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Ex-Verteidigungsstaatssekretär erhebt Verfassungsbeschwerde gegen Tornados

Afghanistan-Krieg

Der ehemalige Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium Willy Wimmer und der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler haben beim Bundesverfassungsgericht Organklage erhoben, "um den von der Mehrheit des Deutschen Bundestages und auf Antrag der Bundesregierung beabsichtigten Einsatz von Tornado-Flugzeugen der Bundeswehr in Afghanistan zu verhindern". Gauweiler und Wimmer verweisen auf "die Gefahr, dass Deutschland durch einen Einsatz von Tornado-Flugzeugen der Bundeswehr in die völkerrechtswidrige Kriegsführung der Vereinigten Staaten in Afghanistan verstrickt würde". Mit ihrer Klage gegen den Bundestag und die Bundesregierung machen die Abgeordneten geltend, der Tornado-Beschluss führe zu einer stillschweigenden Änderung des NATO-Vertrages, die mit dem Völkerrecht und dem Grundgesetz unvereinbar und durch das deutsche Zustimmungsgesetz zum NATO-Vertrag von 1956 nicht gedeckt sei.

Die beiden Abgeordneten werden durch den Ordinarius für Staats- und Völkerrechtler Professor Dietrich Murswiek von der Universität Freiburg vertreten. Für die beiden Unionsabgeordneten ist die von der Bundesregierung beabsichtigte Entsendung von Tornado-Flugzeugen "der letzte Schritt in einer sich über mehrere Jahre erstreckenden Politik, die an einer stillschweigenden und vom Gesetzgeber nicht gewollten Änderung der Substanz des NATO-Vertrages mitwirkt".

Die Abgeordneten stellten auch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Demnach sollen die Tornados bis zur Entscheidung in der Hauptsache in Deutschland bleiben.

Nach Auffassung der beiden Bundestagsabgeordneten "verstößt die NATO-Führungsmacht USA mit ihrer Strategie und ihrem außenpolitischen und militärischen Verhalten ständig gegen fundamentale Prinzipien des NATO-Vertrages". Mit ihrer Nationalen Sicherheitsstrategie nähmen die USA für sich das Recht in Anspruch, "ohne Ermächtigung durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und ohne dass ein Angriff durch einen anderen Staat und somit eine Selbstverteidigungslage gegeben ist, Präventivkriege führen zu dürfen". Mit dem Krieg gegen den Irak haben die USA nach Auffassung von Wimmer und Gauweiler einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg geführt.

"Der Krieg gegen Afghanistan war ursprünglich als Selbstverteidigung gerechtfertigt", so der ehemalige Vertedigungsstaatssekretär und der CSU-Abgeordnete. "Indem aber die USA heute, nachdem Afghanistan längst ein befreundeter Staat ist, immer noch die Operation Enduring Freedom (OEF) in Afghanistan auf das Selbstverteidigungsrecht stützen, geben sie dem Begriff der Selbstverteidigung einen völlig anderen Inhalt als den von der Charta der Vereinten Nationen gemeinten: Da die Verteidigung sich nicht mehr gegen einen konkreten Angriff eines konkreten Staates richtet, sondern gegen den'internationalen Terrorismus', wird der 'Krieg gegen den Terrorismus' zu einem zeitlich und räumlich unbegrenzten Krieg", meinen die beiden Politiker.

Die Kriegsführung der USA sei "mit fundamentalen Grundsätzen des humanitären Völkerrechts unvereinbar". Dies gelte nicht nur für die Behandlung von Gefangenen, "sondern vor allem auch für militärische Aktionen, die unterschiedslos auch die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft" zögen.

"Indem die NATO-Staaten diesem vertragswidrigen Verhalten der USA nicht entgegentreten, sondern es zum Teil durch aktive Kooperation unterstützen", so Gauweiler und Wimmer, sei ein Prozess einer stillschweigenden Änderung des NATO-Vertrages in Gang gesetzt worden, der dazu führe, dass die Begriffe dieses Vertrages einen Inhalt bekämen, der "das bisher rechtswidrige Verhalten der USA" legitimierten: "'Selbstverteidigung' wird dann erlaubt sein, wenn gar kein Angriff gegeben ist, und militärische Gewaltanwendung im 'Krieg gegen den Terrorismus' wird überall auf der Welt als 'Selbstverteidigung' gerechtfertigt werden können, wo sich Terroristen aufhalten, auch wenn die Regierungen der betreffenden Staaten diese Terroristen bekämpfen. Dabei behalten sich die USA die Definitionshoheit darüber vor, wen sie zum 'Terroristen' erklären und wen nicht." Diese "Änderung des NATO-Vertrages" ist nach Auffassung der beiden Politiker mit dem allgemeinen Gewaltverbot der UN-Charta und des Völkergewohnheitsrechts unvereinbar.

Sie verstoße zugleich gegen Artikel 24, 25 und 26 des Grundgesetzes. So wirke die Bundesregierung "an der völkerrechtswidrigen und verfassungswidrigen Änderung des NATO-Vertrages mit. Sie wirkt durch Unterlassen mit, denn sie wäre verpflichtet, dem Prozess der stillschweigenden Vertragsänderung entgegenzuwirken, die auch dadurch bewirkt werden kann, dass Vertragsstaaten einer vertragswidrigen Staatenpraxis nicht widersprechen. Sie wirkt auch durch aktive Unterstützung völkerrechtswidriger Aktionen der USA mit", kritisieren die Abgeordneten.

Der jüngste Mitwirkungsakt sei der Beschluss, die Tornados nach Afghanistan zu schicken. "Denn die Aufklärungsergebnisse der Tornados werden nicht nur den ISAF- Truppen zur Verfügung stehen, die auf der Basis eines UN-Mandats arbeiten, sondern auch den OEF-Truppen der USA, die sich zu Unrecht auf das Selbstverteidigungsrecht stützen und in ihrer Kriegsführung sich über den Willen der afghanischen Regierung und über das humanitäre Völkerrecht hinwegsetzen."

Die Mitwirkung der Bundesregierung an "der stillschweigenden Änderung des NATO-Vertrages" verletzt nach Auffassung der Politiker die Rechte des Bundestages und die Rechte jedes einzelnen Abgeordneten. "Denn dieser Bedeutungswandel des NATO-Vertrages geht über das im deutschen Zustimmungsgesetz von 1956 festgelegte Integrationsprogramm weit hinaus."

Nach Ansicht des ehemaligen Verteidigungsstaatssekretärs und des CSU-Politikers "darf sich Deutschland nicht in Kampfhandlungen verwickeln lassen, durch welche die Zivilbevölkerung unermeßliches Leid erfährt und die Menschen in Afghanistan so gegen den Westen aufgebracht werden, dass sie in die Hände der Taliban getrieben werden."