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Diskriminierungsverbote sollen die Wirtschaft nicht Milliarden gekostet haben

Falschprognose der Initiative neue soziale Marktwirtschaft

Die gesetzlichen Diskriminierungsverbote haben die deutsche Wirtschaft einer Studie zufolge nicht die von ihr behaupteten Milliardenbeträge gekostet. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Donnerstag (14. August) in Berlin vorgestellte Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Stattdessen könnten "nur ca. 26 Millionen Euro an direkten Kosten hochgerechnet werden". Eine von Wirtschaftsverbänden oft zitierte Untersuchung der arbeitgebernahen "Initiative neue soziale Marktwirtschaft" (INSM) hatte 2007 ergeben, dass das 2006 eingeführte Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) die Unternehmen rund 1,73 Milliarden Euro gekostet habe. Die Verfasser der neuen Untersuchung kritisierten, die INSM-Studie sei zum Teil "wissenschaftlich unsauber" und enthalte "eklatante Fehler".

Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Martina Köppen, kündigte Gespräche mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft an. Die Zahlen der INSM seien nun "vom Tisch", sagte Köppen. Ein zentrales Anliegen zur Umsetzung des AGG sei, "ein Bündnis mit der Wirtschaft zu schließen". Es müsse eine positive Diskussion zur Verhinderung von Diskriminierungen geben.

Die INSM bezeichnete die Vorwürfe als "substanzarm". Andreas Hoffjan, Mitverfasser der Studie des Verbandes, sagte, dass es ein Jahr nach Veröffentlichung keine andere Untersuchung mit einer vergleichbaren Datenbasis gebe. Zudem wundere er sich, "dass es der Kommission der Bundesregierung in einem Jahr nicht gelungen ist, eigene Daten zu erheben".

Das AGG war vor zwei Jahren in Kraft getreten. Es setzt entsprechende EU-Richtlinien um. Das Gesetz soll vor allem Arbeitnehmer vor Benachteiligungen schützen, etwa aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft, des Geschlechts oder anderer Merkmale. Zugleich werden Unternehmen verpflichtet, Diskriminierungen zu verhindern.

Nach Angaben der Bundesstelle wurden zwischen August 2006 und Juli 2008 2671 Anfragen von Bürgern zum AGG bearbeitet. Die meisten betrafen Benachteiligungen wegen Behinderungen (26,3 Prozent), gefolgt von Diskriminierungen wegen des Geschlechts (25,7 Prozent) und des Alters (20,3 Prozent). Die Betroffenen fragten vor allem nach Rechtsberatungen, wollten aber zumeist nicht vor Gericht klagen.

Wirtschaftsverbände bleiben bei ihrer Kritik am AGG. "Es stehen jetzt Zahlen gegen Zahlen", sagte Hildegard Reppelmund, Rechtsexpertin des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Der "erhöhte Dokumentationsaufwand" für die Firmen sei "Fakt".

Grüne, Gewerkschaften und Betroffenenverbände sahen sich in ihrer Befürwortung des AGG bestätigt. Das Recht auf Nichtdiskriminierung sei "keine Frage des Rechenschiebers", sagte der Grünen-Politiker Volker Beck. Beim Lesben- und Schwulenverband (LSVD) hieß es, man hoffe, dass die Antidiskriminierungsstelle "nun endlich die Rolle der Anwältin" für durch Diskriminierung bedrohte Menschen annehme.