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Parteiwechsel lässt knappe Mehrheit im Berliner Parlament weiter schrumpfen

Rot-Rot in der Klemme

Gut eine Woche nach dem für Rot-Rot erfolgreichen Ausgang des Volksentscheids Pro Reli kommt die Koalition im Berliner Abgeordnetenhaus unter Druck. Mit dem überraschenden Wechsel der SPD-Politikerin Canan Bayram ins Lager der oppositionellen Grünen schrumpft die ohnehin knappe Mehrheit der Regierungsparteien im Abgeordnetenhaus auf eine Stimme. Beide Regierungsfraktionen sehen das Bündnis dennoch nicht gefährdet. Nach Einschätzung von SPD-Landes- und Fraktionschef Michael Müller kann eine knappe Mehrheit auch "disziplinieren".

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bedauerte die "persönliche Entscheidung" der bisherigen SPD-Abgeordneten. Die bundesweit einzige rot-rote Koalition regiert seit Anfang 2002.

Die gebürtige Türkin Bayram aus Friedrichshain-Kreuzberg hat am Dienstag einen Aufnahmeantrag für die Partei und Fraktion der Grünen gestellt. Sie begründete die Entscheidung mit ihrer Enttäuschung insbesondere über die Integrations- und Frauenpolitik der SPD. "Vieles von dem, was ich mir erhofft habe, hat sich nicht erfüllt", sagte die 43-jährige Rechtsanwältin in einer eigens von der Grünen-Fraktion einberufenen Pressekonferenz. In den Politikfeldern Migration, Flüchtlingspolitik und Integration gehe bei der SPD vieles "in die falsche Richtung".

Der Umgang mit Frauen in der SPD-Fraktion sei in einer Art und Weise erfolgt, dass sie es nicht für gut befinden könne, so Bayram. Als Beispiel nannte sie den Streit um die Besetzung von Führungspositionen. Sie habe immer wieder für ihre Vorstellungen gekämpft, sich aber nicht durchsetzen können. Den jüngste Vergleich von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) von Krawallmachern beim 1. Mai und Vergewaltigern bezeichnete sie als "letzten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat".

Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann kündigte an, durch die personelle Verstärkung die Oppositionsrolle seiner Fraktion auszubauen. Sie solle dazu genutzt werden, "die Regierung zu treiben".

Die im türkischen Malatya geborene Juristin Bayram engagiert sich in ihrem Wahlkreis unter anderem bei der Friedrichshainer Initiative gegen Rechts. Sie gehört der SPD seit 1999 an. Im Abgeordnetenhaus sitzt sie seit der Wahl 2006.

SPD-Fraktions- und Landeschef Müller sagte, Bayrams Gründe seien für ihn nicht nachvollziehbar. Es habe keine Signale für den Austritt gegeben und Bayram habe auch keinen Gesprächsbedarf angemeldet, weder in der Partei noch in der Fraktion und auch nicht im Bezirk. Er gehe nicht davon aus, dass Bayrams Schritt weitere Abgeordnete ermutigen werde, den Senat oder die Koalition zu "erpressen", so Müller. Nur in einer Regierung könne man etwas bewegen, "das verspielt man nicht leichtfertig". Das Thema Neuwahlen sei kein Thema gewesen, weil die Partner inhaltlich viele gemeinsame Projekte verfolgten, sagte er weiter.

Linksfraktionschefin Carola Bluhm betonte, auch "eine Stimme Mehrheit ist eine Mehrheit". Zudem sei es bereits eine Herausforderung gewesen, mit zwei Stimmen Mehrheit zu regieren. "Die erfolgreiche Arbeit der Koalition wollen wir nicht aufgeben", betonte sie.