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Einsatz von Wahlcomputern bei Bundestagswahl 2005 war verfassungswidrig

"Bestandsschutz der gewählten Volksvertretung"

Rund zwei Millionen Wähler hatten bei der Bundestagswahl 2005 nicht mit Stift und Stimmzettel gewählt, sondern ihr Votum per Wahlcomputer abgegeben. Die rechnergesteuerten Wahlgeräte waren bundesweit in 39 der 299 Wahlkreise eingesetzt, und zwar in den Bundesländern Hessen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Das Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag (3. März) in Karlsruhe entschieden, dass dieser Einsatz von Wahlcomputern verfassungswidrig war. Der Bundestag muss deswegen aber nicht aufgelöst werden.

Grundsätzlich hält das Gericht die Verwendung von Wahlcomputern zwar für möglich, es setzte dafür aber hohe Hürden. Bei der nächsten Bundestagswahl in diesem September dürfte daher vermutlich wieder traditionell mit Bleistift und Stimmzettel gewählt werden.

Die Karlsruher Richter betonten, die wesentlichen Schritte der Stimmabgabe und der Ergebnisermittlung müssten vom Bürger zuverlässig und ohne besondere Computerkenntnisse überprüft werden können. Die bei der Bundestagswahl 2005 eingesetzten rechnergesteuerten Geräte hätten diesen Anforderungen nicht entsprochen. Damit sei der Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl verletzt worden, der "zentral" für die demokratische Willensbildung sei.

Dies führe jedoch nicht zur Auflösung des Bundestags, da der Bestandsschutz der gewählten Volksvertretung den Wahlfehler überwiege. Es gebe zudem keine Hinweise darauf, dass Wahlgeräte fehlerhaft funktioniert hätten oder manipuliert worden sein könnten.

Aus Sicht des Gerichts ist es zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass das Bundeswahlgesetz den Einsatz von Wahlgeräten zulässt. Es müsse aber eine "zuverlässige Richtigkeitskontrolle" gesichert sein. Das Verfassungsgericht sei nicht "technikfeindlich" und verkenne auch nicht die Möglichkeiten des digitalen Zeitalters, sagte Gerichtsvizepräsident Andreas Voßkuhle. Auch "Internet-Wahlen" sei kein endgültiger "verfassungsrechtlicher Riegel" vorgeschoben.

Laut Strobl muss das Bundesinnenministerium nun eine neue Bundeswahlgeräteverordnung vorlegen. In dem 50-seitigen Urteil werden strenge Auflagen für den Einsatz von Wahlcomputern gemacht: "Der Wähler selbst muss ohne nähere computertechnische Kenntnisse nachvollziehen können, ob seine abgegebene Stimme als Grundlage für die Auszählung oder jedenfalls als Grundlage einer späteren Nachzählung unverfälscht erfasst wird." Es genüge nicht, dass anhand eines Papierausdrucks oder einer elektronischen Anzeige lediglich das Ergebnis des im Wahlgerät erfolgten Rechenprozesses zur Kenntnis genommen werden könne.

Der Zweite Senat urteilte über Wahlprüfungsbeschwerden des Informatikers Ulrich Wiesner und seines Vaters, des Politikwissenschaftlers Joachim Wiesner. Letzterer sieht in dem Urteil den endgültigen Garaus für Wahlcomputer: "Kein Computer kann das leisten, was das Verfassungsgericht heute beschlossen hat."

Die Linke-Innenexpertin Petra Pau betonte: "Nicht alles, was technisch machbar ist, ist auch politisch geboten."

(AZ: 2 BvC 3/07 und 2 BvC 4/07 - Urteil vom 3. März 2009)