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Sudan-Einsatz der Bundeswehr startet - Friedensforscher denkt über Motive nach

Transport-Geschäfte

Die Bundeswehr soll ab Donnerstag ihren Sudan-Einsatz beginnen. Wie ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Mittwoch in Berlin sagte, sollen 200 Soldaten sowie Fracht per Flugzeug in den Sudan verlegt werden. Die "Operation" soll am 24. Dezember abgeschlossen werden. Wie die "Sächsische Zeitung" schreibt, hat Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) bereits eine entsprechende Weisung an das Einsatzführungskommando in Potsdam erteilt. Der Kasseler Friedensforscher Dr. Peter Strutynski weist auf das Interesse verschiedener Länder am Erdöl im Sudan hin. Außerdem sei ein deutsches Industriekonsortium an einem milliardenschweren Geschäft im Sudan interessiert, das nicht mit der Zentralregierung, sondern mit einer Rebellengruppe vereinbart worden sei. Daher mache es möglicherweise Sinn, mittels Darfur die Zentralregierung zu schwächen.

Die deutsche Luftwaffe soll auf Anforderung der Afrikanischen Union 200 gambische Soldaten der Friedenstruppe für die Krisenregion Darfur sowie zwölf Tonnen Ausrüstung dorthin transportieren.

Das auf ein halbes Jahr begrenzte Bundestagsmandat für den Einsatz legt die Zahl deutscher Soldaten auf höchstens 200 fest. Der Bundestag hatte Anfang Dezember grünes Licht für die Mission "AMIS" gegeben. Das Parlament wollte eigentlich bereits eine Woche früher über das neue Mandat entscheiden, hatte den Tagesordnungspunkt aber kurzfristig wieder abgesetzt. Hintergrund war eine Erklärung der sudanesischen Regierung gegen einen Einsatz der Bundeswehr. Mittlerweile wurde klargestellt, dass an eine Stationierung deutscher Soldaten in Darfur nicht gedacht ist und die Bundeswehr-Mission sich allein auf Transportleistungen für afrikanische Truppen beschränkt.

Vorvertrag mit sudanesischer Rebellengruppe

Peter Strutynski, Friedensforscher an der Universität Kassel, vermutet, dass der deutsche Militäreinsatz im Sudan neben dem Interesse am Öl auch durch ein milliardenschweres Baugeschäft motiviert ist. Er verweist auf einen Bericht der "Neuen Züricher Zeitung" vom 27. November, wonach deutsche Firmen am Bau eines Schienennetzes im Süd-Sudan interessiert seien. Und: Die hierfür abgeschlossenen Vor-Verträge wurden offenbar mit einer südsudanesischen Rebellenorganisation gemacht - und nicht mit der sudanesischen Zentralregierung in Khartum.

Die Sudan People's Liberation Army (SPLA) hat der Neuen Züricher Zeitung zufolge mit der deutschen Gleisbau-Firma Thormählen im September einen Vorvertrag für den Bau eines Schienennetzes von 4000 Kilometern Länge im Südsudan geschlossen. Thormählen habe dabei die sudanesische Regierung ignoriert. Der Chef der Firma, Klaus Thormählen, soll zuversichtlich von einer Abspaltung des Südens von der Zentralregierung gesprochen haben: "Beim Abschluss eines endgültigen Friedensabkommens, wie er noch vor Ende dieses Jahres geplant ist, wird der Süden autonom, erhält die Hälfte der Öleinnahmen und kann den Aufbau seiner Infrastruktur selbst planen."

Unternehmen kennt bereits die "zukünftige Regierung des Südsudan"

In einer Pressemitteilung der Firma heißt es zudem: "Die SPLM als zukünftige Regierung des Südsudan erteilt der Thormählen Gruppe einen Auftrag zum Bau einer 4.100km langen Eisenbahstrecke, die den Südsudan mit Kenia und Uganda verbindet. Aufgrund sehr enger persönlicher Beziehungen zwischen Herrn Klaus Thormählen und Herrn Dr. Costello Garang Ring (Commissioner for international cooperation der SPLM/A) ist es uns gelungen, das Vertrauen der neuen Regierung des Süd Sudan und der Regierungen in Kenia, Uganda und Äthiopien zu gewinnen. Man hat uns gebeten, die Leitung verschiedener Großprojekte zum Wiederaufbau des Süd Sudans zu übernehmen."

Nach Angaben des Unternehmens soll die Eisenbahnlinie "von den Ölfeldern des Süd Sudan mit Abzweigungen nach Uganda bis nach Rongai/Nairobi (4.100km), anschließend an das vorhandene alte englische Eisenbahnnetz" geführt werden. "Die Einnahmen aus dem Ölgeschäft dienen dabei als Sicherheit für die Finanzierung."

Die Regierung von Kenia folgte scheinbar den Vorschlägen von Herrn Thormählen

Die Regierung von Kenia habe sich entschlossen, "dem Vorschlag von Herrn Thormählen zu folgen und auch diese Neubaustrecke in europäischer Normalspur zu bauen", schreibt das Unternehmen weiter.

Der Bau des bereits beauftragten Eisenbahnprojekts von 4.100 Kilometern hat nach Angaben von Thormählen ein Volumen von rund 2,5 Milliarden US-Dollar alleine für den Gleisoberbau. "Insgesamt mit einem Investitionsvolumen von ca. 8 Mrd. US$ für diesen Bereich zu rechnen."

Mit den deutschen Firmen Thyssen-Krupp, Siemens, Strabag und Radio Hamburg hat Thormählen laut Züricher eine Holding-Gesellschaft gegründet, welche beim Wiederaufbau des Südens mitwirken soll.

Die Erklärung des Friedensforschers für den deutschen Militäreinsatz in Darfur: "Eine Option könnte die Abspaltung des Südens von der Zentralmacht sein. Und dazu dient in jedem Fall eine Schwächung Khartums, die über einen verstärkten Einfluss des Westens in der Krisenregion Darfur befördert würde."

Will der Westen die Teilung oder den Zusammenhalt des Sudan?

Ob sich der Westen für den Zusammenhalt des Sudans oder aber dessen Teilung einsetzt, könnte nach Einschätzung der Neuen Züricher Zeitung bald von den USA entschieden werden. "Die grossen amerikanischen Ölfirmen Chevron Texaco und Exxon Mobil dringen darauf, wieder ins sudanesische Ölgeschäft einsteigen zu können. Die Administration Bush hat zugesagt, die amerikanischen Sanktionen gegen Khartum aufzuheben, sobald der Friedensvertrag zwischen dem Nord- und dem Südsudan unterzeichnet ist."

China interessiert sich laut Züricher schon länger für das Öl im Sudan. So baute es 1999 eine Pipeline von den Ölfeldern nach Khartum und weiter zum nordsudanesischen Hafen Port Sudan. Das sudanesische Öl werde zwar hauptsächlich im Süden des Landes gefördert, doch ausschliesslich über Port Sudan ausgeführt. "Khartum ist nicht interessiert daran, dass es zu einer Abspaltung des Südens kommt."

Erdöl "scheint bei Gesprächen über Darfur eine wichtige Rolle zu spielen"

"Die Forderung nach einer gerechten Verteilung der Öleinnahmen war einer der wichtigsten Punkte bei den Verhandlungen zur Lösung des Konflikts zwischen Khartum und den südsudanesischen Rebellen", schreibt die Zeitung weiter. "Sie scheint auch bei den Gesprächen über Darfur eine wichtige Rolle zu spielen."

Die Rebellen der Sudan Liberation Army und des Justice and Equality Movement fordern scheinbar 13 Prozent der Öleinnahmen, obwohl zurzeit noch niemand genau wisse, wie viel Öl unter den Wüsten und Savannen der Region Darfur liegt. "Ein Ölfeld, der Block 6, erstreckt sich durch den gesamten Gliedstaat Süddarfur", schreibt die Züricher Zeitung.

Strutynski ist sich in einem Punkt sicher: "Neben dem humanitären Anliegen, Menschen in der Region zu helfen, spielen noch andere Motive eine Rolle. Und ohne die gäbe es keinen Militäreinsatz." Denn: Die Bundesregierung verweise immer wieder darauf, dass ihre militärischen Kapazitäten für Auslandseinsätze eigentlich erschöpft seien.

Stefan Kröpelin, laut Strutynski "einer der besten Kenner der sudanesischen Verhältnisse", habe hierzu schon länger starke Zweifel angemeldet. Das Chaos und das Massensterben in Darfur würden seit geraumer Zeit gerade von deutschen Politikern maßlos übertrieben. "Von Völkermord kann keine Rede sein und was die Region am wenigsten braucht, ist Militär."