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Atomkraftwerk Brunsbüttel II

BUND fordert: Brunsbüttel nach Explosion endgültig schließen

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat von Bundesumweltminister Trittin die Schließung des Atomkraftwerkes Brunsbüttel verlangt. Vor dem heute tagenden Umweltausschuss habe der Bericht des Bundesumweltministers zum Störfall vom 14. Dezember 2001 gravierende Verstöße des Betreibers HEW aufgedeckt.

Am 14. Dezember 2001 war im AKW Brunsbüttel ein Rohr des Reaktordruckbehälter-Sprühsystems geborsten. Grund dafür war wahrscheinlich eine Wasserstoffexplosion. Der Betreiber hatte die Aufsichtsbehörden erst drei Tage später über den Zwischenfall informiert und dabei von einer "Leckage" im Rohrsystem gesprochen. Dem Drängen der schleswig-holsteinischen Aufsichtsbehörden nach einem Herunterfahren des Reaktors hatte sich der Betreiber wochenlang verweigert.

Experten des Bundesumweltministeriums (BMU) sowie Vertreter von TÜV und Landesaufsichtsbehörde haben bei einer Inspektion des Reaktors in Brunsbüttel einen weitaus grösseren Schaden festgestellt, als zuvor angenommen. Der Störfall wird am Vormittag vom BMU im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit bewertet. In einem Greenpeace vorliegenden Bericht aus der Behörde heisst es, dass eine massive Kühlleitung "über eine Länge von 2-3 Metern völlig zerborsten" sei. "Ca. 25 Trümmerstücke lagen im Umkreis der beiden Bruchstellen, d.h. von der Leitung fehlten 2 bis 3m gänzlich." Als Ursache vermutet die Betreiberfirma HEW eine "Wasserstoffexplosion".

Für die Experten des BMU ein Grund zur Sorge: "Wäre die Explosion (...) etwa 3 bis 4 Meter weiter in Richtung Reaktordruckbehälter aufgetreten, so wäre die druckführende Umschliessung partiell zerstört worden." Damit wäre es zu einem Leck im sensibelsten Teil des Reaktors gekommen. Dieser Störfall wirft sowohl nach Ansicht des BMU als auch nach Auffassung der schleswig-holsteinischen Aufsichtsbehörde "sehr komplexe Sicherheitsfragen" auf, die in dieser Form "neu" seien. Das AKW Brunsbüttel ist nach wie vor abgeschaltet.

Die Schwere des Zwischenfalls ist nach Ansicht des BUND über Monate von den HEW vertuscht und die Bevölkerung auf eine unverantwortliche Weise gefährdet worden. Die Hamburgischen Elektrizitätswerke (HEW) hätten vermutlich auf Grund wirtschaftlicher Interessen alles getan, um Aufsichtsbehörden und Öffentlichkeit über den Störfall und dessen Ursache im Unklaren zu lassen.

Erst am 18. Februar war die Anlage dann herunter gefahren und der Bundesumweltminister vom schleswig-holsteinischen Energieministerium über den Störfall informiert worden. Renate Backhaus, Atomexpertin im BUND-Bundesvorstand: "Wenn sich herausstellt, dass wegen der zum Zeitpunkt des Störfalles im Bundesrat anstehenden Verabschiedung der Atomgesetznovelle ein gravierender Störfall in einem Atomkraftwerk vertuscht wurde, ist die Unzuverlässigkeit des Betreibers erwiesen. Die Hamburgischen Elektrizitätswerke haben diesen Störfall herunter gespielt und sich den nötigen Sicherheitsmaßnahmen verweigert. Auf Grund der Gesetzeslage muss ihnen deshalb sofort die Erlaubnis zum Betrieb von Atomanlagen entzogen werden."

Der BUND fordert, die vier Atomkraftwerke der gleichen Baureihe wie das AKW Brunsbüttel (Siedewasserreaktoren der Baureihe 1969) sofort vom Netz zu nehmen und auf ähnliche Schwachstellen im Reaktordruckbehälter-Sprühsystem zu untersuchen. Nach der vom BUND 1999 veröffentlichten Studie "Atomstrom 2000 - sicher, sauber, alles im Griff?" haben alle diese AKWs nicht zu akzeptierende Sicherheitsmängel in diesem Bereich.

Da bisher nicht geklärt ist, wieso im Kühlkreislauf ein explosionsfähiges Wasserstoff/Sauerstoff-Gemisch entstehen konnte, fordert auch das BMU eine Untersuchung in den fünf weiteren deutschen Siedewasserreaktoren Gundremmingen 1 und 2, Philppsburg 1, Krümmel und Isar 1.

Am 27-02-2002

Atomkraft

Das Atomkraftwerk Brunsbüttel geht auf unbestimmte Zeit nicht mehr ans Netz. Zunächst soll die KernkraftwerkBrunsbüttel GmbH als Betreiber der Anlage einen umfassenden Fragenkatalog der Kieler Atomaufsicht beantworten. Schleswig-Holsteins Energieminister Claus Möller sagte, das Wiederanfahren des Reaktors werde erst genehmigt, wenn sämtliche Fragen beantwortet und die Zweifel an der Zuverlässigkeit der Betreiber ausgeräumt seien. Eine Wasserstoffexplosion hatte im Dezember vergangenen Jahres im Sicherheitsbehälter des Reaktors eine Rohrleitung zerfetzt.

Möller sagte, für eine Wiederinbetriebnahme des Kraftwerks müsse zunächst die Schadensursache vollständig aufgeklärt und eine Wiederholung auch für andere Sicherheitsbereiche ausgeschlossen werden. Weitere Auflage sei die Reparatur sämtlicher Schäden und die Überprüfung der betroffenen Systeme. Trotz der schweren Panne am 14. Dezember 2001 hatten die Hamburgischen Electricitätswerke erst nach zwei Monaten einer Inspektion zugestimmt. Am 18. Februar wurde der Reaktor dann vom Netz genommen und heruntergefahren. Am 05. Mär. 2002

Demo am Sonntag

Die Zwischenfälle in den schleswig-holsteinischen Kernkraftwerken Krümmel und Brunsbüttel haben die Debatte um die Sicherheit dieser Technologie neu entfacht. Mehrere Politiker forderten am Freitag die endgültige Abschaltung der Anlagen. Mehrere Anti-Atom-Initiativen aus Norddeutschland riefen für Sonntag, 14 Uhr, zu einer Kundgebung vor dem Atomkraftwerk Krümmel bei Hamburg auf. Unterdessen wurde bekannt, dass es am Donnerstag auch in Brunsbüttel zu einem Brand kam. Die Ursache des Brandes in Krümmel ist weiter unklar.

Wegen der großen Hitzeentwicklung gelang es Experten am Freitag noch nicht, den Brandherd in einem Trafo-Werk auf dem Gelände des Reaktors Krümmel näher zu inspizieren. Dort loderte nach Angaben von Vattenfall-Sprecher Ivo Banek "direkt innerhalb des Trafos noch ein Brandherd". Die Sachverständigen würden am Freitag voraussichtlich nicht mehr an den Brandort gelangen können, hieß es.

"Das Feuer war nur 50 Meter vom Reaktorkern entfernt", sagte Jochen Stay, Sprecher der Anti-Atom-Initiative X-tausendmal quer. Hätte es an anderer Stelle gebrannt, so wäre die Situation möglicherweise nicht mehr zu kontrollieren gewesen, so Stay. "Wir sind nicht bereit, darauf zu warten, bis uns das Restrisiko den Rest gibt."

Skeptisch macht die Atomkraftgegner auch die Informationspolitik des Betreibers Vattenfall. Der Energiekonzern hatte am Donnerstag behauptet, die Vorgänge in Krümmel hätten nichts mit der Schnellabschaltung in Brunsbüttel zu tun. Inzwischen musste Vattenfall einräumen, dass ein Zusammenhang nicht auszuschließen ist. Eine Falschmeldung war es auch, dass das Feuer bereits Donnerstagnachmittag gelöscht worden sei. Noch am Freitag hatte die Feuerwehr nicht alle Brandherde unter Kontrolle.

Vattenfall-Sprecher Johannes Altmeppen sagte, der Brand in Krümmel sei "offensichtlich" durch "einen Kurzschluss" entstanden, wodurch sich das "Kühlöl für die Trafostation" entzündet habe. Er wies Vorwürfe von Greenpeace zurück, wonach sich das Feuer in Krümmel über die Kabel bis in den Reaktorteil hinein hätte ausbreiten können. Diese Gefahr habe zu keinem Zeitpunkt bestanden.

Wie erst am Freitag bekannt wurde, war es nach der durch einen Kurzschluss bedingten Abschaltung im AKW Brunsbüttel am Donnerstag zu einem Schwelbrand an der Turbine gekommen. Durch ein Leck sei Öl ausgetreten und habe sich entzündet. Durch diesen Vorfall habe jedoch keine Gefahr für den Reaktor bestanden, sagte Rudolf Wieland vom TÜV Nord. Beim Herunterfahren des AKW seien zudem Risserweiterungen an Abdeckungen von Rohrleitungen festgestellt worden. Nach Angaben von Vattenfall-Sprecher Banek wurde der Schwelbrand von einem Mitarbeiter gelöscht.

Mit den Schnellabschaltungen in Brunsbüttel und Krümmel sind derzeit fünf der 17 deutschen AKW vom Netz, da Biblis A und B und ein Block in Gundremmingen wegen Reparaturen ebenfalls abgeschaltet sind. "Ohne Atomkraft gehen die Lichter nicht aus. Es gibt genug Überkapazitäten", stellte Dirk Seifert, Energiereferent der Umweltschutzorganisation Robin Wood fest. Mit Blick auf den bevorstehenden Energie-Gipfel am kommen Dienstag in Berlin betonte Seifert: "Die Forderungen der AKW-Betreiber nach Laufzeitverlängerungen für die Altreaktoren sind überflüssig und ein gefährliches Spiel mit dem Feuer".

Schleswig-Holsteins für Reaktoraufsicht zuständige Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) sprach von "Alterungsprozessen, die Gefahrenpotenziale beinhalten". Es werde "immer aufwändiger, die Sicherheit in diesen alten Reaktoren auch wirklich sicherzustellen". Sie gehe davon aus, dass Krümmel längere Zeit vom Netz bleiben werde. Brunsbüttel könne dagegen womöglich recht schnell wieder ans Netz gelangen.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) betonte unterdessen, am Atomausstieg müsse vor allem aus Sicherheitsgründen festgehalten werden. "Mit Krümmel und Brunsbüttel haben wir ja gerade wieder erlebt, dass die deutschen Atomkraftwerke die sichersten der Welt sind, nur gelegentlich brennt's und knallt's mal", sagte der Minister sarkastisch. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer wies eine Laufzeitverlängerung, wie von Unionspolitikern und Kraftwerksbetreibern angestrebt, als "politisch inakzeptabel" zurück.

Am 29-06-2007

"Vattenfall täuscht die Öffentlichkeit"

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) schließt Laufzeitverlängerungen für alte Atommeiler aus. "Nach den jüngsten Ereignissen gehe ich nicht mehr davon aus, dass eine Verlängerung der Restlaufzeiten politisch noch durchsetzbar ist", sagte Carstensen mit Blick auf die Pannenserie in den Atomkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel. Er bedauere diese Entwicklung zwar, habe dies aber nicht zu entscheiden. "Der Zug ist abgefahren." Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW warf dem Atomkraftwerksbetreiber Vattenfall unterdessen vor, die Öffentlichkeit über die tatsächlichen Zusammenhänge der zahlreichen Wasserstoffexplosionen in den Jahren 1987, 1999 und 2001 zu täuschen.

Der Atomkraftwerksbetreiber Vattenfall und das für die Reaktoraufsicht zuständige Kieler Sozialministerium wiesen Berichte über mögliche Zusammenhänge zwischen Wasserstoff-Explosionen in den deutschen Atomkraftwerken Gundremmingen, Krümmel und Brunsbüttel zurück. Es gebe keinen Zusammenhang zwischen den Vorfällen von 1987 und 1999 und der Wasserstoff-Explosion in Brunsbüttel 2001, sagte ein Sprecher des Kieler Ministeriums.

Wörtlich heißt es in einer Stellungnahme von Vattenfall vom 23. Juli: Die Explosion von Radiolysegas im Kernkraftwerk Brunsbüttel im Jahr 2001 stand in keinem Zusammehang mit den vorher aufgetretenen Fällen." Diese Darstellung ist nach Auffassung der IPPNW "nachweislich falsch".

Dies gehe aus einer so genannten "Weiterleitungsnachricht" vom 29. Mai 2002 hervor, die die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) im Auftrag der Bundesregierung erstellt habe. In diesem Papier werde betont, dass die GRS sowohl nach der Explosion in Gundremmingen 1987, als auch nach der Explosion in Krümmel 1987 als auch "zuletzt" nach der Explosion in Brunsbüttel 1999 mit der Weiterleitungsnachricht vom 31. Mai 2000 "auf das Problem der Radiolysegasreaktion in Siedewasserreaktoren hingewiesen" und "entsprechende Empfehlungen" zur Vorsorge gegeben hatte. "Die GRS hat insofern einen klaren Zusammenhang zwischen den Wasserstoffexplosionen 1987, 1999 und 2001 hergestellt", so die IPPNW. "Das zeigt, dass die Behauptung von Vattenfall, es habe keinen Zusammenhang gegeben, schlichtweg falsch ist."

"Gegenmaßnahmen getroffen" - dennoch kam es zu weiteren Explosionen

Die Kieler Atomaufsicht teilte weiterhin mit, dass schon nach den ersten Zwischenfällen Gegenmaßnahmen getroffen worden seien. So seien beispielsweise Katalysatoren eingebaut worden.

Nach Angaben von Vattenfall wurden die Ereignisse von GRS und den Landes-Atomaufsichten sorgfältig ausgewertet. Im Ergebnis seien alle deutschen Siedewasserreaktoren nachgerüstet worden.

Laut IPPNW waren die getroffenen Maßnahmen ganz offensichtlich aber nicht hinreichend, da es nach der Explosion in Gundremmingen sonst nicht in Krümmel 1987 und in Brunsbütel 1999 sowie 2001 zu weiteren Wasserstoffexplosionen hätte kommen können.

Die IPPNW verweist zudem darauf, das auch die GRS in ihrer Weiterleitungsnachricht vom 29. Mai 2002 sehr deutlich gemacht habe, dass die zuvor ergriffenen Vorsorgemaßnahmen nicht umfassend genug gewesen seien. Auch dadurch werde "der eindeutige Zusammenhang zwischen den Ereignissen deutlich", so die Atomkritiker.

GRS: Teilweise waren die vorhandenen Kenntnisse nicht ausreichend

Die GRS sagte am 24. Juli der Nachrichtenagentur AP, man habe seinerzeit darauf hingewiesen, dass von Radiolysegas generell ein Explosionsrisiko ausgehe. "Wenn man weiß, dass Radiolysegas entsteht, muss man alle möglichen Stellen, an denen es sich bilden kann, untersuchen", sagte GRS-Sprecher Peter Butz. Das sei technisch machbar und relativ einfach möglich.

Die interne, nicht für die Öffentlichkeit gedachte Bewertung der GRS nach der gefährlichen Wasserstoffexplosion in Brunsbüttel im Jahr 2001 sah aber offenbar etwas anders aus. Laut IPPNW habe die GRS in ihrer Weiterleitungsnachricht vom 29. Mai 2002 zugegeben, dass man vor der Explosion 2001 nicht wusste, an welchen Stellen sich in Siedewasserreaktoren überall Wasserstoff ansammeln kann. Die GRS wörtlich: "Teilweise waren die vorhandenen Kenntnisse und Kriterien für die Festlegung der zu betrachtenden Bereiche und der erforderlichen Maßnahmen nicht ausreichend."

"Es konnte also zu der gefährlichen Wasserstoffexplosion in der unmittelbaren Umgebung des Reaktordruckbehälters im Jahr 2001 kommen, weil weder die Betreiber noch die Aufsichtsbehörde trotz der vielfachen Warnungen in der Lage waren, eine erneute Ansammlung von Wasserstoff zu verhindern", kritisiert die IPPNW.

Diese "fehlende Fachkunde" auf Seiten der Betreiber von Brunsbüttel und Krümmel, die auch bei vielen anderen Ereignissen zutage getreten sei, müsse zur Konsequenz haben, dass die Betriebsgenehmigungen für diese Atomkraftwerke widerrufen werden. Ein Unternehmen, das trotz vielfacher Warnungen nicht in der Lage sei, eine weitere Wasserstoffexplosion zu verhindern, darf nach Auffassung der IPPNW kein Atomkraftwerk betreiben.

Am 24-07-2007

Blackbox

Die nach Störfällen in den Atomkraftwerken (AKW) Brunsbüttel und Krümmel vom Atomkraftwerksbetreiber Vattenfall eingesetzte Expertenkommission hat keine Einwände gegen einen Weiterbetrieb der beiden Meiler. In ihrem am Dienstag in Hamburg vorgelegten Abschlussbericht kommt die Kommission zu dem Schluss, dass "die organisatorischen und technischen Voraussetzungen für einen sicheren Weiterbetrieb der Kraftwerke gegeben sind". Nach Angaben von Vattenfall-Vorstand Reinhardt Hassa gehen die beiden Kraftwerke dieses Jahr aber nicht mehr ans Netz. Die Umweltschutzorganisation Robin Wood bemängelte die Zusammensetzung der Kommission aus "altgedienten Vertretern der Atomwirtschaft und ihrer Lobby-Verbände". Auch die Kieler Atomaufsicht kritisierte den Bericht. Umweltverbände forderten die endgültige Abschaltung der Meiler.

Kommissionsleiter Adolf Birkhofer - einst Geschäftsführer der atomenergie-freundlichen Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) - sagte, die abgeschalteten AKW entsprächen "in ihrer Konzeption und ihrer sicherheitstechnischen Ausstattung dem modernen Stand jüngerer Kraftwerke". Bei den Störfällen am 28. Juni hätten alle angeforderten Sicherheitseinrichtungen beider Anlagen ordnungsgemäß funktioniert.

Birkhofer gegen Blackbox zur Aufzeichnung von Abläufen wie bei Flugzeugen

Allerdings sei es zu technischen und Kommunikationsproblemen gekommen. Diese könnten durch Änderungen in Technik, Organisation, Management und Schulung künftig vermieden werden.

Die Einführung einer Blackbox zur Aufzeichnung von Abläufen ähnlich wie in Flugzeugen lehnte Birkhofer ab. Dies würde "eher zu Schwierigkeiten führen" und "die Kommunikation nur schwächen". Eine Blackbox stelle keine sicherheitstechnische Verbesserung dar und sei international auch nicht üblich.

Hassa kündigte an, die Empfehlungen der Kommission umzusetzen. Er sagte, dass die Pannen in den Kraftwerken dem Ansehen der Kernenergie in Deutschland geschadet hätten. Die abgeschalteten Meiler verursachen laut Hassa einen täglichen Produktionsausfall von bis zu einer Million Euro.

Trauernicht: Brunsbüttel und Krümmel entsprechen nicht dem "Sicherheitsniveau jüngerer Anlagen

Die für die Reaktoraufsicht zuständige schleswig-holsteinische Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) kritisierte, zu einer ganzen Reihe Empfehlungen bestehe "Konkretisierungs- und Ergänzungsbedarf". "Überhaupt nicht nachvollziehen" lasse sich die Ansicht der Kommission, "nach Umsetzung der Kurzfristmaßnahmen" könnten beide Kernkraftwerke wieder in Betrieb genommen werden. Dabei würden Probleme mit Dübeln oder Risse in Armaturen außer Acht gelassen. Beide Meiler entsprächen auch nicht dem "Sicherheitsniveau jüngerer Anlagen".

Zudem halte sie die "kategorische Ablehnung", eine Blackbox einzuführen, für falsch. Dies wäre ein gutes Instrument, um bei Störfällen rasch und nachvollziehbar wichtige Erkenntnisse zu gewinnen. Es sei unverständlich, warum Bankfilialen per Video überwacht würden oder es Voicerecorder in der Luftfahrt gebe, "ein so sensibler Bereich wie eine Reaktorwarte aber nicht derart überwacht werden kann". Das Ministerium prüfe, ob dies im Zuge einer aufsichtlichen Anordnung durchsetzbar sei.

Die Umweltorganisation Greenpeace bezeichnete den Kommissionsbericht als verantwortungslos. Beide Meiler entsprächen nicht dem Stand der Technik und dürften nicht wieder ans Netz gehen.

Krümmel und Brunsbüttel waren nach Reaktorschnellabschaltungen am 28. Juni vom Netz genommen worden. Der Störfall in Krümmel wird von Atomenergie-Kritikern als sehr ernst eingestuft. Auch die Kieler Atomaufsicht stuft die Störfälle vom 28. Juni als außergewöhnliches Ereignis und damit höher ein als die von Vattenfall eingesetzte Kommission.

Am 06-11-2007

"Verzögerungstaktik"

Auch ein Jahr nach der Schnellabschaltung der schleswig-holsteinischen Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel werden beide Atommeiler auf unbestimmte Zeit weiterhin keinen Strom liefern. Ein Termin für das Wiederanfahren sei derzeit völlig offen, sagte der Geschäftsführer des Betreibers Vattenfall Europe Nuclear Energy, Ernst Michael Züfle, am Montag (16. Juni) in Krümmel. Beim Kieler Sozialministerium als Atomaufsichtsbehörde sei auch noch kein Antrag gestellt.

Grund für die weitere Verzögerung seien umfangreiche Arbeiten an zahlreichen Schwerlastdübeln sowie Risse in Armaturen im Reaktorgebäude, die erst während der laufenden Arbeiten bei der Revision entdeckt worden seien. Züfle musste auf Nachfrage einräumen, dass die ersten schadhaften Armaturen bereits im vorigen August erstmals entdeckt worden seien. Dennoch hatte eine von Vattenfall nach den Abschaltungen vom 28. Juni eigens eingesetzte Expertenkommission nach eigener Einschätzung im Herbst grünes Licht für ein Wiederanfahren gegeben.

Wegen des unsachgemäßen Einbaus der Schwerlastdübel wurden den Angaben zufolge in Krümmel bereits 230 Dübel ausgetauscht, 40 weitere sind nach derzeitigem Erkenntnisstand bis zum Wiederanfahren noch erforderlich. In Brunsbüttel wurden bislang 50 Dübel ausgetauscht, hier sollen noch 300 ersetzt werden.

Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital kritisierte, dass Vattenfall die Kraftwerke im vergangenen Jahr wieder habe anfahren wollen, obwohl die Risse in den Armaturen bereits bekannt gewesen seien. Der Betreiber sei nicht in der Lage, die Risiken seiner eigenen Anlagen und ihrer technischen Probleme einzuschätzen. Die Risse seien keine Einzelfälle, sondern entstünden durch den normalen laufenden Betrieb. Diese Problematik weite sich offenbar zu einer "größeren Geschichte" aus, die möglicherweise alle Kernkraftwerke betreffe.

Der Meiler Krümmel war am 28. Juni 2007 nach dem Brand eines Trafos vom Netz gegangen. Brunsbüttel wurde am selben Tag wegen eines Kurzschlusses in einer Schaltanlage abgeschaltet. Der Stillstand beider Kraftwerke kostet den Betreiber laut Vattenfall-Vorstand Reinhardt Hassa pro Tag zusammen mehr als eine Million Euro Produktionsausfall.

RWE: Wir können den Reaktor in Biblis so fahren ...

Lange Anlagenstillstände können auch den Grund haben, den Abschalttermin von Atomkraftwerken laut Atomgesetz zu verschieben. So sparen die Atomkraftwerksbetreiber "Strommengen", die sie noch erzeugen dürfen. RWE-Chef Jürgen Großmann hatte in einem Interview mit dem Spiegel im Dezember 2007 zugegeben, dass es sich um Anlagenstillstand des Atomkraftwerks Biblis um eine bewusste Verzögerungstaktik gehandelt hat. Großmann hatte eingeräumt, die Restlaufzeit für Biblis A tatsächlich steuern zu können – auch bis über die nächste Bundestagswahl hinaus. Großmann wörtlich zum "Spiegel": "Wir können den Reaktor in Biblis so fahren, dass wir mit den Restlaufzeiten über die nächste Bundestagswahl kommen. Und dann gibt es vielleicht ein anderes Denken in Bevölkerung und Regierung." Damit ist die Hoffnung des Konzerns verknüpft, die endgültige Abschaltung von Deutschlands ältestem Atom-Meiler verhindern zu können. Auch das Atomkraftwerk Neckarwestheim-1 soll angeblich mit gedrosselter Leistung betrieben werden, um den Abschalttermin zu verzögern.

Am 16-06-2008

Keine Laufzeitverlängerung für Biblis A und Brunsbüttel

Das Bundesverwaltungsgericht hat die gesetzliche Regelung zum Atomausstieg in Deutschland bestätigt. Die Leipziger Richter wiesen am Donnerstag (26. März) eine Revisionsklage der Betreiber der Kernkraftwerke Brunsbüttel in Schleswig-Holstein und Biblis A in Hessen zurück, die damit eine Zuteilung aus der Reststrommenge des im Rückbau befindlichen Kernkraftwerks Mülheim-Kärlich erreichen wollten. Damit bestätigten die Richter die beiden Urteile der Vorinstanzen, in den die Atomkraftwerksbetreiber RWE und Vattenfall bereits unterlagen. Die Atomkraftwerksblöcke Biblis A und Brunsbüttel müssen nun nach dem Verbrauch ihrer gesetzlich vorgesehenen Stromkontingente voraussichtlich schließen.

"Es ist ein schmaler Grad zwischen Sieg und Unterliegen", sagte der Vorsitzende Wolfgang Sailer. Das Gericht sei der Ansicht, dass die Reststrommengen von Mülheim-Kärlich nur an die sieben in einer Verordnung festgelegten Kernkraftwerke übertragen werden dürfen. Biblis A und Brunsbüttel seien nicht darunter. "Diese Regelung ist nach Ansicht des Senats abschließend", erklärte er. Nichts deute darauf hin, dass die Verordnung ungeregelte Fragen offen lasse.

Im Atomausstiegsgesetz vom 22. April 2002 sind den Kernkraftwerken in Abhängigkeit vom jeweiligen Beginn ihres Leistungsbetriebs sogenannte Reststrommengen zugeteilt worden. Dabei wurde eine Regellaufzeit von etwa 32 bis 35 Jahren zugrunde gelegt. Die einem Kernkraftwerk zugeteilte Reststrommenge kann unter bestimmten Voraussetzungen auf andere Anlagen übertragen werden.

Für das ehemaligen Kernkraftwerk Mülheim-Kärlich in Rheinland-Pfalz gilt eine Sonderregelung. Die Anlage war nach knapp zwei Jahren im Probe- und gerade einmal 100 Tagen im Regelbetrieb bereits im September 1988 per Gerichtsentscheidung wegen unzureichender Erdbebensicherheit abgeschaltet worden und wird seit dem Sommer 2004 zurückgebaut. Dennoch war auf Druck von RWE auch Mülheim-Kährlich im Atomausstiegsgesetz eine Reststrommenge zugeteilt worden.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht ging es um die spezielle Vorschrift, die die Übertragung der Reststrommenge von Mülheim-Kärlich auf andere Kernkraftwerke regelt. RWE und Vattenfall waren der Auffassung, dass die Reststrommenge von Mülheim-Kärlich auch auf die beiden älteren Kraftwerke Biblis A und Brunsbüttel übertragen werden kann - vorausgesetzt, das Bundesumweltministerium stimmt dem im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundeskanzleramt zu. Allerdings wurde eben diese Genehmigung vom Bundesumweltministerium verweigert.

Nach der Urteilsverkündung sagte Hartmut Lauer, der Leiter des Kernkraftwerkes Biblis, dass vor Gericht weiter um die Zukunft des Blocks A der Anlage gekämpft werde. "Wir sind sehr enttäuscht, dass das Gericht nicht unserer Rechtsauffassung gefolgt ist." Die RWE Power AG als Betreiberin habe unabhängig von dem Leipziger Urteil die Übertragung von Strommengen des Kernkraftwerks Emsland auf Biblis A beantragt. Das Verfahren sei am Hessischen Verwaltungsgerichtshof anhängig.

Der Vattenfall-Konzern, der das Kraftwerk Brunsbüttel betreibt, teilte mit, dass die Anlage nun noch eine Laufzeit von etwa zwei Jahren habe. Allerdings gebe es auch einen zweiten Antrag auf Übertragung von Reststrommengen des Kernkraftwerk Krümmel auf Brunsbüttel, zu dem die Entscheidung des Bundesumweltministeriums noch ausstehe.

Freude über das Urteil herrschte dagegen erwartungsgemäß beim Bundesumweltministerium, das sich mit seiner Rechtsauffassung gegen das Bundeskanzleramt und das Bundeswirtschaftsministerium durchgesetzt hat. Gerrit Niehaus von der Bundesaufsicht für Atomkraftwerke in dem Ministerium sagte, er habe nach den Urteilen der Vorinstanzen in diesem Fall mit einer solchen Entscheidung gerechnet.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hat das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Übertragung von Strommengen zwischen verschiedenen Kernkraftwerken begrüßt. Das Gericht habe die Rechtsauffassung des Ministeriums bestätigt und schaffe Rechtssicherheit für den weiteren Vollzug des Atomausstiegsgesetzes, erklärte Gabriel am Donnerstagabend in Berlin.

Der Minister appellierte an die Kraftwerksbetreiber, seinen Vorschlag aufzugreifen und die ältesten Atommeiler abzuschalten. Das Atomgesetz biete die Möglichkeit, zustimmungsfrei Strommengen von älteren auf jüngere Atomkraftwerke zu übertragen.

Am 26-03-2009