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EU-Defizitverfahren gegen Deutschland eingestellt

Stabilitäts- und Wachstumspakt

Auf Druck von Deutschland hatte die EU einst ein Defizitverfahren eingeführt, nicht ahnend, einmal selbst jahrelang diesem Verfahren ausgesetzt zu sein. Wegen der geringeren Neu-Verschuldung Deutschlands beendete die Kommission jetzt das Verfahren. Es war aufgrund eines übermäßigen Defizits im Januar 2003 eingeleitet worden, nachdem Deutschland für 2002 ein Haushaltsdefizit von 3,7 Prozent gemeldet hatte. Nach den so genannten Maastricht-Kriterien darf das Defizit die Marke von 3,0 Prozent des BIP nicht überschreiten.

Nach der Einstellung des Defizitverfahrens sprachen sich Politiker von Koalition und Opposition für eine weitere Konsolidierung des Staatshaushaltes aus. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) erneuerte am 5. Juni das Ziel, gesamtstaatlich spätestens 2010 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt zu erreichen.

"Wir haben uns im Rahmen des reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakts auf dieses Ziel verpflichtet, und wir werden diese Verpflichtung erfüllen", prognostiziert der Finanzminister.

Laut Eurostat hat Deutschland sein Staatsdefizit, also die Neuverschuldung, von 3,2 Prozent des BIP in 2005 auf 1,7 Prozent im vergangenen Jahr gesenkt, wie das Bundesfinanzministerium mitteilte. Diesen von der Bundesrepublik im April an die EU-Kommission gemeldeten Wert für 2006 habe das Statistische Bundesamt inzwischen auf 1,6 Prozent korrigiert. Nach den Prognosen der Kommission werde das deutsche Defizit weiter sinken, nämlich auf 0,6 Prozent in diesem und 0,3 Prozent im kommenden Jahr.

Steinbrück wertete die Defizitsenkung als "Bestätigung der wirtschafts- und finanzpolitischen Strategie der Bundesregierung". Mit der Einstellung des Verfahrens habe der Ecofin-Rat bestätigt, dass es Deutschland gelungen sei, sein Defizit "glaubwürdig und nachhaltig" unter den Referenzwert von 3,0 Prozent des BIP zurückzuführen.

CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer betonte, Deutschland sei dem Ziel eines ausgeglichenen Gesamthaushaltes "beträchtlich näher gekommen". Allerdings bestehe noch kein Anlass zu "haushaltspolitischer Entwarnung". Die hohen Etatansätze bei den Privatisierungserlösen und sonstigen einmaligen Einnahmen verdeutlichten die strukturellen Probleme im Etat. Daher müsse der Konsolidierungskurs konsequent fortgesetzt werden.

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) wies darauf hin, dass Gesamtschulden von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen laut Stabilitätspakt maximal 60 Prozent des Brutto-Inlandsprodukts (BIP) betragen dürften. Diese Hürde reiße Deutschland mit 67 Prozent allerdings auch in diesem Jahr.

Chefvolkswirt Flassbeck stellt Sparpolitik in Deutschland grundlegend in Frage

Für den Chefvolkswirt der Welthandels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD), Heiner Flassbeck, ist "das Gerede" von Pleite, von Überschuldung und Ähnlichem "glatter und höchst gefährlicher Unfug". Der staatliche Schuldenstand in Deutschland sei erstaunlich gering gegenüber dem riesigen Vermögen des Staates und angesichts des Umstandes, dass allein in diesem Jahr die Schulden des Auslandes gegenüber Deutschland um 120 Milliarden Dollar wüchsen, schrieb Flassbeck im November 2005 in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Rundschau".

Es sei "ein bis ins Absurde verzerrte Bild" der deutschen Wirtschaft und der deutschen Gesellschaft, wenn etwa der Hessische Ministerpräsident sage, das "Unternehmen Deutschland" müsse eigentlich Konkurs anmelden. Die Lage der öffentlichen Haushalte in Deutschland werde völlig falsch beschrieben.

Eine Überschuldung stelle man in der Privatwirtschaft üblicherweise dann fest, wenn die Verbindlichkeiten die Guthaben und das vorhandene Vermögen deutlich überschritten. Das heiße, ein Haushalt und ein Unternehmen gerieten noch lange nicht in Schwierigkeiten, wenn die Nettoschulden stiegen, das Vermögen aber ohne Weiteres ausreiche, den Schuldenstand abzudecken.

Auf den Staat angewendet bedeute das, dass den Gesamtschulden des Staates das Gesamtvermögen des Staates oder gar das der gesamten Gesellschaft, die der Staat ja nur vertrete, gegenübergestellt werden müsse, bevor eine sinnvolle Aussage hinsichtlich Überschuldung gemacht werden könne. Das aber tue niemand, sondern man vergleiche üblicherweise die über viele Jahre aufgelaufenen Schulden des Staates mit dem laufenden Einkommen der gesamten Gesellschaft.

Wie irreführend eine solche Rechnung sei, lässt sich - so Flassbeck - leicht demonstrieren: "Ich habe vor einigen Jahren ein Haus gekauft und mich hoch verschuldet. Mein Schuldenstand liegt noch heute bei weit mehr als 200 Prozent meines jährlichen Einkommens, ohne dass das meine Bank als Problem ansähe. Gerechnet gegenüber meinem Vermögen, das vorwiegend in dem Haus gebunden ist, ist mein Schuldenstand nahe null, da ich es vermeide, zusätzlich zur Hypothek auf das Haus, weitere Schulden zu machen."

Der staatliche Schuldenstand betrage zur Zeit etwa 65 Prozent des Einkommens der Gesamtwirtschaft und etwa 250 Prozent der jährlichen staatlichen Einnahmen. "Das ist erstaunlich wenig", so Flassbeck. Gerechnet gegenüber dem riesigen, aber leider schwer bezifferbaren Vermögen des Staates, sei der öffentliche Schuldenstand "offensichtlich ebenfalls sehr gering".

Flassbeck hält das Gerede von Pleite, von Überschuldung und Ähnlichem für glatten und höchst gefährlichen "Unfug".