis und die Unverletzlichkeit der Wohnung sehe. "Dieser Einschätzung schließen wir uns an." Die Bundesregierung wolle Details zu den bisherigen Durchsuchungen nur im Parlamentarischen Kontrollgremium erläutern. "Wir lehnen das ab und fordern die Bundesregierung auf, völlige Transparenz über die bisherigen Rechtsverstöße der Geheimdienste herzustellen. Die Online-Durchsuchungen sind sofort einzustellen", fordert Jelpke.

Piltz: Bundesregierung spricht vom Computer im Garten

Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Gisela Piltz, sagte, eine Dienstanweisung sei "eine unter keinem Gesichtspunkt geeignete Rechtsgrundlage für Eingriffe in die Grundrechte der Bürger". Geradezu empörend sei die Auffassung der Bundesregierung, ein Eingriff in den Schutzbereich der Unverletzlichkeit der Wohnung liege schon gar nicht vor, jedenfalls nicht so lange der Computer "im Garten" stehe. Auch eine Verletzung des Fernmeldegeheimnisses und des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung sehe man nicht.

Piltz forderte die Bundesregierung dringend auf, die Maßnahme zumindest so lange auszusetzen, bis die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu Online-Durchsuchungen vorliege und außerdem die entsprechenden Haushaltsmittel unverzüglich zu sperren.

Uhl: Unbedingt erforderlich - gegebenenfalls das Grundgesetz ändern

Der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), verteidigte Online-Untersuchungen hingegen als "unbedingt erforderlich", da terroristische Straftaten zunehmend per Internet vorbereitet würden. Sie müssten aber auf verfassungsrechtlich tragfähiger Grundlage stehen. Ob eine Dienstvorschrift dies darstelle, sei fraglich.

Nach Darstellung von Uhl wurde die Dienstvorschrift unter Schily erarbeitet und von dem damaligen Innenstaatssekretär Diwell - heute im Bundesjustizministerium - unterzeichnet. "Es ist daher völlig unverständlich, dass die SPD heute den Eindruck erweckt, sie sei gegen Online-Durchsuchungen", so Uhl. "Sie selber hat diese Ermittlungsmethode eingeführt."

Ob eine solche Dienstvorschrift angesichts des gravierenden Eingriffs eine ausreichende Rechtsgrundlage darstellt, ist rechtsstaatlich fraglich, meint Uhl. Es müssten daher unverzüglich die erforderlichen rechtsstaatlichen Voraussetzungen "für die Abwehr von Gefahren" geschaffen werden, "die aus dem Internet insbesondere durch den internationalen Terrorismus drohen", so Uhl.

In diesem Zusammenhang sei zu prüfen, ob und in welchen Fällen bei Online Durchsuchungen ein Eingriff in Artikel 13 vorliege und deshalb gegebenenfalls eine Grundgesetzänderung erforderlich sei.

Papier: Augenmaß bewahren

Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat die Politiker ermahnt, beim Streben nach mehr Sicherheit Augenmaß zu bewahren. Es müsse immer gefragt werden, ob die angestrebte Maßnahme auch wirklich dem Ziel von mehr Sicherheit diene, sagte Papier am 25. April vor Journalisten in Frankfurt. Aufgabe des Staates sei neben dem Schutz der Sicherheit auch die Garantie der Bürgerrechte, so Papier.