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Bundessozialgericht streitet über Kürzung von Erwerbsminderungsrenten

Unklares Gesetz

Das Bundessozialgericht (BSG) streitet über die 2001 in Kraft getretene Kürzung von Erwerbsminderungsrenten. Deutschlands oberste Sozialrichter sind sich uneinig darüber, ob die Leistungen auch für unter 60-Jährige reduziert werden dürfen. Am Dienstag erklärte der 5a-Senat des Kasseler Gerichts, dass er solche Rentenabschläge für rechtmäßig hält (Az.: B 5a R 32/07 R u.a.). Ein anderer BSG-Senat hatte darin jedoch bereits 2006 einen Verstoß gegen Gesetz und Verfassung gesehen (Az.: B 4 RA 22/05 R).

Das Urteil war von der Rentenkasse aber nicht als allgemeingültig anerkannt worden. Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums hätte seine Umsetzung Mehrkosten von 500 Millionen Euro pro Jahr bedeutet. Sollten sich die Bundesrichter jetzt nicht doch noch auf eine gemeinsame Auffassung verständigen können, müsste der Große Senat des BSG entscheiden. Er setzt sich aus dem Gerichtspräsidenten und Vertretern sämtlicher 14 Senate zusammen.

Der Konflikt beruht auf unklaren Formulierungen im Gesetzestext. "Man kann sich ein schöneres Gesetz vorstellen", sagte der Vorsitzende des 5a-Senats, Wolfgang Dreher. Es sei "nicht gerade pflegeleicht anzuwenden." Die unter der von Bundeskanzler Gerhard Schröder geführten rot-grünen Bundesregierung beschlossene Reform sieht Leistungskürzungen von bis zu 10,8 Prozent vor, wenn Erwerbsminderungsrenten vor dem 63. Lebensjahr in Anspruch genommen werden. Gleichzeitig sollten die Leistungen für jüngere Rentner künftig so berechnet werden, als hätten sie schon bis zu ihrem 60. Geburtstag Beiträge gezahlt.

Ob auch sie die Abschläge hinnehmen müssen, ist jedoch nicht eindeutig ausgedrückt. Die Rentenversicherung geht davon aus und zahlt den unter 60-Jährigen, deren Klagen am Dienstag vor dem Bundessozialgericht wurden, deshalb bis zu 45 Euro im Monat weniger aus. "Das ist kein Pappenstiel", befand Senatsvorsitzender Dreher. Dennoch schloss er sich der Sicht der Rentenkasse an. Der Gesetzgeber habe diese Kürzung gewollt und seinen Spielraum damit auch nicht überschritten.

Wegen der widerstreitenden Ansichten im eigenen Haus konnte der Senat kein Urteil fällen, sondern nur einen Beschluss fassen: Die anderen für Rentenfragen zuständigen Richterkollegen werden offiziell gefragt, ob sie an dem alten Urteil festhalten. Das gilt allerdings als eher unwahrscheinlich. Denn der 13. Senat, an den sich die Anfrage richtet, hat die damalige Entscheidung gar nicht getroffen. Das war der 4. Senat, der seit einer Neuordnung der Zuständigkeiten im vergangenen Jahr nicht mehr über Rentenstreitigkeiten urteilen darf.