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Griechenlands Insolvenz

So notwendig wie verschleppt

Von vielen Kommentatoren werden die Gefahren einer Insolvenz Griechenlands mit Austritt aus dem Euro beschworen. Richtig, Verluste bei vielen europäischen Banken sowie ein vorläufiger Zusammenbruch der griechischen Banken wären u.a. die Folge. Allerdings käme es nicht wie bei der Lehmann-Pleite zu einem „Schock“, wie manche orakeln. Die Finanzwelt ist mittlerweile auf dieses Szenario vorbereitet, ein Überraschungsmoment besteht nicht. Auch das Argument, Investoren würden damit das Vertrauen in weitere angeschlagene Staaten verlieren, ist verfehlt. Schon jetzt zeigen die Renditen von über 16% für 10-jährige portugiesische Staatsanleihen, dass Investoren nicht mit einer vollen Rückzahlung rechnen. Eine Insolvenz Griechenlands würde im Gegenteil das Vertrauen der Märkte erhöhen: eine wirtschaftlich nicht haltbare Position würde aufgegeben, und die EU kann wesentlich glaubwürdiger vertreten in der Lage zu sein, andere Wackelkandidaten wie Portugal und Irland zu stützen.

Auch die Hoffnung auf eine Erholung Griechenlands würde steigen, wenn Griechenland über die Abwertung einer eigenen Währung einen großen Schritt Richtung internationaler Wettbewerbsfähigkeit erzielen könnte. Den aktuellen Schein, die EU wäre in der Lage, alle Euro-Krisenstaaten einschließlich Griechenland in jedem Falle zu stützen, glaubt schon heute kein Investor mehr: dies würde die finanzielle Leistungsfähigkeit der EU bei weitem überschreiten, und eine Lösung über die Notenpresse bedeutet langfristig Inflation – kein attraktives Szenario für Euro- Investments.

Gerade die bisherige Insolvenzverschleppung Griechenlands ohne ein finanzpolitisch tragfähiges und nachhaltiges Konzept macht Investoren skeptisch. Und die Troika und OECD-Berichte weisen auf Probleme hin, deren Lösung mehrere, wenn nicht sogar viele Dekaden dauern dürfte. Aufgrund der Ausgangslage in Griechenland - ineffiziente und korrupte Verwaltung, dysfunktionales Steuerwesen und weitreichend fehlende Bereitschaft zur Veränderung – wären jährliche Finanztransfers in zweistelliger Milliardenhöhe an Griechenland für lange Zeit notwendig. Diese sind politisch nicht darstellbar. Denn letztlich müssten die Geberländer, insbesondere Deutschland, hierfür Steuern erhöhen (Griechenland-Soli), Leistungen im eigenen Land beschneiden oder selbst weitere Kredite aufnehmen. Bisher gelingt die Unterstützung noch verdeckt, doch letztlich geht es um den Transfer europäischer Steuergelder nach Griechenland. Und der Zahltag kommt, an dem diese Transfers auf die nationalen Haushalte durchschlagen und dort auf wenig Akzeptanz bei der Bevölkerung treffen werden.

In der Tat: die mangelnde Bereitschaft der griechischen Bevölkerung, korrekt Steuern zu bezahlen, ist durchaus nachvollziehbar. Denn die vom Staat für die Steuern erbrachte Gegenleistung ist gering, und für so manche Leistung muss zusätzlich „geschmiert“ werden (inoffizielle Steuern, wenn man so will). Solange das Staatswesen in Griechenland nicht wesentlich reformiert wird, gibt es keinen guten Grund für Griechen – oder geschweige denn andere EU-Bürger – hohe Steuerlasten für eben diesen Staat zu übernehmen. Anders liegt die Situation für Länder wie Portugal oder Irland, in denen wesentliche Anstrengungen für eine Rückkehr zu solider Haushaltspolitik vorhanden sind. Dort ist eine zeitlich beschränkte Unterstützung durch Geberländer innerhalb Europas durch den Solidaritätsgedanken durchaus vermittelbar.

Für Griechenland bietet eine Insolvenz mit Euro-Austritt die einzige wirkliche Hoffnung: nur über eine Währungsabwertung ist eine schnelle und deutliche Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit realistisch möglich. Die als Alternative aktuell vorgebrachten Forderungen nach deutlichen Lohnsenkungen sind in einem demokratischen Land kaum durchsetzbar. Dies zeigt schon das Ringen um die Senkung des Mindestlohns – mit dem jetzigen Angebot der Parteichefs zur Senkung um 22% bleibt Griechenland immer noch knapp 19% über dem Mindestlohns Portugals. Des Weiteren bietet ein Euro-Austritt auch die Chance auf einen wirklichen Neuanfang, in dem die Bevölkerung sich aus den Klauen der Nomenklatura befreit und Veränderungen treibt. Eine von außen verordnete Katharsis eines ganzen Staates wird bei dem vorhandenen Ausmaß der Veränderungsnotwendigkeiten nicht funktionieren. Warum sollten hunderttausende Beamte Ihre seit Jahrzehnten gängige Praxis ändern? Warum sollten korrupte Beamte auf die gewohnte „Nebeneinnahmen“ verzichten?

Warum sollten von Führungspersonen Positionen plötzlich nicht mehr nach Eigennutzen, sondern nach Leistungsfähigkeit der Bewerber vergeben werden? Die Zusage Griechenlands, 2011 30.000 Beamtenstellen abzubauen, wurde von den für die Ausführung zuständigen Ministerien schlicht ignoriert, die geforderten Namenslisten nicht erstellt. Stattdessen sollen nun 2012 nur halb so viele, also 15.000 Beamtenstellen abgebaut werden. Ein tatsächliches Erreichen des 2010 zugesagten Abbauziels von 150.000 Stellen bis 2015 ist damit praktisch ausgeschlossen. Auch dieser Tage werden nach zähen Verhandlungen wohl am Ende Versprechungen gemacht werden, um die nächsten EU-Zahlungen zu ermöglichen. Doch die Nachhaltigkeit dieser Zugeständnisse ist, wie die letzten beiden Jahre in Griechenland schon gezeigt haben, gering. Zu einer Insolvenz mit Euro-Austritt für Griechenland gibt es keine nachhaltig wirtschaftlich sinnvollen Alternativen. Für das Wohl der EU einschließlich Griechenlands sollte deshalb dieser Schnitt nicht weiter verschleppt werden.

Dr. Christian Suttner