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Bangladesch und der Subkontinent – geht die Destabilisierung weiter?

Stefan Frischauf aus Bangladesch

Destabilisierung in BangladeschBangladesch hat eine Geschichte der politischen Gewalt. Die südasiatische Nation hat zwei getötete Präsidenten und 19 gescheiterte Putschversuche hinter sich seit ihrer Unabhängigkeit von Pakistan 1971“ – so steht es am Ende eines Artikels zur derzeitigen instabilen Situation des Landes im „Hindu“, der drittgrößten englischsprachigen Tageszeitung in Indien geschrieben. (1) Es klingt da, als wäre „Ost-Bengalen“ – zwischen 1947 und 1971 „Ost-Pakistan“ nie ein Teil des Subkontinents – des Mogulreiches oder Britisch-Indiens gewesen. Das überwiegend muslimische Land wird geradezu als Fremdkörper betrachtet. Was geschieht derzeit in Bangladesch und veranlasst den indischen - hinduistischen Kommentator da zu diesen Worten der deutlichen Abgrenzung – scheinbar ignorierend, dass auch indische Geschichte von 1947 bis heute alles andere als gewaltfrei ist?

„Hartal“ ist im Bengalischen die stetig von der Opposition eingesetzte Waffe des Aufrufs zum eher wilden Generalstreik zwecks Durchsetzung eigener Ziele. Die derzeit regierende „Arwami-League“ – eine islamische Partei aus der Zeit vor 1971 hat diese „Waffe“ der Verunsicherung und Einschüchterung ehedem genauso genutzt wie die derzeit in der Opposition sitzende BNP – Bangladesh National Party und die islamische Jamat. Derzeit kommt jedoch ein Spieler hinzu, die Hefajat-e-Islam, die zunehmend die Themen zu radikalisieren scheint. Die inoffiziellen Schätzungen zufolge vielleicht von 5 % der Bevölkerung unterstützte Bewegung will ein „Anti-Blasphemie-Gesetz“ durchbringen und scheinbar so zudem eine schleichende Islamisierung des Landes vorantreiben. Ähnlich wie seinerzeit in Mitteleuropa die Salafisten als von saudischen Petrodollars gesponserte recht aggressiv missionierende Islamisten auftraten scheinen hier auch die Wahhabiten einmal mehr ihre Finger im Spiel zu haben. Der deutsche Botschafter in Bangladesch hat bereits vor der Islamisierung des nicht nur seinen Worten gemäß eher säkularen Landes gewarnt.

Woher kommt das Interesse der Saudis an dem kleinen und armen Land – „den tropischen Niederlanden“ hier im Ganges-Delta am Golf von Bengalen, das aber immerhin inzwischen größter Textilproduktionsstandort der Welt ist? Und – welche anderen Machtkämpfe zeichnen sich hier ab – wer sind die anderen Spieler hier?

Um also die wie immer recht unübersichtliche Gemengelage verschiedener Interessen hier etwas aufzuschlüsseln bedarf es erst eines kurzen Rückblickes: - vor genau einem Jahr im April 2012 erhielt Bangladesch im Streit mit Burma / Myanmar die Ölbohrrechte im Golf von Bengalen offshore bei Chittagong und im Hinterland der im Südosten des Landes gelegenen Hafenstadt zugesprochen. Partner bei der Erschließung der Ölfelder soll der US-Konzern Chevron sein. - Kurz darauf gab es im überwiegend buddhistischen Myanmar/ Burma einen nie weiter aufgeklärten Vergewaltigungs-/ Mordfall, der zur massenhaften Vertreibung der muslimischen Rohyngias aus dem Land führte. Bangladesch indes schloss seine Grenzen – viele unschuldige Mitglieder der Volksgruppe der Rohyngias wurden da zwischen den Fronten zerrieben. Nicht wenige sprachen da von „Völkermord“. - Anfang 2013 wurde ein großer Korruptionsskandal bekannt um einen Brückenneubau, in den weite Kreise der Regierung Bangladeschs involviert waren – insbesondere der Schwiegersohn der Regierungschefin Sheikh Hasina.

Die Weltbank zog daraufhin ihre Darlehen für das Projekt zurück. - Zwei Journalisten, die diesen Fall untersucht und ans Tageslicht gebracht hatten wurden kurz darauf brutalst ermordet. - „Ein internationales Kriegsgericht“ zur Untersuchung der Kriegsverbrechen von 1971 existiert eigentlich nur auf dem Papier, da die Regierungspartei alle Anklageposten mit ihren Leuten besetzte. Das einzige Urteil bisher geht gezielt gegen einen Anführer von Jamat – der im Gegensatz zu den von wohlhabenden Clans beherrschten Awami und BNP eher im Volk als „Grassroot-Bewegung“ verwurzelten Partei. - Wenige Tage nach Aufdeckung des Korruptionsskandales um den Brückenbau gab es am „Shahbag-Square“ in Dhaka eine Art „bengalische Version des Tahrir-Squares“ – jugendliche Demonstranten forderten lautstark die Todesstrafe für lebenslang einsitzende Kriegsverbrecher – die Jugendbewegungen der Awami-League mobilisierten da zur Ablenkung die Straße.

Der Mob forderte Blut – und – die Ablenkung gelang größtenteils – „die Bewegung“, die da eher rückwärtsgewandten Revanchismus als irgendeine politische Agenda verfolgt stachelt die Massen auch derzeit immer wieder auf. 2 - Die Regierungspartei negiert zwar ständig die Verhängung des Ausnahmezustands – bald jedoch könnte es durchaus soweit sein, denn - wie allerorten gibt es auch hier insbesondere in den beiden größten Städten – der 12 Millionen-Hauptstadt Dhaka und der Hafenstadt Chittagong große Immobilienblasen. Wohnungen im immer höher bepreisten Luxussegment, die immer weniger Menschen mieten oder kaufen können. Nach zwanzig Jahren steigender Grundstückspreise sind diese seit 2010 im Sinkflug – derzeit besonders rasant. Viele Banken sind denn auch von der Zahlungsunfähigkeit bedroht. Die geforderten Mieten indes bleiben trotz schwindender Nachfrage auf unverändert hohem Niveau. - Auch tauchten immer wieder Gerüchte über die Pläne der US-Navy auf, einen Marinestützpunkt in Chittagong einzurichten. Im Zuge zu erwartender Proteste gegen die Ölbohrungen Chevrons gerade auch in Naturschutzgebieten mit den Regierungspartnern der „Awarmi-League“ und – der Einkesselung Chinas sicher ein sehr wichtiger Schritt.

Dem Kontrolldruck derzeit im Golf von Bengalen begegnet man indes von US-Seite mit verstärkten Flottenverbänden. - Das Auftreten einer islamistischen Partei oder Bewegung wie eben Hefajat-e-Islam schürt Angst und Einschüchterung in der Bevölkerung. Die unweigerliche Radikalisierung könnte insofern auch „Awarmi-League“ die völlige Marginalisierung - bis hin zur Zerstörung jeglicher Opposition erleichtern. Jamat und auch manche BNP-Mitglieder können so viel leichter als „Radikale“ und „gefährliche Elemente“ diskreditiert und gar von der Bildfläche entfernt werden. - In Anbetracht der Tatsache, dass man in Südasien allgemein ohnehin niemandem so leicht traut hat sich überall insbesondere auf dem Land schon ein viel größeres Misstrauen – bis hin zur offenen Angst breit gemacht. Letztes Jahr um diese Zeit trug kaum eine Frau den Gesichtsschleier oder die Hijab – nun sieht man immer häufiger nur die Augen des schönen Geschlechts. Auch wenn mancher Schleier da modisches Mitbringsel der Männer vom Golf ist – Angst und wachsendes Misstrauen machen sich überall breit. - Hindus – ca. 15-20 % der Bevölkerung bei ca. 80 % eher säkularen Moslems äußern sich denn auch ähnlich besorgt und ängstlich hier wie Moslems in Indien – deren Verhältnis gleichfalls 15-20 % zu ca. 80 % Hindus dort ist. Minderheiten fühlen sich immer mehr ungeschützt im Zuge von krudem hybriden Nationalismus, der im das Gemeinwesen des Staates eigentlich beseitigenden Kampfes „Jeder gegen Jeden“ mit religiösem Fanatismus gepaart immer wieder schmerzliche Erinnerungen an die Pogrome im Zuge der beiden Teilungen des Subkontinents – 1947 und 1971 weckt.

Ganz besondere Erwähnung verdient hier das eingangs erwähnte Indien. Abgesehen davon, dass viele indische Konzerne ihre Marktsegmente in Bangladesch erweitern möchten und derzeit auf Einkaufstour scheinen gibt es in der Großmacht da auf dem Subkontinent durchaus hindu-nationalistische Kreise, die Bangladesch bereits in einer Reihe mit dem traditionellen Sündenbock Pakistan sehen. Terrorismus und Islamismus kommen per se von dort und müssen entsprechend von vorne herein bekämpft werden – so der allgemeine Tenor in diesen Kreisen. Jüngste Meldungen indes abseits des Mainstreams, dass indische Polizei und Geheimdienste sowohl bei den Anschlägen vom 26.11. 2008 in Bombay als auch bei den vor kurzem erfolgten Anschlägen in Hyderabad informiert waren sprechen da eine ganz andere Sprache. Gerade der 26.11. diente Indien zur Verschärfung „nationaler Sicherheitsprogramme“ im Zuge des „Anti-Terror-Kampfes“.

Abgesehen davon hat man da auch – nicht nur in Bombay gewaltige Immobilienblasen erzeugt und die derzeitige „verborgene“ Inflation, die etwa den Preis eines Mango Lassies des beliebten Herstellers Punjab-Sind in 3 Monaten um 10 % hat klettern lassen ist da auch nicht zu verachten. In einem Land, das da gerne als „größte Demokratie der Welt“ bezeichnet wird, im Verborgenen aber weder postkoloniales Erbe noch das zutiefst verwurzelte Kastensystem wirklich zu reformieren vermochte im Zuge seines „wirtschaftlichen Erfolges“, der eben da auch innerhalb einer Generation so etwas wie eine „städtische Mittelklasse“ hat entstehen lassen eine gewaltige Rate, denn – jenseits von Bollywood und Bangalore-IT-Networks stagnieren die Kuli-Löhne im Cent-Bereich. Zusätzlich dazu nutzt Indien, das da offiziellen Armutsberichten und Gradmessern wie etwa dem Gini-Koeffizienten weit hinter dem kleinen, dicht besiedelten Land im Ganges-Delta rangiert mit drei geplanten Staudammprojekten unmittelbar im Grenzgebiet zum kleinen Nachbarn zudem die „Wasserwaffe“, um sich da Bangladesch „gefügig zu halten“.

Mit zwei hohen Dämmen soll da der Ganges – mit einem anderen der Brahmaputra gestaut werden. Und – die in Dhaka regierende „Arwami-League“ scheint diesen Maßnahmen zugestimmt zu haben. Die Auswirkungen der indischen Wasserbevorratung indes sind schon jetzt deutlich sicht- und spürbar. Mit Ausführung dieser Pläne indes wird das Ganges-Delta Bangladeschs unweigerlich in den nächsten Jahren Schauplatz einer ökologischen und humanitären Katastrophe. Der Stromimport von den Wasserkraftwerken aus Indien wird daran nichts ändern – bis zu 85 % des Wassers wird da dem Ganges-Delta entzogen werden. Was das für die Landwirtschaft in diesem fruchtbaren Schwemmland und – Millionen von Kleinbauern bedeutet ist mit Worten kaum zu beschreiben – zumal das Land durch den Klimawandel bei ansteigendem Meeresspiegel und zunehmender Versalzung demzufolge des Deltas – und der Böden dort doppelt gefährdet ist.

Es sind da also wie eigentlich immer vielfältige Interessen von verschiedenen Gruppierungen, die sich an einem Ort überlagern und die so auch über dessen Schicksal weiter bestimmen möchten. Krieg und Frieden – Wohlergehen oder Zerstörung richten sich denn auch nach der Bereitschaft der Beteiligten, dies zu respektieren und entsprechendes Vertrauen aufzubauen.

Derzeit indes scheint Südasien weiter denn je entfernt von einem rationalen Verständigungsprozess.

Die unmittelbare Nachbarschaft zu Zentralasien und Afghanistan – und da gerade die Rolle Pakistans als indischer Sündenbock und chinesischer Alliierter macht im Hinblick auf 2014 – den westlichen Truppenabzug aus Afghanistan die Dinge nicht leichter. Schnell können sich da viele paranoide irrationale Elemente aufschaukeln in diesen immer fragiler erscheinenden Gefilden. Insofern sei hier ausdrücklich vor einer weiteren Destabilisierung der Region, die sich da deutlich abzeichnet gewarnt. Noch vermag man da mit etwas Geschick die Dinge zu steuern.

Lange wird dies jedoch nicht mehr möglich sein. Und bald – Ende des Jahres stehen denn ja auch „Wahlen“ an – sowohl in Indien, als auch in Bangladesch und Pakistan. Nicht nur die UN – auch kluge diplomatische Kreise allerorten sollten da wachsamer sein als bisher vielerorts, als man Entwicklungen verschlief und so den Militärs bald das Feld räumen musste.

Stefan Frischauf – derzeit Dhaka/ Feni – Bangladesch