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Die Reichweite der Kohle wird angeblich deutlich überschätzt

"183 Millionen statt 24 Milliarden Tonnen Steinkohle"

Ungeachtet der großen Risiken für das Klima soll der Anteil der Kohle an der Energieversorgung vermutlich deutlich ausgeweitet werden. Dieser Weg könnte nach Auffassung der Energy Watch Group, einem Zusammenschluss von Energieforschern und Wirtschaftsexperten, in eine Sackgasse führen. Nach Darstellung der Gruppierung sind die internationalen Statistiken über die Kohlereserven vielfach "veraltet". Eine aktuelle und transparente Datenerhebung sei "dringend notwendig". Möglicherweise werde schon im Jahr 2025 das "Fördermaximum" erreicht.

"Die Statisti­ken suggerieren, dass die Kohle in nachgewiesenen Lagerstätten zu heutigen Markt­preisen verfügbar sei, doch davon kann keine Rede sein", meint Werner Zittel von der Ludwig Bölkow Systemtechnik GmbH, der die Studie bei der Energy Watch Group leitet. "Viele Angaben wurden seit Jahren nicht mehr aktualisiert. Wo dies erfolgte, wurden die Reserven meist nach unten korrigiert teilweise sehr drastisch."

Bundesanstalt für Geowissenschaften soll jahrelang "spekulative Ressourcen" berücksichtigt haben

So habe die Bundesanstalt für Geowissenschaften die deutschen Stein­kohlereserven über Jahrzehnte mit 23 bis 24 Milliarden Tonnen angegeben. Im Jahr 2004 seien sie dann auf 183 Millionen Tonnen herabgestuft worden - "also um 99 Prozent reduziert", so Zittel. "Als Erklärung findet sich die Bemerkung, dass spekulative Ressourcen jetzt nicht mehr berücksichtigt würden."

In der intensiven Diskussion um die Zukunft des deutschen Steinkohlebergbaus spielten diese Daten keinerlei Rolle, obwohl sich damit nach Auffassung von Zittel "die Diskus­sion um einen 'Sockelbergbau' erübrigt".

Auch bei der Braunkohle habe es "dramatische Abwertungen" um mehr als 80 Prozent gegeben. Dies erscheint nicht unerheblich: So sei Deutschland der größte Braunkohleförderer der Welt. Ähnliche Tendenzen, wenn auch nicht ganz so massiv, gebe es zudem beispielsweise in Großbritannien und Polen.

"Ungeachtet dieses Trends wird die Kohle aber vielerorts als Ersatz für Erdöl und Erdgas gehandelt, deren Lagerstätten in den kommenden Jahren deutlich abnehmen werden", kritisiert Zittel. "Diese Hoffnung steht auf wackeligen Beinen." Die Datenlage sei "sehr unsi­cher".

Für einige Staaten wie Vietnam seien die Daten seit 40 Jahren nicht mehr aktua­lisiert worden. Die letzte Aktualisierung der Daten aus China stammten aus dem Jahr 1992. Rund ein Fünftel der damals angegebenen Reserven seien aber im Reich der Mitte bereits ge­fördert worden. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass die chinesische Kohleförderung in den kom­menden zehn Jahren ihren Höhepunkt überschreiten wird", vermutet Zittel.

Nur Indien und Australien hätten in den vergangenen 20 Jahren die Reserven angeho­ben: Indien von 12,6 Milliarden Tonnen (1987) auf 90 Milliarden Tonnen (2005) und Australien von 29 Milliarden Tonnen (1987) auf 38,6 Milliarden Tonnen (2005). Für alle anderen Länder seien die Reserven hingegen im Schnitt um 35 Prozent abgewertet worden.

Insgesamt seien 2005 die weltweit verfügbaren und abbaubaren Steinkohlelager um 15 Prozent geringer eingeschätzt worden als 1987. Bei der Braunkohle zeige sich der gleiche Trend. "Die welt­weit vermuteten Lagerstätten wurden im gleichen Zeitraum um 50 Prozent herabgestuft. Bei heutigem Verbrauch würden die in den Statistiken berichteten Kohlereserven noch für 155 Jahre ausreichen."

"Sechs Staaten teilten sich 85 Prozent der globalen Kohlereserven"

Zittel beschreibt zudem eine geografische Konzentration. Sechs Staaten teilten sich 85 Prozent der globalen Kohlereserven. An der Spitze stünden die USA (2005: 120 Milliarden Tonnen Öläquivalent), es folgten Russland (69 Milliarden Tonnen), Indien (61 Milliarden Tonnen), China (59 Milliarden Tonnen) und weiter abge­schlagen Australien sowie Südafrika.

Wer die meisten Reserven habe, sei aber nicht automatisch die wichtigste Fördernation: So sei China der weltgrößte Kohleförderer (2005: 1,1 Milliarden Tonnen), besitze aber nur halb so große Reserven wie die USA. Die Vereinigten Staaten hätten 2005 rund 576 Millionen Tonnen gefördert, hielten aber 30 Prozent der Weltre­serven. "Die Australier holten 202 Millionen Tonnen aus der Erde, Indien 200 Millionen Tonnen. Rechnet man Südafrika und Russland hinzu, decken diese sechs Staaten rund 80 Prozent der Weltproduktion an Steinkohle ab."

In den Export gingen den Angaben zufolge 2005 "nur deutlich geringere Mengen". Der größte Nettoexporteur war demnach Australien (150 Millionen Tonnen), gefolgt von Indonesien (60 Millionen Tonnen), Südafrika (47 Millionen Tonnen) und Kolumbien (36 Millionen Tonnen). "Auch China und Russland warfen Kohle auf den Weltmarkt. Diese sechs Länder steuern rund 85 Prozent der weltweiten Exporte bei." Zittels Problemanzeige: "China wird in wenigen Jahren als Exporteur ausfallen."

Die Kohlereserven auf dem Papier

Die Kohlereserven der USA reichten - auf dem Papier - für mehr als 200 Jahre. "Dennoch deutet einiges darauf hin, dass dort das Fördermaximum kurz bevorsteht - wenn es nicht schon überschritten wurde", so Zittel. Aufgrund des seit 1990 rückläufigen Anteils von Steinkohle stagniere der Beitrag der heimischen Kohle zur US-amerikanischen Energieversorgung seit 1998 oder sinke sogar. Hochwertige Kohle müsse bereits importiert werden. Es sei wahrscheinlich, "dass die vermuteten Kohlereserven in Montana nie gefördert werden, da der Tagebau dort direkt in Konkurrenz zu den Weideflächen der Farmer steht". Viehzucht sei der wichtigste Wirtschaftszweig dieses Bundesstaates. "In Montana aber liegt bereits die Hälfte der amerikanischen Kohlereserven."

"Geht man nun davon aus, dass die Kohle in den kommenden Jahrzehnten die Förder­rückgänge bei Erdgas und Erdöl auffangen soll", so Zittel, "dann wäre zunächst eine Ausweitung der globalen Förderung um 30 Prozent denkbar." Diese Zunahme müsse vor allem aus Aust­ralien, China, Russland, der Ukraine, Kasachstan und Südafrika kommen. "Danach wird die Förderung konstant bleiben, um ab 2025 kontinuierlich abzufallen."

Zittel: Wenn die Kohle-Sequestrierung marktreif sein sollte, fehlt es an der erforderlichen Kohle

"Damit kommen wir zu einem anderen Schluss als viele Beobachter", so Zittel und kritisiert die neuen Kohletechniken: "Eine Investition in Clean Coal bindet viel Geld und Aufmerksamkeit. Sie wird vor allem dazu dienen, den Bau neuer Kohlekraftwerke in den kommenden zehn bis 15 Jahren zu rechtfertigen. Wenn die so genannte Sequestrierung von Kohlenstoff danach marktreif sein sollte, wird dies irrelevant, weil die emittierenden Kraftwerke bereits gebaut sein werden und ein weiterer Zubau mangels Verfügbarkeit von Kohle nicht mehr erfolgen wird", behauptet der Energiefachmann.