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Ex-Chef der bulgarischen Atomaufsicht gegen Atomkraftwerk Belene

"Mangel an qualifiziertem Personal"

Die Auseinandersetzung um die Pläne der bulgarischen Regierung, ein Atomkraftwerk in einem Erdbebengebiet zu bauen, erreichen nun Brüssel. Der ehemalige Leiter der bulgarischen Atomaufsicht, Gueorgui Kastchiev, präsentierte am 23. November auf einer Pressekonferenz eine lange Liste von Problemen und stellte fest: "Ich bin der Meinung, dass das Atomkraftwerk Belene so schnell wie möglich gestoppt werden muss." Kastchievs Aussage kommt zu einem sensiblen Zeitpunkt: es wird erwartet, dass die Europäische Kommission Anfang Dezember eine offizielle Stellungnahme zu Belene veröffentlicht.

Die EU-Stellungnahme gilt als Voraussetzung für eine finanzielle Unterstützung durch EURATOM oder die Europäische Investitionsbank.

Nach Auffassung des ehemaligen Chefs der bulgarischen Atomaufsicht, der inzwischen leitender Atomexperte am Institut für Risikoanalyse der Universität Wien ist, "stellt Belene ein nicht tolerierbares Sicherheits- und Umweltrisiko dar. Die fehlende Betriebserfahrung mit dem geplanten Reaktortyp, der Mangel an qualifiziertem Personal und effektiven Kontrollen wird zweifellos zu schlecht ausgeführten Bauarbeiten führen", meint er.

Der ehemalige Aufsichtsbeamte verfügt über 34 Jahre Erfahrung im Atomsektor. Die Hälfte dieser Zeit hatte er offenbar unmittelbar mit dem Betrieb von Atomkraftwerken des russischen WWER-Typs zu tun. Vor diesem Hintergrund hielte er es für einen Fehler, "wenn nur die Baupläne als Basis der Kommissions-Stellungnahme herangezogen werden, während die Realität, wie ein solches Projekt in Bulgarien durchgeführt wird, unbeachtet bleibt."

Es ist nicht das erste Mal, dass Kastchiev sich zu Wort meldet. Im letzten Jahr warnte er vor einem Vorfall im bulgarischen Atomkraftwerk Kosloduj, wo ein Drittel der Regulationsstäbe ausfielen. Die bulgarischen Behörden bewerteten den Vorfall als völlig unbedenklich. Kastchiev brachte das Geschehen an die Öffentlichkeit, woraufhin die bulgarischen Behörden den Vorfall in der Risikorelevanz höher einstufen mussten. "Dies ist nur einer von vielen Fällen, wo die bulgarische Atomaufsicht versuchte, Probleme unter den Teppich zu kehren", so Kastchiev.

Kastchiev warnt auch vor Erdbeben. Die bulgarischen Behörden würden das Erdbebenrisiko abstreiten. Es würde ignoriert, dass beispielsweise 1977 in Svishtov 120 Personen bei einem Erdbeben starben. Die Stadt liegt nur 14 Kilometer von Belene entfernt. "Es sollte die Alarmglocken bei der Kommission klingeln lassen, dass die bulgarischen Behörden das Erdbebenrisiko einfach abstreiten", so Kastchiev. "Wenn man das hohe seismische Risiko der Bauregion und den niedrigen Atomsicherheitslevel in Bulgarien zusammenrechnet, kann man nur zu einem Schluss kommen: Dieses Projekt darf nicht weitergeführt werden."

Schücking: Die EU-Kommission ignoriert bei ihrer Bewertung zentrale Aspekte

Heffa Schücking von der Umweltorganisation Urgewald hat den Eindruck, dass die EU-Kommission dieses Problem ignoriert. "Unsere bisherigen Gespräche mit der Kommission zeigen, dass diese die wichtigsten Aspekte zur Bewertung von Belene gar nicht prüfen. Die Qualität der Umweltverträglichkeitsprüfung, die Frage des Erdbebenrisikos und die schlechte Sicherheitskultur der bulgarischen Atomindustrie spielen im Prüfungsprozess keine Rolle", behaupet Schücking.

Das sei unverständlich, weil schon in den 1980er Jahren sowjetische Wissenschaftler vor dem Standort Belene wegen des Erdbebenrisikos gewarnt hätten. Ihrer Meinung nach "ist die Prüfung der Kommission bei Belene fehlerhaft, nachlässig und unverantwortlich. Dabei bedeutet das Projekt ein Risiko für die Gesundheit und Sicherheit von Millionen Europäern."

Schücking ist offenbar nicht alleine mit ihrer Meinung. In den vergangenen Tagen hat die Kommission tausende E-Mails von besorgten Bürgern aus ganz Europa erhalten.

"Wir hoffen sehr, dass die öffentlichen Bedenken dazu führen, dass die Kommission nicht russisches Roulette mit unserer Zukunft spielt, indem sie sich positiv zu dem Projekt äußert", so Kovatchev.