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Kahlschlag im Amazonasgebiet

Peru "Das sind Banden und keine Forstunternehmer!"

Im Amazonasgebiet boomt das Holzgeschäft – und der Wald schrumpft. Laut einem Bericht der Ombudsstelle aus dem Jahr 2010 werden 90 Prozent der Bäume im Departement Loreto ohne Genehmigung gefällt. Braucht es also bessere Gesetze, um den Wald zu schützen? Ein Gespräch mit dem peruanischen Anthropologen Alberto Chirif. Chirif arbeitet seit mehr als 40 Jahren zum Amazonasgebiet und kollektiven bzw. indigenen Rechten. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit ist er auch als Experte und Berater bei Politik und internationalen Organisationen gefragt. Das Waldgesetz von 1975 hatte er mit ausgearbeitet.

Blickpunkt Lateinamerika

Herr Chirif, wie läuft illegaler Holzeinschlag eigentlich ab?

Die Modalitäten sind im Grunde folgende: Man besorgt sich ein paar Verträge und auf Basis dieser Verträge holt man dann einfach an jedem beliebigen Ort das Holz aus dem Wald. Das heißt, alles Holz scheint aus legaler Abholzung zu stammen, ist aber illegal geschlagen worden. Es gibt hier in der Region sogar Fälle, wo dieses Holz dann mit einem Umweltsiegel ausgezeichnet wurde. Und Gemeinschaften in einem Schutzgebiet werden zum Beispiel dahingehend „bearbeitet“, dass sie sich als Gemeinden registrieren lassen, denn dann können anschließend Holzkonzessionen beantragt werden.

Und auf welche Weise kann dieses Holz dann „legalisiert“ werden?

Nun, ich besorge mir eine Genehmigung, um aus einem bestimmten Gebiet Holz herauszuholen. Aber dann holze ich einfach hier ab und dort und rechtfertige das immer mit meiner Konzession für dieses bestimmte Gebiet. Dann gibt es wiederum Personen, die haben sich Konzessionen für den Holzeinschlag geholt, nutzen diese aber gar nicht. Mit denen komme ich ins Geschäft und kaufe ihnen die Papiere ab, um mein Holz zu legalisieren. Und dann gibt es auch noch die indigenen und bäuerlichen Gemeinschaften, die nur sehr einfache Genehmigungen benötigen, wenn Holz aus ihren Territorien herausgeholt wird. Die Holzunternehmer unterstützen die Indigenen beim Genehmigungsverfahren und mit diesen Papieren wird dann auch wieder der illegale Holzeinschlag gerechtfertigt.

Stimmt es, dass laut dem alten Forstgesetz von 1975 bei Anträgen von Firmen wie von indigenen Gemeinden dasselbe Genehmigungsverfahren zur Anwendung kam, also die Anforderungen an die Antragsteller fast identisch waren? Und ist dies mit dem neuen Forstgesetz anders geworden?

Nein, es gab für indigene Gemeinden schon immer eine vereinfachte Genehmigung für die Holzextraktion. Und diese Genehmigung ist von den Unternehmern auch immer schon dafür benutzt worden, sich eine weiße Weste zu holen, sozusagen „Holz zu waschen“.

Das Genehmigungsverfahren, so sagen die Gemeinden, sei für indigene Territorien aber aufwendig und teuer und deshalb verschulden sie sich häufig...

In den vergangenen Jahren sind drei verschiedene Typen von Genehmigungen des kommerziellen Holzeinschlags für indigene Gemeinschaften verabschiedet worden. Eine davon ist sehr sehr einfach, wobei man dabei davon ausging, dass die Gemeinde selbst mit ihren eigenen Arbeitsmitteln das Holz aus dem Wald holt und keine Maschinen zur Anwendung kommen. Die zweite Variante ist mit dem Gebrauch von Maschinen verbunden und der dritte Typ Genehmigung bezieht sich auf die komplett mit Maschinen durchgeführte Abholzung. Die Idee dahinter war, dass die Gemeinden mit der ersten Variante in die Lage versetzt werden sollten, selbst das Holzgeschäft auf ihren Gebieten zu managen. Das hätte nur auf die eine oder andere Art noch unterstützt und gefördert werden müssen. Leider ist dieser Ansatz gründlich gescheitert.

Warum ist das Ihrer Meinung nach so?

Nun, erstens ist es eine Frage dessen, wie sehr sich Mitarbeiter von Projekten und Initiativen, die im Sinne der Gemeinden agieren sollten, diesen wirklich verpflichtet sehen. Und zweitens ist das Holzgeschäft insgesamt eine komplizierte Angelegenheit. Ich habe oft gedacht, dass die einzige Art und Weise, in der das funktionieren könnte, ein gemeinsames Management des Holzeinschlages mit den Holzfirmen ist. Aber die Unternehmen auf diesem Gebiet können eigentlich nicht als solche bezeichnet werden, das sind Banden. Es gibt keine Forstunternehmer: Es gibt Menschen, die machen Überfälle auf den Wald – ich weiß nicht, wie man das bezeichnen soll. Es gibt nicht einmal eine Vorstellung von Kapitalismus dabei. Es geht nur darum, wo am schnellsten geraubt werden kann, bis die Ressource alle ist. Ein echter Unternehmer würde versuchen, seine Ressource pfleglich zu behandeln und wäre an einer langfristigen Entwicklung interessiert. Stattdessen wird Holz mit der gleichen Mentalität herausgeholt wie Kupfer.

Ist das ein Problem von zu laschen Gesetzen, die viele Schlupflöcher lassen?

Das Problem sind nicht die Gesetze, sondern deren Kontrolle. Der Anthropologe Carlos Cornejo weißt in einer Untersuchung darauf hin, dass innerhalb eines Jahres – würden alle Vorschriften eingehalten – angesichts der Vielzahl der forstwirtschaftlichen Verträge in Loreto lediglich 15 bis 20 Prozent der Fälle überhaupt überprüft werden könnten. Die Angelegenheit ist sehr kompliziert. Die Entfernungen sind sehr groß. Und die Institutionen sind von Tag zu Tag in einem schlechteren Zustand. Von 1975 bis heute ist es um die Extraktionsprozesse immer schlechter bestellt. Aber das liegt nicht an den Gesetzen, sondern daran, dass die Attraktivität von Holz für Geschäftsleute extrem zugenommen hat.

Weitere Informationen Peru: Amazonien - Was bliebe von uns ohne Wald? (05.01.2012)
http://tinyurl.com/7x62l7j Peru: „500 Jahre indigener Widerstand - kein Ende in Sicht“ (13.09.2011)
http://tinyurl.com/6u8n7b9

Interview: Bettina Hoyer