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Harrsche Kritik an Bundesinnenminister Schäuble

"Rechtsstaatswidrige Vorschläge"

Jedes Mal, wenn Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) einen neuen Vorstoß für "mehr Sicherheit" unternimmt, gibt er anderen Politikern die Gelegenheit, sich als gute Demokraten zu profilieren. Es ist fraglich, ob Schäuble insoweit nur eine bestimmte Funktion im verteilten Rollenspiel einer Bundesregierung einnimmt, nicht zuletzt um auch Wählerstimmen am so genannten rechten Rand abzugreifen, oder ob er mit gezielten Tabubrüchen den Wegbereiter in eine andere Republik spielt. Jedenfalls stoßen die "Pläne" von Schäuble für ein weiteres Gesetzespaket im "Kampf gegen den Terrorismus" auf harsche Kritik. Schäuble hatte gewarnt, dass die Bekämpfung des Terrorismus mit den klassischen Mitteln der Polizei nicht zu meistern sei. Es sei zu überlegen, was man etwa mit so genannten Gefährdern mache, die nicht abgeschoben werden könnten. Man könne "beispielsweise einen Straftatbestand der Verschwörung einführen, wie in Amerika". Die "rechtlichen Probleme" reichten bis zu Extremfällen wie der gezielten Tötung von Verdächtigen durch den Staat, so Schäuble.

FDP-Innenexperte Max Stadler sagte der "Berliner Zeitung": "Schäuble hat das Grundgesetz zu wahren und nicht die Debatte mit rechtsstaatswidrigen Vorschlägen zu belasten." Schäubles Überlegungen hinsichtlich der gezielten Tötung von Verdächtigen hätten ihn äußerst befremdet. "Und das ist noch vornehm ausgedrückt", sagte Stadler.

Selbstverständlich dürfe es keine gezielten Tötungen außer in Notwehr oder im Fall der so genannten Nothilfe etwa bei Geiselbefreiungen geben. Ebenso wenig sei Schäubles Plan einer Vorbeugehaft auf Verdacht mit dem Rechtsstaat vereinbar. Stadler warf dem Minister vor, durch öffentliche Forderungen den Druck auf das Parlament zu erhöhen.

Westerwelle warnt vor "Guantanamoisierung der Innenpolitik"

Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle warnte am 9. Juli in Berlin vor einer "Guantanamoisierung der deutschen Innenpolitik". Man könne "die Freiheit der Bürger nicht schützen, indem man sie aufgibt".

Westerwelle warf Schäuble vor, sich außerhalb der demokratisch-freiheitlichen Grundordnung zu positionieren. Der FDP-Chef forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, "sich eindeutig von den Plänen des Bundesinnenministers, quasi eine Erschießung auf Verdacht in Deutschland zuzulassen, zu distanzieren". Von einem Innenminister müsse man erwarten, dass er die Verfassung schütze und nicht preisgebe.

Der FDP-Chef verlangte von Schäuble, sich mit dem "Vollzugsdefizit innere Sicherheit" zu befassen. Er verwies zugleich auf Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP), wonach man etwa 100 so genannte Gefährder kenne, sie aber wegen Personalmangels nicht rund um die Uhr überwachen könne. Das sei "die Baustelle eines Bundesinnenministers und nicht die Infragestestellung unserer Verfassung", so Westerwelle.

Beckstein distanziert sich von Schäubles Anti-Terror-Plänen Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) hat zurückhaltend auf die "Anti-Terror-Pläne" von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) reagiert. Zu einem Gesetz, das die gezielte Tötung von Terroristen erlaube, habe er "noch keine abgeschlossene Meinung", sagte Beckstein am 9. Juli im Südwestrundfunk. Er sei von dem Vorschlag am Wochenende überrascht worden. Beckstein unterstrich, in der Regel, "auch im Regelfall des Terrorismus", dürfe so etwas nicht in Frage kommen.

Bei aller notwendigen Bekämpfung der islamischen Gewalt dürften die Grundpfeiler des Grundgesetzes nicht verändert werden. Inwieweit in Extremfällen Schäubles Vorschlägen zu folgen sei, müsse verfassungsrechtlich "sorgfältigst" geprüft werden, so Beckstein.

Wiefelspütz: Töten auf Verdacht nur in Verbrecher-Staat

Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz hat Schäuble in ungewöhnlich scharfer Form kritisiert. Wiefelpütz schrieb am 9. Juli in einem Beitrag für die Internetseite "abgeordnetenwatch.de": "Das Töten eines Menschen auf Verdacht ist ein schweres Verbrechen. Das ist nur in einem Verbrecher-Staat vorstellbar."

"Terrorismusbekämpfung findet im Rahmen des Rechtsstaates statt und nicht außerhalb des Rechtsstaates", so Wiefelspütz. "Sicherheit darf keine Obsession werden, sondern kann nur mit Verstand und Augenmaß hergestellt werden."

Jelpke/Korte: SPD muss Schäubles Ablösung fordern

Die Innenpolitiker der Linksfraktion, Ulla Jelpke und Jan Korte, sagten an die SPD gerichtet, sie müsse Schäubles Ablösung fordern. Es genüge nicht mehr, zweimal in der Woche seinen aktuellen Wahnideen zu widersprechen. "Auch wenn ihm die für Verfassungsänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit fehlt: Mit seinen permanenten Kamikaze-Angriffen auf die Grund- und Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger ist Schäuble als Innen- und Verfassungsminister nicht mehr tragbar."

"Was die Rechtslage bezüglich gezielter Tötungen angeht", so Jelpke, "ist völlig klar: Verdächtige gelten so lange als unschuldig, bis sie von einem Gericht rechtskräftig verurteilt worden sind. Sie zu töten, ist Mord."

Jelpke und Korte verwiesen auf die Definition des Bundeskriminalamts. Danach ist ein "Gefährder" eine Person, "bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird". "Vielleicht sollte das BKA mal den Innenminister genauer unter die Lupe nehmen", forderten Jelpke und Korte. Schäuble erweise sich als derzeit der größte "Gefährder" des Rechtsstaats.

Pofalla: Verunglimpfung des Innenministers

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wies die Vorwürfe zurück. Westerwelles Äußerung, es handle sich um eine Erschießung auf Verdacht, sei eine "Verunglimpfung", die in keinem Zusammenhang mit Schäubles Aussagen stehe, sagte Pofalla. Der Bundesinnenminister habe lediglich auf Rechtslücken aufmerksam gemacht.